Attacke auf Doktor Private Equity
cru Frankfurt
Die Diskussion über die Gefahren eines Aufkaufs von Arztpraxen durch Finanzinvestoren nimmt Fahrt auf – wegen der Folgen für Patienten und das medizinische Personal. Ein Gutachten im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns hat gezeigt, dass die abgerechneten Honorarvolumina in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) im Eigentum von Private-Equity-Häusern deutlich über den Volumina in anderen MVZ liegen.
Das hat die Politik auf den Plan gerufen: Die Gesundheitsminister der Länder wollen jetzt den Einfluss von Finanzinvestoren bei der Gründung und dem Betrieb von MVZ einschränken. Dazu soll eine entsprechende Bundesratsinitiative gestartet werden, wie Hamburgs Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) angekündigt hat. Außerdem soll auch der Bund entsprechende gesetzliche Regelungen prüfen.
Einen regelrechten Run der Finanzinvestoren gab es in den vergangenen Jahren auf Praxen in den Fachrichtungen Radiologie, Augenheilkunde oder Zahnmedizin. Erst kürzlich investierte die börsennotierte Beteiligungsgesellschaft Groupe Bruxelles Lambert erstmals in größerem Umfang im Gesundheitssektor. Mit gleich zwei Milliardendeals startete GBL schnell durch. Die Belgier legten sich das deutsche Augenarztnetzwerk Sanoptis und den Diagnosedienstleister Affidea zu.
Aus einem Rechtsgutachten im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) geht hervor: Das Eindringen von Finanzinvestoren in die medizinische Versorgung bedrohe die verfassungsrechtlich garantierte ärztliche Therapiefreiheit. Vor allem Private Equity habe in den vergangenen Jahren mit der Übernahme von Krankenhäusern und anderen Einrichtungen die Grundlage geschaffen, um großflächig Vertragsarztsitze zu erwerben, diese in investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren zusammenzufassen, auf Rendite zu trimmen und später als Praxisketten mit maximalem Gewinn weiterverkaufen zu können. Kernforderung ist die Einrichtung eines MVZ-Registers, das auch die nachgelagerten Inhaberstrukturen offenlegt.
Mit Fonds-Sitz in Steueroase
Wie Private Equity Arztpraxen aufkauft und welche gesellschaftsrechtlichen Strukturen damit in der ambulanten Gesundheitsversorgung entstehen, hat Christoph Scheuplein vom IAT (Institut Arbeit und Technik) am Beispiel der ambulanten Patientenversorgung in Bayern untersucht. Es konnten 17 in Bayern tätige Arztketten im Eigentum von Private Equity identifiziert werden, bei denen sich jeweils eine „Korporatisierung“ vollzieht, das heißt ein Umbau von Einzelpraxen in großunternehmerische Strukturen. In 14 Fällen seien die Fonds-Standorte in einer Steueroase angesiedelt, das heißt insbesondere auf Guernsey, Jersey und den Cayman Islands.
Das derzeit große Interesse an MVZ in Finanzinvestorenhand beruht auf einer Studie des IGES Instituts in Berlin. Dieses war von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) beauftragt worden, die ärztliche Honorarentwicklung unter besonderer Berücksichtigung von MVZ in Finanzinvestorenhand zu untersuchen. Das Ergebnis: In investorengeführten Arztpraxen sind Behandlungen teurer als bei selbständigen Medizinern.
„Für angestellte Ärzte in investorengeführten Praxisketten werden häufig Anreize gesetzt, Behandlungen durchzuführen, die zwar einträglich, aber nicht unbedingt nötig sind“, beobachtet der Radiologe Philipp Schlechtweg, selbst Miteigentümer einer radiologischen Praxis. „Oft werden überflüssige Ganzkörper-Röntgenaufnahmen angefertigt“, kritisiert er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Umgekehrt würden Untersuchungen zur Vorsorge gegen Brustkrebs in Arztpraxen von Finanzinvestoren gar nicht mehr angeboten, weil sie nichts einbringen.
Schlechtweg ist Facharzt für diagnostische Radiologie und stellvertretender Vorsitzender der Radiologie Initiative Bayern. Gemeinsam mit anderen inhabergeführten Praxen stellt er sich klar gegen die zunehmende Einmischung von Investoren im deutschen Gesundheitssystem.