Amsterdam wird zu Europas Zentrum für Spacs
Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt
Mitten im beginnenden Niedergang des US-Spac-Booms kommt der europäische Markt für Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) erst langsam in Gang. Als Zentrum für die beim Börsengang zunächst leeren Übernahmevehikel bildet sich neben Frankfurt zusehends Amsterdam heraus. Insgesamt acht europäische Spacs haben in diesem Jahr bislang 2,2 Mrd. Euro bei Investoren eingesammelt – verschwindend wenig im Vergleich zu den USA, wo laut Analysehaus Refinitiv seit Jahresbeginn 315 neue Spacs 95 Mrd. Dollar aufbrachten.
In Frankfurt sind seit Jahresbeginn drei Spacs an die Börse gekommen: Der Lakestar Spac des in der Schweiz ansässigen Wagniskapitalgebers Klaus Hommels, der 468 Spac des Rocket-Internet-Unternehmers Alexander Kudlich und der Obotech Spac des Immobilienunternehmers Rolf Elgeti. Bis zum Jahresende erwarten die Investmentbanker der Citigroup bis zu zehn Spacs für Frankfurt. Das kündigten kürzlich Sven Baumann und Holger Knittel an, die beiden Co-Investment-Banking-Chefs der Citi in Deutschland.
In Amsterdam kamen bisher in diesem Jahr ebenfalls drei Spacs an die Börse, darunter das Vehikel Pegasus Europe von Ex-Commerzbank-Chef Martin Blessing. Schon bildet sich Amsterdam – auch vor Stockholm, Paris und London – als europäisches Spac-Zentrum heraus. Der Grund: In Amsterdam – ebenso wie in Frankfurt – kann die Grundstruktur, die in den USA bislang so erfolgreich war, gut nachgebildet werden. Die Aktionäre des Spacs erhalten die Aktien zum Standardpreis von 10 Euro und können bei Bekanntgabe des Akquisitionsziels den Deal ablehnen und ihre Aktien zum Ausgabepreis zurückgeben.
Schon bahnt sich der nächste Spac-Börsengang in Amsterdam an. Als Verwaltungsratsmitglieder sind auch zwei deutsche Start-up-Prominente mit dabei: Jan Kemper, designierter Finanzvorstand der Smartphone-Bank N26 und ehemaliger ProSieben-Finanzchef, sowie Flixbus-Vorstandschef Jochen Engert.
N26-Investor startet Spac
Gründer des Spacs ist die Londoner Investmentgesellschaft Hedosophia, die an N26 beteiligt ist und hinter der der in den USA erfolgreiche britische „Spac-König“ Ian Osborne steht. Hedosophia European Growth – so der Name des Börsenmantels – soll dann mit 460 Mill. Euro in der Kasse auf die Suche nach möglichst börsenreifen Technologiefirmen aus Europa gehen, wie die begleitende Investmentbank Goldman Sachs mitteilte. Hedosophia-Gründer Osborne fungiert als Chef. Als „Independent Non-Executive Directors“ fungieren auch Stephanie Phair, eine Managerin des Mytheresa-Rivalen Farfetch, und Maximilian Bittner, der Chef des Luxus-Second-Hand-Mode-Händlers Vestiaire Collective.
Hedosophia European Growth hat wie üblich zwei Jahre Zeit, ein Übernahmeziel zu finden. Die 46 Millionen Aktien sollen vom heutigen Freitag an an der Amsterdamer Börse gehandelt werden.
Alternativer Börsengang
Für europäische „Einhörner“ – also Jungunternehmen mit einem Wert von mehr als 1 Mrd. Euro – haben Spacs in zweierlei Hinsicht Bedeutung: Zum einen gibt es für die Eigentümer jetzt neben den Optionen eines Verkaufs oder eines klassischen Börsengangs nun die dritte Variante eines IPOs per Fusion mit einem europäischen Spac. Zum anderen gibt es auch die Möglichkeit, über die Fusion mit einem US-Spac an die US-Börse zu kommen.
Das Tübinger Biotech-Unternehmen Immatics, eine Ausgründung der Universität Tübingen für Krebsimmuntherapien, ist diesen Weg schon im Juli 2020 gegangen. Anfang 2021 folgte auch die Münchener Lufttaxi-Firma Lilium.
Als Nächstes wird wohl der österreichische Immobilienunternehmer René Benko, dem Karstadt Kaufhof gehört, seine Sportbeteiligungsfirma Signa Sports per Fusion mit einem US-Spac an die US-Börse führen. Benkos Firma würde dabei mit dem Börsenmantel Yucaipa Acquisition Corporation des Milliardärs Ron Burkle zusammengehen und dabei mit bis zu 4 Mrd. Dollar bewertet werden.
Der Traum vieler Einhörner
Mehrere deutsche Wachstumsfirmen, die den „Einhorn“-Status mit einer Milliardenbewertung anstreben, könnten bald denselben Weg gehen. In Finanzkreisen ist von vier solcher Unternehmen die Rede: „Wir sehen am Markt einige Unternehmen aus Deutschland, die einen Gang an die Börse über einen Spac aus den USA erwägen“, sagte Alexander Rang, Kapitalmarktrechtler und Partner im Frankfurter Büro der Kanzlei Hengeler Mueller, der Börsen-Zeitung. „Hier könnte es 2021 einige Transaktionen geben.“
Jens Maurer, Co-Head Investment Banking von Morgan Stanley in Deutschland, bezeichnet die US-Börsenmäntel als „eine Transaktionsstruktur, die in den USA fest etabliert ist und auch in Europa und Deutschland 2021 Fuß fassen könnte“. Morgan Stanley hatte bereits den Lakestar Spac von Klaus Hommels in Frankfurt an die Börse begleitet.