„America First“ stärkt Ausnahmestellung der USA
Im Gespräch: Joyce Chang
„America First verstärkt Unsicherheit für Unternehmen"
J.P.-Morgan-Chefanalystin erwartet von Trumps zweiter Amtszeit mehr Inflation und Wachstum – Hoffnung auf Deregulierung treibt Aktienkurse
Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt
Die US-Großbank J.P. Morgan erwartet, dass die „America First“-Politik des neuen Präsidenten Donald Trump mit hohen Zöllen, weniger Zuwanderung und niedrigeren Unternehmenssteuern samt Deregulierung die USA 2025 zum globalen Wachstumsmotor macht. „Das Wirtschaftswachstum der USA wird 2025 voraussichtlich bei 2,3% liegen und damit deutlich oberhalb von dem in der Eurozone mit 0,8%. Insofern bleibt die Ausnahmestellung der USA bestehen“, sagte Joyce Chang, Vice Chair of Research und Managing Director bei J.P. Morgan, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Andererseits nehme die Unsicherheit für Unternehmen zu. Denn höhere Zölle und ein Einwanderungsstopp würden die Kosten für Firmen erhöhen und voraussichtlich zu hartnäckiger Inflation führen, die die Zentralbank dazu bewegt, die Zinsen länger auf einem hohen Niveau zu halten. „Die Folge könnte eine Rezession sein“, warnt Chang. Bevor sie 1999 zu J.P. Morgan kam, arbeitete sie für Merrill Lynch und Salomon Brothers. Neben ihrer Position als Chefanalystin bei J.P. Morgan engagiert sie sich für die Förderung der transatlantischen Beziehungen durch ihre Mitarbeit im Kuratorium für den German Marshall Fund.
Alle blicken auf Trump
„Viele große Investoren interessieren sich zurzeit hauptsächlich dafür, wie sich die zweite Amtszeit von Trump auswirken wird“, fasst Chang ihre Eindrücke im Anschluss an die Global-Outlook-Konferenzen der Bank in Europa zusammen. „Sie hoffen darauf, dass die geplante Deregulierung in den USA die Aktienkurse weiter nach oben treibt.“ Dem stehe zwar die Inflation mit möglicherweise weiter hohen Zinsen entgegen. Es gebe aber Sektoren des Aktienmarkts, die weniger zinssensitiv seien und auch bei höherer Inflation Wachstum verzeichneten, insbesondere im Bereich der KI.
Konsumenten stützen Wirtschaft
Die Wachstumsprognose für China falle für Trumps neue Amtszeit dagegen schwächer aus – mit einem für 20225 erwarteten Plus von 3,9%. „Die US-Wirtschaft wird als einzige von den Konsumenten gestützt. Darin besteht ihre Ausnahmestellung, das macht sie zum Ausreißer unter den großen Volkswirtschaften. Und das liegt auch teilweise an den großen Ölreserven“, sagte Chang. Die Konsumenten in den USA können mehr Geld ausgeben. Allerdings habe sich der Aufschwung bisher nur für die Eigentümer von Vermögenswerten wie Aktien ausgezahlt.
Vier geopolitische Effekte
Trumps zweite Amtszeit wird nach Einschätzung von Chang vier geopolitische Effekte an den Märkten nach sich ziehen: Die Renditen der US-Staatsanleihen schwanken in einer größeren Bandbreite. Es fließt Kapital aus China ab. Europa wird dazu gezwungen, sich ein neues Geschäftsmodell zuzulegen. Und Rohstoffe werden in Konflikten als Hebel eingesetzt.
Darüber hinaus gebe es mehrere wichtige Unterschiede in Trumps zweiter Amtszeit im Vergleich zur ersten Regierungszeit. „So ist China inzwischen ein größerer Handelspartner für die übrige Welt als die USA. Die Regionalisierung nimmt zu. So wächst beispielsweise der Handel zwischen China und Vietnam besonders stark“, erklärt Chang. Außerdem gebe es ein starkes Reshoring der Halbleiterproduktion angesichts der Spannungen zwischen China und Taiwan.
Konflikt um Greentech
J.P. Morgan warnt auch vor einem aufkommenden Greentech-Konflikt: „Was als Streit über Technologieunternehmen begann, entwickelt sich nun weiter und umfasst auch grüne Technologien. China hat ein Monopol auf bestimmte kritische Mineralien, die für den grünen Wandel entscheidend sind, wie zum Beispiel Gallium, was den globalen Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft stark von China abhängig macht“, warnt Chang.
China agiere auf diesem Feld sehr langfristig und sitze am längeren Hebel: Inzwischen fließen schon doppelt so große Investments in grüne Technologie wie in Öl. „Langfristig ist das nicht aufzuhalten“, glaubt Chang. Daraus werde sich voraussichtlich eine weitere Entkoppelung von China und den westlichen Volkswirtschaften ergeben.
Nach Einschätzung von J.P. Morgan nimmt in Trumps zweiter Amtszeit die Unsicherheit für Unternehmen zu. Denn höhere Zölle erhöhen die Kosten und führen zu hartnäckiger Inflation, so dass die Zentralbank die Zinsen hoch hält. „Die Folge könnte eine Rezession sein“, warnt Chefanalystin Joyce Chang.