Verpatztes IPO von Coreweave

Amerikas IPO-Markt entwickelt sich unheilvoll

Mit dem Börsengang von Coreweave wird der nächste heiß erwartete Deal zur Enttäuschung für die Wall Street. Dies trübt den Ausblick auf noch anstehende Tech-IPOs ein.

Amerikas IPO-Markt entwickelt sich unheilvoll

Unheilvolle Entwicklung am IPO-Markt

Verpatzter Börsengang von Coreweave sendet düstere Signale – KI-Skepsis und Trump-Turbulenzen setzen Fragezeichen hinter Tech-Deals

Mit dem Börsengang von Coreweave wird der nächste heiß erwartete Deal zur Enttäuschung für die Wall Street. Der Rückschlag um das stark gewachsene Unternehmen trübt den Ausblick für noch anstehende IPOs von Tech-Start-ups ein. US-Präsident Donald Trump sorgt für zusätzlichen Druck auf den Listing-Markt.

xaw New York

Die Euphorie der Wall Street über einen erwarteten Aufschwung bei Börsengängen ist herber Enttäuschung gewichen. Nach dem heiß erwarteten, letztlich verpatzten Listing des Flüssiggasexporteurs Venture Global wird das New Yorker Debüt des Cloud-Computing-Anbieters Coreweave zum nächsten unheilvollen Vorzeichen für den Markt. Dabei hatten sich Dealmaker angesichts geldpolitischer Lockerungen der Federal Reserve und der Aussicht auf eine freundlichere Regulierung unter US-Präsident Donald Trump eine steigende Nachfrage nach Finanzierungen erhofft.

Enttäuschende Platzierung

Die auf Dienstleistungen für Anwendungen künstlicher Intelligenz spezialisierte Coreweave setzte den Ausgabepreis vor dem Handelsstart an der Nasdaq am Freitag auf 40 Dollar pro Aktie fest, nachdem es zuletzt noch 47 bis 55 Dollar angepeilt hatte. Im frühen New Yorker Handel legte die Aktie nach der niedrigen Vorgabe zum Wochenabschluss zunächst zu. Allerdings hatte Coreweave auch die Zahl der angebotenen Anteilscheine von den zunächst geplanten 49 auf 37,5 Millionen zurechtgestutzt.

Statt der angestrebten 4 Mrd. Dollar – die Zielmarke senkte die Tech-Firma schon im Zuge der jüngsten Investorenpräsentationen auf 2,7 Mrd. Dollar – sammelte Coreweave laut Insidern nun 1,5 Mrd. Dollar ein. Damit dürfte der Cloud-Anbieter aus New Jersey zunächst auf eine Marktkapitalisierung von 23 Mrd. Dollar kommen und wird damit lediglich auf dem Niveau einer Finanzierungsrunde aus dem Oktober 2024 bewertet.

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Auch Fintechs um Klarna peilen in den kommenden Monaten Börsengänge an. Foto: picture alliance / Sipa USA | SOPA Images.

Nach dem dramatischen Einbruch eines der größten Tech-Deals des Jahres setzen Investoren auch Fragezeichen hinter weitere gespannt erwartete IPOs. Zuletzt reichten die Fintechs Klarna und Chime, die Trading-Plattform Etoro und der Ticketing-Anbieter Stubhub Anträge auf Börsengänge ein. Damit wagen sie aber in einem Umfeld den Sprung aufs Parkett, in dem Trumps aggressive Handelspolitik die Stimmung an den Märkten erheblich eingetrübt hat und insbesondere den durch hohe Bewertungen geprägten Technologiesektor hart trifft.

Straffere Konditionen als erhofft

Die hartnäckig hohe Inflation erschwert der Fed zugleich eine weitere geldpolitische Lockerung. Dabei hatten die Analysten von EY gerade entspanntere finanzielle Bedingungen als entscheidenden Treiber für die Aktivität am Markt für Börsengänge ausgemacht, dessen vorsichtige Erholung im vergangenen Jahr von Tech- und Healthcare-Unternehmen angeführt wurde. Auf die Sektoren entfielen laut EY kombiniert 61% der Börsengänge in den USA sowie 49% der Erlöse.

Mit dem Börsengang von Venture Global – dem schwersten jemals für ein Flüssigerdgas-Unternehmen – stand im Januar dann eine Großtransaktion aus einer völlig anderen Branche an. Das Unternehmen, das Terminals für den Export von LNG an der Küste des Golfs von Mexiko betreibt, bepreiste sein IPO mit lediglich 25 Dollar pro Aktie und sammelte 1,75 Mrd. Dollar ein – die Bewertung von rund 60,5 Mrd. Dollar lag damit weit unter den zuvor angepeilten bis zu 116 Mrd. Dollar. Seit dem ersten Handelstag hat die Aktie inzwischen über 55% eingebüßt.

Zu optimistische Bewertung

Im Nachgang des Listings wurden Vorwürfe laut, dass sich die von Venture Global beauftragten Banken J.P. Morgan und Goldman Sachs, die infolge eines Aufschwungs im Kapitalmarktgeschäft zuletzt eine Gewinnexplosion feierten und gemeinsam mit Morgan Stanley auch beim Coreweave-Deal als Lead Underwriter an Bord sind, bei der Transaktion massiv verschätzten. Inklusive der Schuldenlast strebten sie für den Erdgasexporteur einen Enterprise Value von nahezu 140 Mrd. Dollar an.

Standort von Venture Global in Louisiana. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Martha Irvine.

Selbst bei einer in Aussicht gestellten Ausfuhrkapazität von 100 Millionen Tonnen würde das eine Bewertung von 1,4 Mrd. Dollar pro Tonne bedeuten – für Branchenführer Cheniere, dessen Aktie infolge eines starken Preisanstiegs am US-Erdgasmarkt im laufenden Jahr immerhin um 7% zugelegt hat, setzen Investoren bei 55 Millionen Tonnen Kapazität eine Bewertung von 1,5 Mrd. Dollar je Tonne an. Allerdings sind die zwei Terminals des Konzerns aus Houston bereits so fortschrittlich, dass sie mehrere Milliarden Dollar an Cashflow und damit Wertschöpfung für Investoren generieren, während die Investitionsausgaben von Venture Global die Erlöse zuletzt noch übertrafen.

Investitionsausgaben explodieren

Trotz des schwierigen Marktumfelds schnellen die Kapitalaufwendungen der US-Unternehmen allgemein in die Höhe. Coreweave, die einst als Krypto-Miner startete und ihre Nvidia-Chips dann für das KI-Computing umwidmete, verwandte mit 8,7 Mrd. Dollar 2024 mehr als das Vierfache ihres Umsatzes auf Investitionsausgaben. Dennoch gibt sie damit nur einen Bruchteil der von Tech-Riesen um Amazon, Microsoft und Alphabet eingesetzten Mittel aus.

Doch gerade deren großvolumige Investitionen in KI stoßen zunehmend auf Skepsis. Dazu trägt der Aufstieg des chinesischen Start-ups DeepSeek bei. Dieses lancierte seinen GPT-4-Rivalen „R1“ erst zu Jahresbeginn, seine Performance kann aber bereits mit jener führender US-Modelle mithalten – und das, obwohl den Chinesen weniger fortschrittliche Chips zur Verfügung stehen und sie wohl einen Bruchteil der Mittel investiert haben, die US-Konkurrenten in ihre Anwendungen gesteckt haben. Nichtsdestotrotz haben Branchenvertreter um Microsoft weitere Milliardeninvestitionen zugesagt.

Erschüttertes Vertrauen

Der Konzern aus Redmond ist der größte Kunde von Coreweave. Zuletzt zog sich der Softwaregigant allerdings aus einigen Vereinbarungen mit dem Dienstleister zurück, nachdem Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Computing-Kapazitäten angeblich das Vertrauen in Coreweave erschüttert hatten. Das nun frisch börsennotierte Unternehmen ist infolge des KI-Booms stark gewachsen, der Umsatz zog 2024 um mehr als das Achtfache auf 1,9 Mrd. Dollar an.

Das Unternehmen hatte zuletzt zudem ausstehende Aufträge im Gegenwert von 15,1 Mrd. Dollar in der Hinterhand, die bis Jahresablauf 2026 zu etwas mehr als der Hälfte als Erlöse zu Buche schlagen sollen. Nicht darin enthalten ist ein neuer Deal mit OpenAI, der bis Oktober 2030 11,9 Mrd. Dollar einbringen soll.

Ungewöhnliche Kreditstruktur

Auf dem Wachstumskurs hat Coreweave 2024 allerdings auch nahezu 6 Mrd. Dollar an Cash verbrannt und eine Schuldenlast von 8 Mrd. Dollar angehäuft. Besichert sind die Kredite vorrangig durch Grafikprozessoren von Coreweave-Aktionärin Nvidia – dies gilt als ungewöhnliche Herangehensweise, da diese Chips schnell an Wert verlieren. Microsoft schreibt solche Datenzentren-Ausrüstung in der Regel über fünf bis sechs Jahre ab.

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Ein großer Teil der Kredite von Coreweave ist über Nvidia-Chips besichert. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Joel Saget.

Coreweave hat große Teile der über den Börsengang eingespielten Mittel bereits für den Schuldenabbau vorgemerkt. Wie aus IPO-Dokumenten hervorgeht, verstieß das Unternehmen 2024 indes gegen Schlüsselkonditionen milliardenschwerer Darlehen und löste somit technische Defaults aus. Hintergrund waren nicht verpasste Zinszahlungen, sondern der Einsatz von Mitteln aus einer Kreditfazilität für die Expansion in Westeuropa – schließlich waren die Besicherungen per Kreditvereinbarung auf US-Assets beschränkt.

Coreweave musste ihren größten Lender, den Alternatives-Riesen Blackstone, deshalb im Dezember um eine Anpassung der Kreditkonditionen angehen. Die Offenlegung droht das Vertrauen in schnell wachsende Tech-Unternehmen laut Investoren weiter zu untergraben – eine unheilvolle Entwicklung für den IPO-Markt.