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Alphabet kurbelt Ausgaben nach Scheitern von Wiz-Deal an

Ein verlangsamtes Erlöswachstum von Alphabet im zentralen Werbegeschäft bereitet Anlegern Sorge, während durch die geplatzte Übernahme des Startups Wiz ein Hoffnungsfaktor für die Cloud-Sparte wegfällt. Doch die Google-Mutter fährt ihre Investitionen unverdrossen hoch.

Alphabet kurbelt Ausgaben nach Scheitern von Wiz-Deal an

Alphabet kurbelt Ausgaben nach gescheitertem Wiz-Deal an

xaw New York

Alphabet muss nach der gescheiterten Übernahme des Cybersecurity-Startups Wiz auch eine Verlangsamung im Werbegeschäft verkraften. Die Anzeigenerlöse der Tochter Google wuchsen zwischen April und Juni gegenüber dem Vorjahr zwar um 11,1% auf 64,62 Mrd. Dollar und damit schwächer als im Auftaktquartal, in dem sie um 13% anzogen. Auch der konzernweite Umsatz, für den die Werbeeinnahmen der mit Abstand wichtigste Treiber sind, legte mit einem Plus von 13,5% auf 84,74 Mrd. Dollar weniger deutlich zu als zuletzt.

Die Erholung im Anzeigengeschäft von den Rücksetzern der Corona-Pandemie reißt damit zunächst ab. Investoren nahmen zunächst zwar noch die Gewinnsteigerung um 28,6% auf 23,62 Mrd. Dollar in den Fokus, die höher ausfiel als an der Wall Street erwartet. Zudem will der Konzern die vierteljährliche Dividende konstant bei 20 Cent pro Aktie halten. Doch nach einem kurzen Aufschwung drehte der Titel im nachbörslichen New Yorker Handel schnell ins Minus.

Analysten rechnen mit neuen Milliardeninvestitionen

Neuen Antrieb soll nun das Cloud-Geschäft liefern, in dem die Erlöse um 29% zulegten und damit erstmals die Marke von 10 Mrd. Dollar knackten. In die Sparte, mit der Alphabet wie die Big-Tech-Konkurrenz vom enorm gestiegenen Bedarf nach Rechenleistung infolge des Booms um künstliche Intelligenz (KI) profitieren will, fließen anhaltend gewaltige Mittel. Die Investitionsausgaben schnellten im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 91,4% auf 13,2 Mrd. Dollar in die Höhe und damit stärker als an der Wall Street erwartet. Auch die Konkurrenz lässt sich das Rennen um die KI-Vormachtstellung hohe Summen kosten. Bank of America rechnet damit, dass sich die Investitionsausgaben großer Cloud-Dienstleister 2024 auf 180 Mrd. Dollar belaufen werden.

Alphabet-Investmentchefin Ruth Porat will das Cloud-Geschäft organisch ausbauen, hält sich potenzielle Deals aber offen. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Michael Brochstein.

Das Scheitern der Wiz-Übernahme bedeutet nun allerdings einen Dämpfer für die hochfliegenden Ambitionen. Die Gespräche zwischen den beiden Unternehmen laut Insiderberichten bereits weit fortgeschritten, bevor sie zu Beginn der laufenden Woche scheiterten. Zu den Gründen wollte sich Alphabet-CFO Ruth Porat, die sich ab Ende Juli voll auf ihre neuen Posten als Chief Investment Officer und Unternehmenspräsidentin konzentrieren soll, in einer Medienschalte nicht äußern.

Wiz strebt Börsengang an

In einer E-Mail an Mitarbeiter schrieb Wiz-CEO Assaf Rappaport gemäß Berichten des „Wall Street Journal“, in den kommenden Jahren ein IPO anpeilen zu wollen. Zuvor solle das Unternehmen einen wiederkehrenden Umsatz von 1 Mrd. Dollar erreichen – diese Marke stellte der Firmenchef schon für das kommende Jahr in Aussicht. Derzeit generiert das 2020 gegründete Unternehmen angeblich jährliche Erlöse von 500 Mill. Dollar.

Anfang Mai hatte Wiz in einer Finanzierungsrunde von Geldgebern um Andreessen Horowitz, Lightspeed Venture Partners und Sequoia Capital 1 Mrd. Dollar eingesammelt und war damit auf eine Bewertung von 12 Mrd. Dollar gekommen. Google wollte nun mit rund 23 Mrd. Dollar fast das Doppelte dessen hinblättern – der bisher größte Deal in der Firmengeschichte des Tech-Riesen war die Übernahme von Motorola Mobility für 12,5 Mrd. Dollar im Jahr 2012.

Streit mit Kartellbehörden programmiert

Wiz gilt in der Venture-Capital-Szene als einer der heißesten Namen auf dem Feld der Cybersicherheit. Durch eine Übernahme hätte Google den eigenen Cloud-Computing-Angebote laut Analysten anschieben können – im Geschäft mit der Bereitstellung von Rechenkapazitäten hinkt die Alphabet-Tochter noch hinter den Rivalen Amazon und Microsoft hinterher.

Allerdings gilt es auch als äußerst wahrscheinlich, dass eine Akquisition von Wiz die US-Kartellbehörden auf den Plan gerufen hätte, die eine breit angelegte Kampagne zur Begrenzung der Marktmacht von Big Tech verfolgen. In einem von Wirtschaftskanzleien als „wegweisend“ bezeichneten Prozess zwischen Alphabet und dem US-Justizministerium warten die Parteien derzeit auf ein Urteil – in dem Verfahren geht es um die Frage, ob der Konzern seine Vormachtstellung im Suchmaschinenmarkt durch illegale Absprachen verteidigt und somit ein unrechtmäßiges Monopol erlangt hat. Zudem ist eine zweite Klage anhängig, in der das Justizministerium Google vorwirft, ihre Rolle als führender Vermittler und Anbieter von Werbeplätzen im Netz und auf mobilen Endgeräten marktschädigend ausgenutzt zu haben.

Deal-Umfeld trübt sich ein

Unterdessen versucht sich die Kartellbehörde FTC unter ihrer seit 2021 amtierenden Vorsitzenden Lina Khan wiederholt daran, Merger im Tech-Sektor zu blockieren. Auch die Partnerschaften von Branchenriesen wie Alphabet, Microsoft und Amazon mit Startups wie der ChatGPT-Entwicklerin OpenAI oder deren KI-Konkurrentin Anthropic sind dabei in den Fokus gerückt. Investoren befürchten auch diesbezüglich lang anhaltende Rechtsstreitigkeiten. „Das könnte heißen, dass andere, ähnlich strukturierte Deals sich als wesentlich schwieriger realisierbar erweisen, weil der regulatorische Fokus sich so stark geschärft hat“, betonte Karen Kharmandarian, Chairman und Chief Investment Officer der Natixis-Tochter Thematics Asset Management, zuletzt gegenüber der Börsen-Zeitung.

Dies habe Folgen für die Innovationsfähigkeit der Tech-Riesen. Neue Entwicklungen seien zuletzt vor allem durch junge Unternehmen getrieben und weniger durch die Giganten der Branche. Deren Entwicklungsfähigkeit werde dadurch gehemmt, dass Schwächen und Fehlschläge sich stark negativ auf ihre Markenimages auswirken und damit schwer kontrollierbare finanzielle Risiken nach sich ziehen könnten.

Cookie-Pläne ad acta gelegt

Gerade deshalb sehen Analysten Deals wie die nun vorerst gescheiterte Wiz-Übernahme als zentral für die Bemühungen der Großkonzerne, ihre Innovationskraft zu stärken. Alphabet-Investoren hoffen darauf, dass beide Seiten doch noch an den Verhandlungstisch zurückkehren. Spitzenmanagerin Porat betonte am Dienstag, die Google-Mutter sehe starke Gelegenheiten, das Cloud-Geschäft organisch auszubauen. „Nichtsdestotrotz suchen wir immer nach guten Gelegenheiten, das Portfolio zu diversifizieren und werden dies auch weiterhin tun, wenn wir dafür die richtige Kombination an Faktoren finden“, sagte die Investmentchefin.

Derweil versucht Alphabet, die Kunden im zentralen Anzeigengeschäft zu besänftigen. So legt der Konzern nach heftigem Gegenwind aus der Werbebranche nun Pläne ad acta, Cookies im Webbrowser Chrome zu eliminieren. Die Tracking-Technologie hilft Unternehmen dabei, Anzeigen stärker auf Internetnutzer zuzuschneiden und ihre Effektivität zu kontrollieren. Google hatte 2020 erstmals angekündigt, Cookies abschaffen zu wollen, und dafür Beifall von Datenschützern erhalten. Nun will das Unternehmen Internetnutzern stattdessen die Option anbieten, die Tracking-Technologie auszuschalten.

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