Italien

Aufschrei Roms gegen Verbrenner-Aus

Die italienische Regierung läuft Sturm gegen das für 2035 geplante Aus für Benziner- und Diesel-Fahrzeuge in der EU. Das Land liegt in der Umstellung auf Elektromobilität weit hinter dem Rest Europas zurück.

Aufschrei Roms gegen Verbrenner-Aus

bl Mailand

Mit einem Aufschrei hat die italienische Regierung auf den Beschluss des Europäischen Parlaments reagiert, von 2035 an keine Diesel- und Benzin-Fahrzeuge mehr in der EU zuzulassen. Während Lega-Chef und Verkehrsminister Matteo Salvini von einer „irrsinnigen und verstörenden“ Entscheidung zugunsten „chinesischer Interessen“ sprach, bezeichnete Industrieminister Adolfo Urso die Vorgaben als „nicht realistisch“ und „ideologisch“ bedingt. Außenminister Antonio Tajani fordert mehr Zeit für die Umstellung.

Die Empörung der Regierungsvertreter ist nicht nachvollziehbar, denn der damalige Premierminister Mario Draghi hatte dem Aus für den Verbrennermotor bereits im vergangenen Jahr zugestimmt. Studien zufolge droht in Italiens Autoindustrie durch die beschleunige Umstellung der Verlust von bis zu 70 000 Arbeitsplätzen. Dass die Autoindustrie bei der Umstellung so große Probleme hat, liegt auch an der Politik des inzwischen im Autokonzern Stellantis aufgegangenen nationalen Herstellers Fiat Chrysler (FCA). Der langjährige CEO Sergio Marchionne hatte kaum in die Entwicklung von Elek­troantrieben investiert.

Die Debatte in Italien ist stark aufgeladen. Kommentatoren werfen den Befürwortern der Elektromobilität „ökologische Radikalität mit pseudoreligiösen Zügen“ vor. In Italien sind nur 2,5 % der Neuzulassungen vollelektrische Fahrzeuge − viel weniger als in allen anderen europäischen Ländern. Elektroautos sind deutlich teurer als Autos mit Verbrennermotor. Zwar fördert Rom den Kauf von Fahrzeugen und unterstützt auch die Industrie mit insgesamt 8,7 Mrd. Euro bis 2030. Doch die Kaufanreize der Regierung fließen nicht nur in den Erwerb von Autos mit alternativen Antrieben. Boni gibt es auch für den Kauf von Fahrzeugen mit einem CO2-Ausstoß von bis zu 135 Gramm pro km.

Ein Großteil der italienischen Autoindustrie ist extrem abhängig von Verbrennermotoren. Die Regierung will nun eine allzu schnelle Umstellung zumindest im Nutzfahrzeugsektor verhindern.

Die italienische Autoproduktion geht seit Jahren zurück. 2022 wurden 685753 Autos im Land hergestellt. 2016 waren es noch knapp 1 Million Einheiten. Bei einem Treffen mit Vertretern der Gewerkschaften und von Stellantis machte Minister Urso deutlich, dass es aus seiner Sicht nicht nur um ökologische Nachhaltigkeit gehen könne, sondern auch die technologische, ökonomische und beschäftigungspolitische Nachhaltigkeit im Blick zu behalten sei. Urso sowie die Gewerkschaftsvertreter forderten Beschäftigungsgarantien für Italien, Stellantis will dagegen mehr Anreize zum Kauf von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben. Stellantis plant den Bau einer Batteriefabrik im süditalienischen Termoli.

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