Baidu blamiert sich mit „Ernie Bot“
nh Schanghai
Der chinesische Suchmaschinenbetreiber und Technologiekonzern Baidu hat bei der ersten öffentlichen Präsentation einer selbstentwickelten Version des für Furore sorgenden Textgenerators ChatGPT eine Schlappe erlitten. Nachdem die Gesellschaft wochenlang die Trommel für ihren sogenannten „Ernie Bot“ als hauseigenen Chatbot-Dienst auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) gerührt hatte, blieb die erste tatsächliche Demonstration des selbstlernenden Systems, mit dem künftig konversationsähnliche Suchergebnisse zu erhalten sein sollen, weit hinter den Erwartungen zurück.
Bei der Bühnenpräsentation des Ernie Bot am Donnerstag beschränkte sich Baidu-Konzernchef Robin Li darauf, eine Reihe von vorgefertigten Videos, auf denen man den Chatbot Suchanfragen auf chinesischen beantworten sah, auf eine Leinwand zu projizieren, ohne dabei einen „Echtzeit-Dialog“ mit dem neuen System zu führen. Auch wurden keinerlei Angaben dazu gemacht, auf welche Datenbasis der Dienst zurückgreift, mit welchen KI-Modellen gearbeitet wird oder wie sich das Baidu-System mit ChatGPT vergleicht. Li selber sagte bei dem Auftritt, dass man noch einiges davon entfernt sei, ein marktfähiges Produkt anzubieten. Auch wolle man sich zu diesem Zeitpunkt nicht mit ChatGPT und dem mit erweiterten Diensten einhergehenden Folgeprodukt GPT-4 vergleichen.
Baidu erntet Spott für Präsentation
Im November hatte das kalifornische Forschungsunternehmen OpenAI mit ihrem ChatGPT genannten neuen Programm in der Tech-Szene für Furore gesorgt und damit große US-Softwarekonzerne und Suchmaschinenbetreiber wie Google und Microsoft auf den Plan gerufen. Auch Baidu plant, ihr neu entwickeltes Chatbot-Tool zunächst in die ebenfalls Baidu genannte, im chinesischen Sprachraum dominierende Suchmaschine einzubinden.
Auf Chinas sozialen Medien wurde die erste Baidu-Präsentation breit diskutiert und dabei überwiegend mit Spott bedacht und als „lahme Powerpoint-Präsentation“ degradiert. Die Enttäuschung übertrug sich auch auf das Anlegersentiment an der Hongkonger Börse, wo die dort parallel zur New Yorker Nasdaq gelistete Baidu-Aktie nach einem zunächst freundlichen Start am Donnerstagmorgen im Anschluss an die Präsentation wie ein Stein fiel und in der Spitze um 10% einbüßte. Gegen Ende des Handels in Hongkong erholte sich der Kurs allerdings wieder und reduzierte den Tagesverlust auf 6,4%.
ChatGPT weckt Kursfantasien bei Tech-Aktien
In den ersten sechs Wochen dieses Jahres hatte die Baidu-Aktie im Zuge einer allgemeinen Rally von chinesischen Tech-Aktien, vor allem aber wegen der Kursfantasie rund um das Thema ChatGPT gewaltig um 42% zugelegt. Danach allerdings geriet Baidu sukzessive unter Druck und hat nach der neuerlichen Korrektur am Donnerstag nun lediglich einen Anstieg von knapp 9% im Kalenderjahr zu Papier stehen.
Analysten betonen freilich, dass die erste Vorstellung von Ernie Bot letztlich wenig Aussagekraft für die Weiterentwicklung und Marktreife eines mit ChatGPT vergleichbaren Baidu-Dienstes hat, zumal auch beispielsweise Google bei der ersten Vorstellung ihres „Bard“ genannten Programms für Suchdienste auf KI-Basis keine gute Figur machte und einen heftigen Rückschlag an der Börse kassierte.
Grundsätzlich gilt Baidu als aussichtsreichste Adresse, um einen breit genutzten Chatbot-Dienst für den chinesischen Raum zu entwickeln. Allerdings äußern Marktteilnehmer einige Skepsis bezüglich der tatsächlichen Monetarisierungschancen eines solchen Dienstes und fürchten gleichzeitig, dass Chinas Cyberspace-Regulatoren den Firmen einige Hindernisse in den Weg legen könnten. Das Original ChatGPT ist gleich vom Start weg seitens chinesischer Regulatoren blockiert worden und kann von heimischen Web-Nutzern nicht angesteuert werden.