Unternehmensfinanzierung

Bei Hybridanleihen geht wieder was

Nach dem Einbruch im Jahr 2022 hat sich das Emissionsgeschäft mit Hybridanleihen von Unternehmen stabilisiert. Ein neuer Boom ist nicht in Sicht, da die Refinanzierungskosten hoch bleiben.

Bei Hybridanleihen geht wieder was

Bei Hybridanleihen geht wieder was

Emissionstätigkeit hat sich stabilisiert – Emittenten vor allem aus kapitalintensiven Branchen – Scope erwartet weiter hohe Refinanzierungskosten

hek Frankfurt

Das Emissionsgeschäft mit Hybridanleihen hat sich von niedrigem Niveau aus erholt. Nach dem Einbruch auf 12 Mrd. Euro im Jahr 2022 ist das Platzierungsvolumen europäischer Unternehmen im abgelaufenen Jahr auf 20 Mrd. Euro gestiegen, geht aus einer Analyse der Ratinggesellschaft Scope hervor. Das Niveau der Jahre 2020 und 2021 wird aber weit verfehlt. Damals bewegten sich die Emissionen europäischer Nicht-Finanzunternehmen zwischen 40 Mrd. und gut 50 Mrd. Euro. Scope bewertet Hybridanleihen als „kleinen, aber wichtigen Bestandteil der europäischen Kapitalmärkte“ vor allem für Emittenten aus kapitalintensiven Branchen wie Versorger und Telekommunikation. Auf diese beiden Sektoren seien 2023 zwei Drittel der Emissionen entfallen.

Kein Fälligkeitsdatum

Bei Hybridanleihen handelt es sich vom Ursprung her um Fremdkapital, das aufgrund seiner besonderen Bedingungen gemäß dem IFRS-Standard bilanziell als Eigenkapital gilt. Die Bonds haben eine extrem lange Laufzeit oder gar kein Fälligkeitsdatum. Sie werden daher auch Perpetuals genannt. Die Zinszahlung kann ausfallen oder verschoben werden. Vor allem sind die Wertpapiere nachrangig. Ihre Besitzer sind also im Falle einer Insolvenz erst nach anderen Gläubigern an der Reihe, was in den meisten Fällen bedeutet, dass sie leer ausgehen.

Mehr Zinsen, wenn Kündigung ausbleibt

Zu den Gepflogenheiten gehört, dass Emittenten die Papiere zum ersten vereinbarten Termin kündigen und das Kapital zurückzahlen. Sie sind aber nicht dazu verpflichtet. Unterbleibt die Kündigung, steigt der Zins. Der in den Anleihebedingungen festgelegte Aufschlag fällt oft kräftig aus und kann den ursprünglichen Kupon übersteigen. Ein Extrembeispiel ist die vergleichsweise kleine Wohnimmobilienfirma Peach Property mit Sitz in Zürich, die seit Juni 2023 für ihre 2018 aufgelegte unbefristete Optionshybridanleihe 9,25% Extra-Zins zahlt. Zusammen mit dem Basiszins, dem Drei-Monats-Saron (aktuell 1,7%), sind es rund 11% statt früher 1,75%.

In einer Phase stark steigender Zinsen kann es für Unternehmen aber auch günstiger sein, den Zinsaufschlag in Kauf zu nehmen, weil die Emission eines neuen Hybrids noch teurer wäre. Dieses Vorgehen haben der Immobilienkonzern Aroundtown und seine Wohnungstochter Grand City Properties gewählt. Im Falle des Aroundtown-Perpetuals mit Call-Termin 20. Januar 2023 erhöhte sich der Kupon von 3,75 % auf 7,078%.

Reputationsrisiko

In der Regel wollen Unternehmen den potenziellen Reputationsverlust am Kapitalmarkt vermeiden, der mit einer ausbleibenden Kündigung einhergeht. Eine Ausnahme sei der Immobiliensektor, den der starke Zinsanstieg besonders belastet, erläutert Scope. So haben Aroundtown und Grand City die Kündigungstermine von vier Perpetuals im Gesamtvolumen von 1,55 Mrd. Euro verstreichen lassen. Die schwedische SBB i Norden verschiebt die Zinszahlungen für ihre Hybrids, und auch Peach Property trägt den Zinsdienst vor. Anders Unibail-Rodamco-Westfield: Das Shoppingcenter-Unternehmen hat via Umtauschofferte eine neue Hybridanleihe ausgegeben.

Refinanzierungskosten bleiben hoch

Für das neue Jahr erwartet Scope ein Emissionsvolumen auf dem 2023er-Niveau von 20 Mrd. Euro. Zwar mehrten sich die Anzeichen, dass der Zinszyklus seinen Höhepunkt erreicht habe, doch blieben die Refinanzierungskosten hoch, selbst wenn die EZB 2024 mit Zinssenkungen beginnen sollte, argumentiert Ratingexpertin Azza Chammem. In Europa müssten in den nächsten Jahren 195 Mrd. Euro Hybridanleihen getilgt oder ersetzt werden. Im Jahr 2024 stehen laut Scope erste Kündigungstermine für 28 Mrd. Euro ausstehende Hybrids an. 2025 sind es mit 34,6 Mrd. Euro deutlich mehr.

Größte Hybridemittenten in Europa waren im abgelaufenen Jahr der französische Stromkonzern EDF mit 2,74 Mrd. Euro, gefolgt von Volkswagen, Bayer, dem spanischen Telekomkonzern Telefónica und dem Energieversorger Enel aus Italien mit jeweils 1,75 Mrd. Euro sowie Vodafone mit 1,33 Mrd. Euro.

Selbst starke Investment-Grade-Emittenten müssten angesichts veränderter Markterwartungen großzügige Kupons zahlen, konstatiert Scope. So habe Volkswagen für ihre 2023er-Platzierungen mehr als 7% geboten, verglichen mit rund 4% im Jahr zuvor.

Finanzierungsinstrument für gute Zeiten

„Hybride Anleihen sind beliebter, wenn die Marktstimmung gut ist“, erläutert Scope-Analystin Chammem. „In turbulenten Zeiten neigen Anleger dazu, das Risiko nachrangiger Schuldtitel zu vermeiden, bei denen Kupon- und sogar Tilgungszahlungen aufgeschoben werden können.“ Für Emittenten bedeutet dieser Punkt im Gegenzug einen Gewinn an Flexibilität. Perpetuals hätten keine Covenants und kein Rückzahlungsdatum, hebt Aroundtown hervor. Die Tilgung liege im alleinigen Ermessen des Unternehmens.

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