Bei Volkswagen stehen die Zeichen auf Streik
Bei VW stehen die Zeichen auf Streik
ste Hamburg
Im Ringen um Perspektiven für die finanziell unter Druck stehende Volkswagen AG stehen die Zeichen auf Streik. Kurz vor Ablauf der Friedenspflicht für die Entgelttarifverträge beim Wolfsburger Autobauer am 30. November wies das Unternehmen den zehn Tage zuvor präsentierten Vorschlag der Arbeitnehmervertreter zur Reduzierung der Arbeitskosten um rund 1,5 Mrd. Euro als unzureichend zurück. Die Gewerkschaft IG Metall äußerte sich enttäuscht.
VW erklärte am Freitag in einer Stellungnahme, es könnten sich zwar kurzfristig auch positive Effekte ergeben, jedoch führten die vorgeschlagenen Maßnahmen überwiegend zu keiner finanziell nachhaltigen Entlastung des Unternehmens in den kommenden Jahren. „Eine nachhaltige Einsparung von 1,5 Mrd. Euro ist auch nach intensiver Analyse nicht feststellbar.“
Zukunftsfonds vorgeschlagen
Die Arbeitnehmervertreter hatten im Gegenzug für einen Verzicht des Unternehmens auf erstmalige Werksschließungen in Deutschland sowie auf betriebsbedingte Kündigungen angeboten, eine kommende Tariferhöhung bei VW befristet als Arbeitszeit in einen solidarischen Zukunftsfonds einzubringen. Dadurch bekäme das Unternehmen ein Instrument, um bei Bedarf Arbeitszeiten abzusenken. Der Fonds, so Gewerkschaft und VW-Betriebsrat, würde bei Unterauslastungen in Produktion und Verwaltung einen weiterhin sozialverträglichen Personalabbau ermöglichen. Das Konzept sieht ferner einen Verzicht auf Teile der Bonuszahlungen für Vorstand, Management und Tarifbeschäftigte in den Jahren 2025 und 2026 vor.
Aus Kreisen verlautete, der Vorschlag könne die Kosten nicht nachhaltig senken, selbst kurzfristige Effekte seien nicht in der behaupteten Höhe erkennbar. Auch seien die Vorschläge zum Teil rechtlich nicht umsetzbar. „Selbst wenn die Vorschläge kurzfristig einen gewissen positiven Effekt hätten, würde dieser durch die faktische Lohnerhöhung in zwei Jahren zu einer zusätzlichen Belastung führen“, hieß es in den Kreisen. Die Arbeitnehmervertreter würden mit ihren Vorschlägen lediglich Zeit erkaufen, die das Unternehmen aber nicht habe. Spätestens 2026 wären neue Diskussionen in einem noch schwierigeren Umfeld nötig.
Verkäufe für zwei Werke fehlen
Ende vergangenen Jahres hatten sich Vorstand und Betriebsrat auf Maßnahmen für eine Ergebnisverbesserung um 10 Mrd. Euro verständigt, um bei der Kernmarke
Volkswagen Pkw 2026 auf eine operative Umsatzrendite von 6,5% zu kommen – nach 2,1% in den ersten neun Monaten dieses Jahres. Im Sommer signalisierte das Unternehmen, dass die Maßnahmen nicht ausreichen würden und verwies darauf, dass wegen geringerer Fahrzeugnachfrage in Europa verglichen mit den Jahren vor der Corona-Pandemie die Verkäufe für rund zwei Werke fehlen würden. Der Vorstand kündigte die seit 1994 fortgesetzte Beschäftigungsgarantie für rund 120.000 Beschäftigte in sechs westdeutschen VW-Werken sowie bei Volkswagen Financial Services, Volkswagen Immobilien GmbH und der IT-Tochter dx.one.
Nach der dritten Verhandlungsrunde über den Haustarifvertrag am 21. November hatte VW den Vorschlag der Arbeitnehmervertreter als Signal, offen für eine Reduzierung von Arbeitskosten und Kapazität zu sein, begrüßt. Zugleich unterstrich Verhandlungsführer Arne Meiswinkel aber, entscheidend bleibe die nachhaltige Erreichung der finanziellen Ziele, „um die Wettbewerbsfähigkeit in einer äußerst anspruchsvollen Phase der deutschen Automobilindustrie zu sichern“.
Gewerkschaft enttäuscht
Ein IG-Metall-Sprecher sagte am Freitag, es sei „äußerst bedauerlich, dass das Unternehmen die konstruktiven Vorschläge der Arbeitnehmerseite und die damit verbundenen Beiträge der Beschäftigten über Presseverlautbarungen abbügelt“. Man habe dem Unternehmen vorgerechnet, dass im Gesamtkonzept der Arbeitnehmerseite sowohl kurzfristig wirkende Elemente als auch langfristige Entlastungen in der Struktur enthalten sind und sei damit hart an die Grenze des Zumutbaren für die Beschäftigten gegangen. Das Gesamtkonzept entspreche „sehr wohl einer Entlastung in der bezifferten Höhe“, bekräftigte der Sprecher.
Ab Anfang Dezember könnte es zu flächendeckenden Warnstreiks bei VW kommen - es wären die ersten seit 2018. In einer Betriebsversammlung im Wolfsburger Stammwerk am kommenden Mittwoch will VW-Konzernchef Oliver Blume zu den Beschäftigten sprechen. Zudem ist ein Auftritt von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vorgesehen - der Wahlkreis des SPD-Politikers umfasst die Gebiete um Peine und Gifhorn in unmittelbarer Nachbarschaft zum Stammwerk von VW. Die Tarifverhandlungen sollen am 9. Dezember fortgesetzt werden. Nicht zuletzt der VW-Großaktionär Niedersachsen äußerte die Erwartung, dass eine Einigung noch vor Weihnachten erreicht werden müsse.