Atemaussetzer bei Philips-Investoren
hek Frankfurt – Produktmängel an Geräten zur Schlaf- und Atemtherapie machen der Philips-Aktie zunehmend zu schaffen. Seit Vorlage des Berichts über die ersten drei Monate 2021 Ende April, als der Healthcare-Konzern die Mängel mit einer ersten happigen Rückstellung adressierte, ist die Notierung um gut ein Fünftel abgesackt. Damit haben sich fast 10 Mrd. Euro Börsenwert aufgelöst.
Investoren und Analysten sind verunsichert, weil es ihnen schwerfällt, die finanzielle Tragweite der Produktmängel abzuschätzen. In den Vereinigten Staaten zeichnen sich bereits Schadenersatzprozesse ab. Durch Sammelklagen von US-Anwaltskanzleien könnten sich die Entschädigungsforderungen „relativ ungünstig entwickeln“, warnt der Analyst Volker Stoll von der Landesbank Baden-Württemberg. Er hat daher jeweils 500 Mill. Euro zusätzliche Kosten in seine Ergebnisprognose für das laufende und das kommende Jahr eingearbeitet. Die Durchschnittsschätzung der Analysten für den Nettogewinn je Aktie 2021 ist laut Bloomberg allein in den letzten vier Wochen um knapp 9% gesunken. Die 2022er Prognose fällt 7% niedriger aus.
Drei bis vier Millionen Geräte zur Behandlung von Atemaussetzern im Schlaf hat Philips zurückgerufen, weil ein zerfallender Schaumstoff in den Luftweg des Geräts gelangen und von Patienten eingeatmet oder verschluckt werden kann und der Schaum Chemikalien ausgasen kann. Möglicherweise seien die Teilchen toxisch oder krebserregend. Unklar ist, wie viele Geräte tatsächlich schadhaft sind. Gleiches gilt für die Zahl potenziell geschädigter Personen. Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit könnten zur Zersetzung beitragen und nicht zugelassene Reinigungsmethoden wie Ozon den Prozess beschleunigen, teilte Philips unlängst mit. Den schalldämpfenden Schaumstoff will der Konzern durch ein neues Material ersetzen. Die zunächst mit 250 Mill. Euro dotierte Rückstellung für die mangelhaften Geräte haben die Niederländer auf 500 Mill. Euro aufgestockt. Der Austausch und die Reparatur der Geräte würden wohl ein Jahr dauern, sagte Firmenchef Frans van Houten.
„Die Schadenersatzrisiken sind derzeit kaum quantifizierbar“, stellt Stoll klar. „Die Datenlage bietet derzeit wenig Raum für eine konkrete Bewertung.“ Weil die fehlerhaften Geräte auch in Arztpraxen eingesetzt worden seien, dürfte es noch eine Zeit dauern, bis die Zahl der Patienten eingegrenzt sei.
Schneller als erwartet scheine sich die rechtliche Situation zu verschärfen, kommentiert der Analyst Falko Friedrichs von der Deutschen Bank unter Verweis auf zwei Klagen von Personen, die an Lungenkrebs litten. Die Kläger behaupteten, dass die Verwendung der Philips-Schlaf-Care-Geräte die Krankheit verursacht habe. Es handele sich anscheinend um die ersten Klagen wegen Personenschäden gegen das Unternehmen, nachdem bereits mehrere Klagen wegen Produkthaftung anhängig seien, so Friedrichs. Involviert seien Anwaltskanzleien, die auch an den Rechtsstreitigkeiten Merck/Vioxx und Bayer/Roundup beteiligt gewesen seien.
Die Klagen wegen Personenschäden stellten ein zusätzliches Risiko dar, da diese Fälle langwierig sein könnten und Klägern in den USA oft hohe Summen zugesprochen würden, gibt Friedrichs zu Bedenken. Zumal mehrere Kanzleien begonnen hätten, mit Werbekampagnen weitere potenzielle Kläger zu suchen.