Kapitalmarkt-Trend

Investoren setzen auf grüne und digitale Infrastruktur

Neben Windparks oder Sendemasten rücken nun innovativere Projekte in den Fokus von Investoren. Allerdings schauen auch die Aufsichtsbehörden genauer hin.

Investoren setzen auf grüne und digitale Infrastruktur

Es ist einer der maßgeblichen Trends an den internationalen Kapitalmärkten: Anleger zeigen sich zunehmend zurückhaltend, wenn es darum geht, in fossile Brennstoffe zu investieren. Zugleich ist ein signifikanter Anstieg von Investitionen in erneuerbare Energien zu beobachten.

Dieser Trend dürfte sich weiter fortsetzen. Nicht zuletzt seit dem Krieg in der Ukraine ist das Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft akut auf die Agenda von Politik und Wirtschaft gerückt und damit das Bedürfnis, sich so schnell wie möglich von russischen Öl- und Gaslieferungen abzukoppeln. Dafür werden nicht nur alternative Energiequellen benötigt, sondern auch großvolumige Investitionen in die Infrastruktur. So hat die EU-Kommission Mitte Mai ein neues Energiepaket mit einem Volumen von bis zu 300 Mrd. Euro für die nächsten acht Jahre vorgestellt, um die Energiewende vor­an­zutreiben und Investitionen an­zustoßen. Die Plä­ne des „europäischen Green Deal“ sehen beispielsweise vor, dass Erneuerbare-Energie-Projekte vekürzt, mehr klimafreundlicher Wasserstoff importiert und In­vestitionen in die In­frastruktur getätigt werden.

Die notwendigen In­frastrukturinvestitionen können jedoch nicht allein durch staatliche Investitionen finanziert werden. Für institutionelle Anleger öffnet sich hier eine sehr attraktive Anlageklasse mit vielfältigen Varianten. Weltweit stehen dafür Milliarden an privatem Kapital bereit, um saubere Technologien und Infrastrukturprojekte zu finan­zieren. So kündigte beispielsweise ein großer Ver­mögensver­walter Anfang Juli eine neue Fondslösung an, die mit Milliarden die Finanzierung der Energiewende vorantreiben soll.

Neben Windparks ­und Fotovoltaikanlagen rücken dabei schon jetzt jüngere Märkte in den Fokus der Anleger. Projekte in den Bereichen Wasserstoff, Energiespeicherung, Ladesäulen und Kohlenstoffabsonderung erfreuen sich wachsender Beliebtheit.

Eine vergleichbare Entwicklung ist bei digitaler Infrastruktur zu beobachten: Nachdem die Corona-Pandemie das Interesse von Investoren verstärkt hat, geht die Nachfrage inzwischen weit über traditionelle Modelle wie Mobilfunk- und Sendemasten hinaus. Die Palette reicht neuerdings von Glasfaserprojekten bis hin zu Rechenzentren. Diese relativ jungen Anlagemöglichkeiten bieten Anlegern im Vergleich zu vielen klassischen Projekten zusätzliche Chancen.

Das wachsende Interesse an digitaler Infrastruktur ist in Asien, den USA, Europa und anderswo gleichermaßen zu beobachten. Deutschland war zuletzt besonders aktiv, was Glasfaseranschlüsse für private Haushalte anging. Das überrascht nicht: Deutschland gehört – wie auch Großbritannien – zu den entwickelten Volkswirtschaften, die in diesem Bereich nach wie vor unterversorgt sind. Als prägnantes Beispiel ist hier sicherlich das Joint-Venture der Deutschen Telekom mit dem IFM Global Infrastructure Fund zu nennen.

Der Trend zur größeren Vielfalt bei Infrastruktur-Investitionen betrifft nicht nur ESG-orientierte Anlagen (ESG steht für Environment Social Governance) und Hightech-Projekte: Private Kapitalgeber interessieren sich immer öfter für nichttraditio­nelle Anlagen wie Radiologie-Kliniken, Vergnügungsparks, Pflegeheime, Bildungsanbieter, Hersteller von Warmwasserbereitern oder Klima­anlagen. Auch in diesen Bereichen locken gut kalkulierbare Cashflows und ein Schutz vor In­flation.

Eine wachsende Vielfalt ist nicht nur bei den Investitionsobjekten, sondern auch bei den Finanzierungsstrukturen zu verzeichnen. So verknüpfen Anbieter immer öfter Elemente der Projektfinanzierung und der Unternehmensfinanzierung. Das macht Infrastruktur-Investitionen für neue Zielgruppen interessant und dürfte die Nachfrage weiter erhöhen – auch vor dem Hintergrund vergleichsweise niedriger Renditen an den Aktien- und Anleihemärkten.

Investitionen in Infrastrukturfonds dürften deshalb in diesem Jahr ein hohes Niveau erreichen; Anbieter solider Anlagen können mit zahlreichen Geboten und hohen Bewertungen rechnen.

Käufer und Investoren müssen sich auf Grund der hohen Nachfrage und der damit einhergehenden Konkurrenz dagegen darauf einstellen, dass sie allenfalls geringen Verhandlungsspielraum haben. Sie müssen bereit sein, schnell zu handeln und etwas höhere Risiken in Kauf zu nehmen, als sie es noch vor ein paar Jahren getan hätten, um den Zuschlag zu erhalten.

Zudem müssen sie in bestimmten Bereichen mit neuen regulatorischen Hürden rechnen. Denn angesichts der wachsenden Vielfalt und der neuen Zielgruppen wird deutlich, dass Aufsichtsbehörden bei Infrastruktur-Investitionen genauer hinschauen. Ein Großteil der EU-Mitgliedstaaten hat inzwischen eine Kontrolle ausländischer Investitionen in inländische Unternehmen (Foreign Direct Investments – FDI) eingeführt und nimmt zunehmend Einfluss. International sind neben der Europäischen Union (EU) auch das Vereinigte Königreich, die USA, Kanada, Australien und Neuseeland investitionskontrollrechtlich sehr aktiv.

US-Regulierung als Vorbild?

Aufsichtsbehörden weltweit nehmen Sektorrisiken in den Portfolien institutioneller Anleger verschärft unter die Lupe. Zudem werden Gesetze zum Schutz des Wettbewerbs bisweilen strenger ausgelegt. Das betrifft insbesondere die USA, wo strategische Investoren unter der Biden-Administration mit mehr Fragen der Federal Trade Commission rechnen müssen, als dies in der Vergangenheit üblich war.

Besondere Aufmerksamkeit schen­ken die Aufsichtsbehörden ausländischen Investitionen in kritische Infrastruktur. Die USA haben die Aufsicht in diesem Bereich aus Gründen der nationalen Sicherheit bereits verschärft, und andere Länder ziehen nach. Der Schutz nationaler Sicherheitsinteressen bei Investitionen in kritische Infrastrukturen spielt in­zwischen auch bei Aufsichtsbehör­den außerhalb der USA eine wichtige Rolle.

Detailliert prüfen

Trotz dieses weltweiten Trends hält die Investitionskontrolle Kapitalgeber nicht davon ab, weiterhin in deutsche und europäische Unternehmen zu investieren. Da die Investitionskontrolle Unternehmenserwerbe um weitere regulatorische Komplexitäten ergänzt und damit die Transaktionskosten steigen, lohnt sich eine detaillierte Prüfung. Anmeldeerfordernisse und potenzielle ­Risiken einer Phase-II-Prüfung können auf diese Weise frühzeitig erkannt und vertragstechnisch ­antizipiert werden. Hinzu kommt, dass etwaige sicherheitsrechtliche Bedenken in der großen Mehrzahl der Fälle durch Verhaltenszusagen der Unternehmen ausgeräumt werden können.