Auf Baywa lastet Schuldenberg von 11 Mrd. Euro
Baywa-Schuldenberg erreicht 11 Mrd. Euro
Schieflage des Agrarhandelskonzerns wird auch zum Problem für Landwirte und Genossenschaftsbanken
sck München
Der Agrarhandelskonzern Baywa ächzt unter einem Schuldenberg von über 11 Mrd. Euro. Die Finanzschulden machen rund die Hälfte des gesamten Fremdkapitals des Sanierungsfalls mit Sitz in München aus. Unter dem Druck der Gläubigerbanken sollen Berater von Roland Berger helfen, eine Pleite der AG abzuwenden.
Der Sanierungsfall Baywa hat eine umfangreiche Dimension. Die Causa beschränkt sich nicht nur auf einige Großbanken, die um ihre Milliardenkredite bangen. Der in finanziellen Schwierigkeiten steckende größte deutsche Agrarhandelskonzern könnte auch für viele Landwirte sowie Volks- und Raiffeisenbanken zur einer starken Belastung werden. Denn das Münchner SDax-Mitglied ist mit dem genossenschaftlichen Waren- und Finanzsektor traditionell eng verbunden. Mit ihren weltweit über 23.000 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von über 12 Mrd. Euro ist die Unternehmensgruppe in Deutschland und in Österreich für den Agrarsektor faktisch systemrelevant.
Die Baywa beliefert landwirtschaftliche Betriebe unter anderem mit Düngemitteln und Nutzfahrzeugen wie Traktoren. Zugleich ist sie Abnehmer landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Eine Insolvenz der Baywa hätte verheerende Folgen für den Sektor.
Volksbanken unter Druck
Bei der genossenschaftlichen Primärbanken des Freistaats steigt derweil die Nervosität wegen der Baywa-Krise. Die 184 Volks- und Raiffeisenbanken des flächenmäßig größten Bundeslandes, zu deren Kunden auch Landwirte gehören, stellen zugleich den größten Einzelaktionär der Baywa. Der Finanzverbund der Primärinstitute dominiert die Bayerische Raiffeisen-Beteiligungs AG, die 33,8% des Grundkapitals hält. Aufgrund des Kursverfalls der Aktie schrumpfte der Wert dieser strategischen Beteiligung an der Baywa seit Ende 2022 bis aktuell um zwei Drittel oder rund 400 Mill. Euro auf nur noch 183 Mill. Euro. Eine Insolvenz der Baywa brächte einen Totalverlust.
Viele Landwirte seien nicht nur Kunden, sondern auch Aktionäre der Baywa, erklärte die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.
Drei große Gläubiger
Zu den größten Gläubigerbanken der Baywa zählen die genossenschaftliche DZ Bank, die Landesbank LBBW und die zur italienischen Unicredit gehörende HypoVereinsbank. Zusammen mit anderen Geldhäusern gewährten sie der Baywa im September 2021 einen Konsortialkredit, der zuletzt 2 Mrd. Euro umfasste. Wie viel die Baywa bislang davon gezogen hat, ist nicht ganz klar. In seinem Ende März veröffentlichten Geschäftsbericht 2023 bezifferte der Konzern den Buchwert dieses Darlehens per Jahresultimo auf 1,4 Mrd. Euro. Vor knapp drei Jahren löste die Baywa mit diesem, für sie erstmaligen Konsortialkredit vor allem bilaterale Bankdarlehen ab. Der Konsortialkredit läuft noch bis 2025.
Mit insgesamt 4,3 Mrd. Euro machen die Bankdarlehen den Löwenanteil der gesamten Finanzschulden des Konzerns von 5,4 Mrd. Euro aus (Stand Ende 2023). Bis Ende März wuchsen die Finanzverbindlichkeiten auf 5,6 Mrd. Euro. Die Baywa verbucht seit Mitte 2023 hohe Verluste, weil aufgrund gestiegener Marktzinsen die Zinslasten faktisch explodieren. Allein im ersten Dreimonatsabschnitt dieses Jahres betrugen dieses 97 Mill. Euro. 2023 waren es 362 Mill. Euro - 160 Mill. Euro mehr als 2022. Die angepassten Nettoschulden machten mehr als das Sechsfache des operativen Ergebnisses (Ebitda) aus. Die Baywa riss damit ihre eigene Vorgabe (Faktor 3 bis 4,5). Unklar ist, ob dieser Zielwert auch im Konsortialkredit verankert ist (Darlehensbedingungen, Covenants).
Fremdkapital dominiert Bilanz
Die Dimension der Baywa-Schulden ist aber noch viel größer. Der Schuldenberg wächst. Ende 2023 betrugen die gesamten Verbindlichkeiten des Konzerns 10,8 Mrd. Euro. Das Fremdkapital entsprach seinerzeit 86,3% der Passivseite der Bilanz. Ende März wuchsen die Gesamtschulden auf 11,4 Mrd. Euro (87,8% der Bilanzsumme). Die Finanzschulden machen rund die Hälfte der gesamten Verbindlichkeiten aus.
Die andere Hälfte umfasst mehrere andere Positionen. Dazu gehören „Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und Verbundbeziehungen“. Dieser Posten betrug Ende März 1,9 Mrd. Euro. Die Leasingschulden umfassten zuletzt 1 Mrd. Euro.
Sanierungsgutachten unter Zeitdruck
Vor diesem Hintergrund bemüht sich der Genossenschaftsbanker Gregor Scheller darum, das Schlimmste bei der Baywa zu verhindern. Der Ankeraktionär stellte den 66-Jährigen als Aufsichtsratsvorsitzenden der Baywa. Seit Mai ist der scheidende Präsident des Genossenschaftsverband Bayern (GVB) dort Chefaufseher. Das heißt, er kontrolliert Baywa-Vorstandschef Marcus Pöllinger, der das unter den Schulden ächzende Unternehmen vor wenigen Tagen in einer Ad-hoc-Warnung selbst zum Sanierungsfall mit einer „angespannten Finanzierungslage“ erklärt hat. Die vom CEO und Finanzvorstand Andreas Helber eingeleiteten Rettungsmaßnahmen reichen offenbar nicht mehr aus, um das Unternehmen finanziell zu stabilisieren. Dadurch steht indirekt auch deren bisherige Jahresprognose auf der Kippe.
Für die Gläubigerbanken und die Konzernführung soll nun ein Sanierungsgutachten der damit beauftragten Unternehmensberatung Roland Berger Klarheit darüber schaffen, ob die Baywa überleben kann oder nicht. Das Gutachten liegt voraussichtlich nicht bis zum 8. August vor, wenn die hochdefizitäre Baywa-Gruppe nach bisherigem Plan ihre Halbjahreszahlen veröffentlichen will. Es könnte sein, dass sie die Bekanntgabe der Zahlen des zurückliegenden Quartals deshalb sogar verschiebt. Ein Gutachten dieser Art benötigt unter Zeitdruck vier bis sechs Wochen. Das heißt, mit einem testierten Ergebnis ist womöglich Ende August/Anfang September zu rechnen. Ein ins Haus gebrachter Sanierungskoordinator soll mit dazu beitragen, die Analyse zu beschleunigen. Diese Rettungsaktion soll dazu beitragen, eine Insolvenz zu verhindern.