Aktionärsvertreter hadern mit StaRUG-Sanierung
Aktionärsvertreter hadern mit StaRUG-Sanierung
DSW prüft Schadenersatzansprüche gegen Leoni-Verantwortliche – Auch Investoren von Spark Networks gehen leer aus
sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
Die Restrukturierung von Leoni ist seit Monaten abgeschlossen, der Autozulieferer hat die Börse verlassen – doch nicht alle haben mit den Ereignissen ihren Frieden gemacht. Nach der Sanierung über das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) gehört Leoni dem österreichischen Unternehmer Stefan Pierer. Die übrigen Altaktionäre durften sich nach einer Kapitalherabsetzung nicht an der Kapitalerhöhung beteiligen, über die Pierer dem Zulieferer frische Mittel bereitstellte. Dies war möglich, weil das StaRUG Mehrheitsentscheidungen zulässt. Einzelne Gläubigergruppen können, so wie die Altaktionäre bei Leoni, überstimmt werden.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) spricht in diesem Zuge von einer „Enteignung der Bestandsaktionäre“ und will gegen die damals Verantwortlichen vorgehen. Dass die Beteiligung an der Kapitalerhöhung nicht dem gesamten Aktionärskreis angeboten wurde, sei ein „Ansatzpunkt für Schadenersatzansprüche gegenüber den Organen der Leoni“, meint der Jurist Klaus Nieding, Vizepräsident der DSW.
Gericht weist Beschwerden zurück
Das Landgericht Nürnberg musste sich bereits vor Monaten mit Beschwerden von Leoni-Aktionären befassen, wies diese aber zurück. Zur Begründung heißt es unter anderem, dass Gläubiger bei einer Beschwerde glaubhaft machen müssten, dass sie durch den StaRUG-Restrukturierungsplan „wesentlich schlechter“ gestellt werden als bei einem Szenario ohne Plan. „Wesentlich“ bedeutet nach Auffassung des Gerichts eine mindestens 10-prozentige Schlechterstellung, bei einer Geringwertigkeitsschwelle von 600 Euro. Bei der Beschwerde gegen Leoni fehlt es laut Gericht an diesem Vergleich. Die Schwelle von 10% hat laut Nieding das Gericht festgelegt, eine einheitliche Definition gebe es in der Branche bisher nicht.
Der auf Risikomanagement spezialisierte Ökonom Werner Gleißner, der im Auftrag der DSW ein Gutachten zum Fall Leoni erstellt hat, sieht in der Anwendung des StaRUG einige „Interpretationsmissverständnisse“: So gebe es zwar die Möglichkeit, dass Eigentümer im Zuge des Verfahrens ihr Eigentum verlieren. Dies sollte jedoch ein letzter Ausweg sein, mahnt er. Bei Vergleichsrechnungen dürfe man nicht nur schlechte Optionen wie den Insolvenzfall betrachten.
Um mehr Handlungsoptionen zu eröffnen, ist laut Gleißner ein funktionierendes Frühwarnsystem zwingend, wie es im StaRUG gefordert wird. Diese verschärften Anforderungen an das Risikomanagement würden aber von Wirtschaftsprüfern bislang nicht überwacht. Zumindest für größere Unternehmen sollte dies festgelegt werden, fordert Gleißner.
Vorwürfe im Fall Spark Networks
Die Aktionärsschützer fürchten, dass der Fall Leoni Schule machen könnte. Auch bei der amerikanisch-deutschen Dating-Plattform Spark Networks stehen Altinvestoren mit leeren Händen da. Das Unternehmen hat sich über ein StaRUG saniert, das mittlerweile auch unter Chapter 15 des US-Insolvenzrechts anerkannt wurde. Der vormals größte Gläubiger MGG Investment Group hat Spark Networks übernommen. Eine Reihe von Aktionären, die mehrheitlich gegen den Restrukturierungsplan gestimmt haben, sind wie ihre Leidensgenossen bei Leoni im Zuge einer gruppenübergreifenden Mehrheitsentscheidung („Cross-Class Cramdown“) überstimmt worden. Florinda Invest, Libola Invest, PM Service und Greenleaf Partners Fund hatten Widerspruch gegen den Restrukturierungsplan erhoben, das Gericht hat diesen jedoch im Januar bestätigt. Es sah es als erwiesen an, dass die Aktionäre durch den Restrukturierungsplan nicht schlechter gestellt würden als in einem alternativen Szenario.
So sei zur Bewältigung der Krise unter anderem ein M&A-Prozess angestoßen worden, „der jedoch nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte“, wie es in den Unterlagen heißt. Die Gesellschaft habe „darüber hinaus dargelegt, warum ein Verkauf des Unternehmens oder eine andere Fortführung aussichtslos ist“.
Auch der Vorwurf, die drohende Zahlungsunfähigkeit von Spark Networks sei etwa durch überhöhte Werbeausgaben von 80 Mill. Dollar im Jahr gezielt herbeigeführt worden, ist laut Gericht kein Grund, den Restrukturierungsplan abzulehnen. Ebenso wie im Regelinsolvenzverfahren „prüft und wertet das Restrukturierungsgericht nicht die Umstände, die zu einem Eröffnungsgrund geführt haben“, stellte es klar. Wenn Gläubiger Schäden durch ein vermeintliches Fehlverhalten des Managements annähmen, sei dies vor einem Zivil- oder Strafgericht zu klären.
Warten auf Evaluierung
Im Fall Leoni wollen Aktionärsschützer Schadenersatzansprüche gegen das Management prüfen. Die DSW sieht über den Fall hinaus Reformbedarf für das StaRUG. 2021 und 2022 gab es erst rund 50 StaRUG-Sanierungen, Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor. Viele Fälle betreffen Mittelständler mit überschaubarem Gesellschafterkreis. Der Gesetzgeber solle dagegen bei Publikumsgesellschaften die Informationspflichten des Managements gegenüber den Aktionären verschärfen, fordert DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. Der Fall Leoni zeige, „dass das StaRuG in seiner heutigen Aufstellung für Publikumsgesellschaften nicht geeignet ist“. Eine Evaluierung des StaRUG war bei dessen Einführung angedacht. Ein Termin ist bislang jedoch nicht bekannt.
Gastbeitrag: Das StaRUG muss dringend nachgearbeitet werden
Analyse "Im Blickfeld": StaRUG: Sanierung mit Seltenheitswert
Bei Leoni und der Dating-Plattform Spark Networks verlieren frühere Anteilseigner im Zuge der StaRUG-Sanierungen ihre Investments. Aktionärsschützer laufen Sturm gegen das noch junge Restrukturierungsverfahren. Im Fall Leoni wollen sie von den Verantwortlichen nun Schadensersatz fordern.