Umfrage von Heidrick & Struggles

Aufsichtsräte werden operativ aktiver

Die Aufgabenvielfalt von Aufsichtsräten in europäischen Unternehmen nimmt zu. Eine Umfrage der Personalberatung Heidrick & Struggles lässt als ein Grund dafür auf eine Skepsis gegenüber Vorständen schließen.

Aufsichtsräte werden operativ aktiver

Aufsichtsräte werden operativ aktiver

Umfrage von Heidrick & Struggles lässt auf Skepsis gegenüber Vorständen schließen

jh München

Aufsichtsräte deutscher Unternehmen beschäftigen sich zunehmend mit dem Tagesgeschäft. Das stellt die Personalberatung Heidrick & Struggles nach einer Befragung von Vorstandsvorsitzenden und Aufsichtsräten führender Unternehmen in Europa fest. „In Deutschland verschiebt sich die Tätigkeit des Aufsichtsrats immer mehr in Richtung des angelsächsischen Modells“, sagt Co-Autor Nicolas von Rosty, der Deutschlandchef von Heidrick & Struggles. In diesem Modell beschränkt sich der Aufsichtsrat nicht aufs Überwachen und als Ratgeber, sondern arbeitet eng mit dem Vorstand. Richtungsweisende operative Themen würden gemeinsam besprochen.

„Grenzen werden überschritten“

Die Befragung von rund 2.300 Spitzenführungskräften und Aufsichtsräten in Europa im vergangenen Herbst und Frühjahr ergab, dass ein Viertel der Aufsichtsräte häufig ins operative Geschehen einbezogen ist. 46% gaben an, gelegentlich involviert zu sein. Heidrick & Struggles schließt daraus, „dass traditionelle Grenzen in der Praxis überschritten werden“. Die Personalberatung hat für diese Entwicklung mehrere Gründe ermittelt. 51% der Befragten sagen, dass Aufsichtsräte mehr über das operative Geschäft wissen wollen, als nach der regulären Berichterstattung möglich wäre.

Dahinter verbirgt sich offenbar eine Skepsis gegenüber Vorständen. 34% sind der Ansicht, Aufsichtsräte besäßen spezifisches Wissen, das das Management nicht habe. 26% gaben an, der Aufsichtsrat vertraue den Vorständen „nicht gänzlich, bestimmte Dinge umzusetzen“.

Trend wird sich eher verstärken

15% sind der Meinung, CEOs bräuchten die Hilfe des Aufsichtsrats, da diese nicht über die ganze Bandbreite an Kompetenz verfügten, um der wachsenden Verantwortung gerecht zu werden. „Wir beobachten diese Entwicklung insbesondere in nicht börsennotierten Unternehmen“, berichtet von Rosty. Er erwartet, dass sich das Mitwirken von Aufsichtsgremien am Operativen eher noch verstärken wird.

Gefragt sind in Aufsichtsräten besonders Fachleute für Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Das Erfordernis der Nachbesetzung mit solchen Experten habe deutlich zugenommen. Die Ergebnisse des „Board Monitor Europe 2024“ machen laut von Rosty deutlich, wie komplex die Arbeit von Aufsichtsräten geworden ist. „Die klassischen Themen von Aufsichtsräten nehmen gerade einmal noch etwas über 50% der gesamten Tätigkeit ein.“ Dazu gehören die Finanzlage, Risiken und die Strategie des Unternehmens.

„Gewaltiger Hemmschuh“

In den Prüfungen der Effizienz von Aufsichtsräten hören die Berater immer wieder, „dass ein großer Teil der Zeit für die Abarbeitung formaler Erfordernisse verwendet wird". Diese könnten ein gewaltiger Hemmschuh für die Arbeit sein, warnt von Rosty. Sie ergäben sich aus der stetig wachsenden Regulierungsdichte. Als Beispiele nennt er ESG-Themen, das Lieferkettengesetz und Haftungsfragen.

Ein auffälliges Ergebnis der Umfrage ist zudem, dass die Arbeitnehmerseite ihren Einfluss auf die Agenda der Aufsichtsräte deutlich gesteigert hat. Nach Meinung von Rostys ist dies eine Folge der Coronapandemie. In dieser Zeit hätten die Führung und die Interessen von Mitarbeitern einen höheren Stellenwert erlangt.

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