Airbus stellt Wasserstoffprojekt zurück
Airbus stellt Wasserstoffprojekt zurück
Flugzeugbauer erwartet, dass sich „das notwendige Ökosystem um fünf bis zehn Jahre verzögert“ – Luft- und Raumfahrtkonzern rechnet bald mit zusätzlichen Rüstungsaufträgen
wü Toulouse
von Gesche Wüpper, Toulouse
Airbus hält die Zeit für ein Wasserstoffflugzeug noch nicht für reif und stellt das Projekt daher zurück. In der regulatorischen Phase auf dem Weg zu Zulassungen müsse mehr als bisher getan werden, erklärte CEO Guillaume Faury auf einer Nachhaltigkeitskonferenz des Konzerns. Der Regulierungsrahmen und das für ein Wasserstoffflugzeug notwendige Ökosystem mit in ausreichend zur Verfügung stehendem grünen Wasserstoff zu akzeptablen Preisen hätten sich noch nicht ausreichend entwickelt.
Deshalb wäre das Wasserstoffflugzeug weniger wettbewerbsfähig als andere Modelle, wenn es wie zunächst geplant 2035 auf den Markt käme. „Wir wollen ein Wasserstoffflugzeug, das wettbewerbsfähig ist.“ Aufgegeben werde das Projekt jedoch nicht. Airbus will aber nach eigener Darstellung vermeiden, dass das Wasserstoffflugzeug ein Schicksal wie das bewunderte, aber verlustbringende Überschallflugzeug Concorde erleidet. Der Konzern will sich daher zunächst verstärkt auf die Entwicklung eines neuen Mittelstreckenjets der nächsten Generation sowie den Einsatz von SAF (Sustainable Aviation Fuel) konzentrieren. „Wir haben das Wasserstoffprogramm nicht gestoppt. Wir kommen jetzt zum Ende der ersten Phase", stelle Faury klar.
Ersatz von Satelliten
Mit Blick auf die neue europäische Verteidigungsinitiative der Rüstungs- und Raumfahrtsparte hofft der Manager, dass diese Airbus neue Aufträge bescheren wird. „Ich glaube, dass wir eine Menge an Space- und Verteidigungsgeschäften sehen werden", sagte Airbus Defence & Space-Chef Michael Schoellhorn. Derzeit werde mit verschiedenen europäischen Ländern gesprochen. Sie seien daran interessiert, amerikanische Satellitendienste wie Starlink von Elon Musk und Maxar zu ersetzen und hätten zudem Interesse an strategischem Lufttransport. Erste Aufträge in diesem Jahr seien möglich, meint Schoellhorn. Faury mahnte zudem zur Konsolidierung der europäischen Rüstungsindustrie.
Bekenntnis zu Wasserstoff
Der Luft- und Raumfahrtkonzern hatte kürzlich eingeräumt, dass sich das Wasserstoffprojekt ZEROe verzögert. Wie genau der neue Zeitplan aussehen soll, ist weiter unklar. „Wir schätzen, dass sich das notwendige Ökosystem um fünf bis zehn Jahre verzögert“, sagte ZEROe-Projektleiter Glenn Llewellyn am Rande der Konferenz. Seit der Lancierung des Projekts 2020 habe sich die Welt verändert. „Aber in einem Jahr könnte alles schon wieder ganz anders aussehen.“ Airbus wolle sicherstellen, dass das Ökosystem für grünen Wasserstoff bereit stehe, wenn sein Wasserstoffflugzeug auf den Markt komme. Bisher umfasst es gerade mal 220 von weltweit mehreren tausend Flughäfen und 22 H2-Hubs an Airports.
Die vier Brennstoffzellen des nun anvisierten voll-elektrischen Propellerflugzeugs mit 100 oder mehr Sitzplätzen sollen über zwei Wasserstofftanks versorgt werden. „Momentan denken wir, dass vier Triebwerke am besten wären“, sagte Llewellyn. Ursprünglich hatte Airbus beim Wasserstoffflugzeug auch zu zwei weiteren Konzepten geforscht, einem Turbofan-Modell und einem Nurflügler. Das jetzt gewählte Konzept werde in den kommenden Jahren noch weiter verfeinert. „Wasserstoff und SAF sind komplementär“, antwortete Llewellyn auf eine entsprechende Frage. Der Mittelstreckenjet der nächsten Generation, den Airbus in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts als Nachfolger der A320-Familie mit Platz für 150 bis 230 Passgiere auf den Markt bringen will, soll komplett mit SAF betrieben werden können. Derzeit sind alle Modelle des Flugzeugbauers für einen Anteil von 50% SAF am Treibstoff zertifiziert.
Neue Flügel und Triebwerke
Ziel sei zudem, den Treibstoffverbrauch des A320-Nachfolgers um 20% bis 30% zu senken, sagt Airbus-Manager Fichieux. Dabei helfen sollen neuartige Flügel, leichtere Komposit-Materialien und disruptive Triebwerke wie der Open Rotor, den CFM International derzeit im Rahmen des RISE-Programms entwickelt. Da sie mit einem Durchmesser von rund vier Meter deutlich größer als herkömmliche Triebwerke sein werden, müssen Flügel und Struktur des Flugzeugs entsprechend angepasst werden. Trotz des ins Auge gefassten Open Rotor-Triebwerks dürfte das neue Modell eher evolutionär denn revolutionär werden, meint Airbus-Chef Faury.
Output soll steigen
Derzeit liegen dem Flugzeugbauer Bestellungen für 7.702 A320- und A220-Mittelstreckenjets vor, die noch ausgeliefert werden müssen. Bis 2027 will Airbus deshalb die A320-Produktionsrate auf 75 Exemplare pro Monat steigern. Probleme der Zulieferkette sorgten jedoch zuletzt für Schwierigkeiten. Es gäbe Zeichen, dass sich die Lage verbessere, sagte Christian Scherer, der Chef der Verkehrsflugzeugsparte. Mögliche Strafzölle würden allen schaden, warnte Airbus.
Airbus lässt sich mehr Zeit bei der Entwicklung eines Wasserstoffflugzeugs, unter anderem weil der Treibstoff und die nötige Infrastruktur auf Sicht nicht ausreichend verfügbar sein werde. Der Konzern konzentriert sich verstärkt auf einen A320-Nachfolger und SAF-Treibstoffe.