Baker Tilly greift im Genossenschaftssektor an
Im Gespräch: Thomas Edenhofer und Ralf Gröning
Baker Tilly greift in neuem Marktsegment an
Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft will sich als Bankenprüfer im Genossenschaftssektor etablieren
Von Sabine Wadewitz, Frankfurt
Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Baker Tilly geht neue Wege und will als Abschlussprüfer von Kreditgenossenschaften Geschäft aufbauen. Mit der Gründung eines Genossenschaftsverbands sind die Weichen für den Markteintritt gestellt, erläutern die Managing Partner Thomas Edenhofer und Ralf Gröning.
Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Baker Tilly zielt auf ein neues Marktsegment und will sich als Bankenprüfer im Genossenschaftssektor verankern. Dieser Markt ist regulatorisch abgeschottet. So dürfen nur Genossenschaftsverbände als Abschlussprüfer von Genossenschaften tätig werden. „Es gibt in Deutschland 6.000 bis 7.000 Genossenschaften, davon etwas mehr als 700 Kreditgenossenschaften. Alle sind Pflichtmitglied in einem Verband und können nur von einem Verband geprüft und beraten werden“, erklärt Thomas Edenhofer, Managing Partner Audit & Advisory von Baker Tilly.
Expertise aufgebaut
Baker Tilly habe sich über Jahre Expertise im Bankensektor aufgebaut. „Der Bereich Financial Services ist für uns ein Wachstumstreiber“, sagt Edenhofer. „Wir sind Abschlussprüfer der EZB und der Bundesbank, wir haben zehn Jahre die Umweltbank geprüft und sind zum Beispiel von Flessabank und Flatexdegiro mandatiert. Wir werden als Player im Bankenmarkt wahrgenommen.“
Erfahrung hat Baker Tilly auch im Genossenschaftssegment vorzuweisen, gehörten doch in der Vergangenheit schon Kreditgenossenschaften zum Kundenkreis. Das Genossenschaftsgesetz lässt es zu, dass ein Verband einen externen Wirtschaftsprüfer mit der Abschlussprüfung beauftragen darf, wenn der Verband selbst aus fachlichen Gründen nicht prüfen kann. „Über diese Möglichkeit hat uns der Genossenschaftsverband Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen Jahren wiederholt in die Prüfung von Kreditgenossenschaften hereingenommen. Wir sind zum Schluss gekommen, dass dieser Umweg nicht im Interesse der Mandanten und damit letztendlich auch für uns kein Dauerzustand sein kann“, sagt Edenhofer.
Auftrag in Schmalkalden
Für große öffentliche Aufmerksamkeit sorgte die Prüfung des Abschlusses 2022 der in Schieflage geratenen Volksbank Schmalkalden („Effenberg-Bank“). „Mit unserer erstmaligen Abschlussprüfung bei der Volksbank Bad Salzungen Schmalkalden hat Baker Tilly für eine Bereinigung der 2022er-Bilanz gesorgt, zu mehr Transparenz beigetragen und die Basis für einen Neuanfang der Bank gesetzt. Dadurch wurde der Abschluss eines Sanierungsvertrages mit der Sicherungseinrichtung des BVR erst möglich.“ Diese Genossenschaftsbank sei in den Jahren davor ausschließlich vom genossenschaftlichen Prüfungsverband PDG geprüft worden, stellt Edenhofer klar.
Um den Markteintritt im Genossenschaftssektor zu bewerkstelligen, ist Baker Tilly laut Edenhofer eine weitreichende Kooperation mit dem Genossenschaftlichen Prüfungsverband Mecklenburg-Vorpommern eingegangen. Dieser wurde dabei in Freier Genossenschaftsverband (FGV) umbenannt. Gleichzeitig wurde die zuvor rein regionale Tätigkeit auf ganz Deutschland ausgeweitet und der Sitz nach Düsseldorf verlegt. Der Verband wurde mit Prüfern für Kreditgenossenschaften, aber auch für Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften sowie dem notwendigen Qualitätssicherungssystem ausgestattet. Nun steht die Gewinnung von Mitgliedern im Vordergrund. „Mit dem Freien Genossenschaftsverband haben wir ein wirklich starkes Gebilde geschaffen, das marktorientiert Mitglieder in der Prüfung und Beratung unterstützt“, wirbt Edenhofer.
Bislang 40 Mitglieder
Bislang seien rund 40 Mitglieder an Bord gegangen. „Das werten wir in der kurzen Zeit als Erfolg.“ Über Jahrzehnte etablierte Verbände haben indes in der Regel einige hundert Mitglieder. „Wir sind überzeugt, dass uns viele weitere Genossenschaften als Alternative wahrnehmen werden."
Mit dem Markteintritt sorgt Baker Tilly für Aufregung im Genossenschaftslager. „Die etablierten Genossenschaftsverbände haben gemerkt, dass ein neuer Player, der qualitativ hochwertige Prüfungen anbietet, im Genossenschaftswesen aufs Spielfeld geht“, so Edenhofer.
„Gleichberechtigter Spieler“
Baker Tilly sei mit dem neuen Konzept bei den zuständigen Prüfbehörden und Verbänden vorstellig geworden. „Wir haben immer betont: Wir wollen den Genossenschaften eine weitere marktwirtschaftliche Alternative mit höchster Qualität bieten. Nur wer im Wettbewerb steht, wird den hohen Anforderungen des Regulierers und der Mandanten gerecht. In Segmenten, in denen kein Wettbewerb herrscht, geht das nämlich schon mal verloren“, unterstreicht Edenhofer. „Unser Ziel ist, durch Qualität zu überzeugen und ein gleichberechtigter Spieler neben den anderen Verbänden zu werden.“
Die Prüfer im Genossenschaftssegment führen auch mit Blick auf weitere Wettbewerbsfaktoren ein Eigenleben. So unterliegen sie anders als die Prüfer von Banken außerhalb dieses Segments nicht der gesetzlichen externen Rotationspflicht von zehn Jahren. „Als Verband können sie eine Kreditgenossenschaft solange prüfen, wie die Bank existiert“, erläutert Edenhofer. Ein Genossenschaftsverband sei als Abschlussprüfer einer Bank zudem in der Steuer- und Rechtsberatung nicht so sehr eingeschränkt. Auch die öffentliche Prüferaufsicht APAS ist hier nicht als Aufsicht zuständig und führt keine Inspektionen durch. „Auch insoweit sollte man über eine Reform des Genossenschaftsgesetzes nachdenken“, meint Edenhofer.
Mandatsgewinne
Auch unabhängig von dem neuen Wachstumsfeld im Genossenschaftswesen kommt Baker Tilly nach Darstellung der Managing Partner voran. Im laufenden Geschäftsjahr werde ein knapp zweistelliges Wachstum angepeilt. Für 2025 wagt Edenhofer für seinen Geschäftsbereich Audit & Advisory ebenfalls schon die Prognose, eine prozentual zweistellige Umsatzsteigerung zu erreichen. Mit Blick auf die aktuell schwierige konjunkturelle Lage in Deutschland komme Baker Tilly zugute, dass die beiden Geschäftsbereiche Audit & Advisory sowie Tax & Legal von Größe und Ertragskraft „sehr ausgewogen“ seien. „Es gibt Signale, gerade im Consulting-Bereich, dass Projekte manchmal verschoben werden. Das ist für uns als Company aber nicht stark zu spüren“, so Edenhofer.
Mittelstand im Fokus
Ralf Gröning, ebenfalls Managing Partner bei Baker Tilly in Deutschland und mit einem ständigen Sitz im Executive Committee des internationalen Netzwerks vertreten, sieht die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung als weitere Wachstumstreiber. Zudem profitiere Baker Tilly von neuen Mandaten in der Abschlussprüfung kapitalmarktorientierter Unternehmen.
In der Mandatsgewinnung ziele die Gesellschaft „bewusst nicht auf Dax-Unternehmen, aber alles, was darunter ist. Das steht im Einklang mit unserer Kernzielgruppe international tätiger Mittelstand“, erläutert Gröning. Mit Blick auf neue Mandate nennt er die Unternehmen Edding oder Medios. Gefragt sei Baker Tilly auch in der Transaktionsberatung, wo im Deal Advisory Transaktionen im Mittelstand im Volumen von 50 Mill. bis 300 Mill. Euro im Fokus stünden.
Global im Netzwerk
Mit Blick auf den internationalen Mittelstand als Kernzielgruppe unterstreicht Gröning, „die Spielwiese ist so groß mit so vielen Chancen, dass man sich Marktanteile nicht über den Preis kaufen muss, sondern über die Qualität − das kommt am Markt gut an.“ In der internationalen Arbeit profitierten die deutschen Teams vom „starken Baker-Tilly-Netzwerk“ mit 43.000 Mitarbeitenden in mehr als 140 Ländern. „Für den international tätigen Mittelstand ist eine globale Präsenz und ein starkes Netzwerk Voraussetzung. Im Netzwerk sind wir in den entscheidenden Gremien präsent. Wir sprechen in allen Entwicklungen mit. Mehr als die Hälfte unserer Gesamtleistung ist heute in irgendeiner Weise international induziert“, resümiert Gröning.