BMZ Group will keine Großkunden
Serie Zuversicht statt German Angst: Sven Bauer im Gespräch (3)
BMZ Group verschreibt sich der Elektrifizierung
Anbieter von Speichersystemen konzentriert sich mehr auf Nischen statt auf Massenmärkte – Neues Werk in Nordmazedonien
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Zwischen Ellwangen an der Jagst im Osten Baden-Württembergs und Karlstein am Main in Unterfranken liegen 200 Kilometer. Die beiden Orte stehen für Glanz und Elend der Batterie-Industrie in Deutschland. Während der schwäbische Hersteller Varta in einer Existenzkrise steckt, gilt die BMZ Group als Vorzeige-Mittelständler, der in diesem Sommer als bestgemanagte Firma ausgezeichnet wurde.
Die kleinen Knopfzellen für Apple-Ohrhörer bescherten Varta nach dem Börsengang 2017 einen Riesenboom, doch als große Zellenhersteller wie Samsung mit deutlich niedrigeren Preisen in den Markt einstiegen, kam der Konzern ins Straucheln. Jetzt braucht der schwer angeschlagene Batteriehersteller einen Forderungsverzicht der Gläubiger und frisches Eigenkapital. Dafür begibt sich Varta in ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren.
„Kein Auto, kein Handy, kein Laptop“
Solcherlei Krisenszenarien sind BMZ-Gründer Sven Bauer fremd. Statt auf Großkunden wie Apple setzt er auf eine breite Abnehmerschaft. Der Unternehmer nimmt lieber Nischenmärkte in den Blick. „Wir machen kein Auto, kein Handy, kein Laptop“, sagt der CEO im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Einst habe er Anfragen von Motorola und Ericsson abgelehnt, mehrere zehntausend Handy-Akkus pro Monat zu liefern. „Heute drin, morgen draußen, das ist keine langfristige Strategie“, gibt Bauer zu Bedenken.
Ähnlich seine Haltung zum Thema Elektro-Pkw. BMZ fertigt zwar Batterien für die gelben E-Autos der Deutschen Post, aber die Belieferung großer Autohersteller macht für Bauer keinen Sinn: „Ein Autohersteller muss das inhouse machen. Denn die Batterie ist der Kern eines E-Autos." Diese Technologie müsse ein Fahrzeugbauer beherrschen, sonst blieben nur vier Räder und zwei Türen. „Wir können da auf Dauer nur verlieren“, befürchtet Bauer.
Nutzfahrzeuge und Medizintechnik
Stattdessen setzt BMZ auf Akkus für Garten- und Handwerkertools wie Laubbläser, Akkuschrauber, Hochdruckreiniger, Heckenscheren, Kettensägen und Mähroboter, für E-Bikes und Elektroroller, für Nutzfahrzeuge wie Busse, Stapler, Kräne, Bagger und Züge, für Medizingeräte wie Patientenmonitore, Defibrillatoren und chirurgische Werkzeuge und für Lautsprecher, Scanner, Thermostate und Kameras. Des Weiteren werden Energiespeicher für Photovoltaikanlagen hergestellt. Das 1994 gegründete Unternehmen sieht sich als Anbieter von branchenübergreifenden Lithium-Ionen-Systemlösungen. Ein Beispiel: Vorzugsweise an Bäckereien, Lebensmittelhändler, Gastronomen und Landwirtschaftsbetriebe verkauft BMZ ein modulares Stromsystem, das ähnlich einer Vorratskammer überschüssigen Strom speichert, den Eigenenergieverbrauch optimiert und teure Lastspitzen vermeidet.
One-Stop-Shop
Die Vielfalt der Produkt- und Kundengruppen zählt zu den Stärken des Unternehmens. Denn die breite Verankerung senkt die Krisenanfälligkeit. Ein weiterer Vorteil: BMZ agiert als One-Stop-Shop. Das Unternehmen produziert nicht nur, sondern deckt die gesamte Wertschöpfungskette ab – von der Projektentwicklung über Logistik und Ersatzteile bis zum Recycling. Das stärkt die Wettbewerbsposition gegenüber chinesischen Billigherstellern. Bauer versteht sein Unternehmen als Anbieter grüner Energiesysteme. Die Mission sei, die Elektrifizierung in allen Lebensbereichen zur Reduktion des CO2-Footprints voranzutreiben.
Ausschlaggebend für den Aufstieg sei gewesen, dass BMZ die Technologiesprünge gemeistert habe, etwa mit Blick auf höhere Leistungsfähigkeit: „Wir hatten Mut zur Lücke und sind neue Wege gegangen“, sagt Bauer. So gilt BMZ als Lithium-Ionen-Pionier in Europa. Auch bei den neuen Natrium-Ionen-Batteriezellen mischt das Unternehmen mit. Die Serienproduktion soll im Sommer 2025 anlaufen. Vor allem im Storage, also bei stationären Batterien, sei das Preis-Leistungs-Verhältnis hervorragend.
Skion eingestiegen
Hauptgesellschafter ist Gründer Bauer. Vor gut zwei Jahren ist die Quandt-Erbin und Unternehmerin Susanne Klatten über ihre Holding Skion mit 20% eingestiegen. Die Leitung der deutschen BMZ Germany hat der 58-Jährige im vergangenen Jahr an Volker Ritzert abgegeben. Aktuell beschäftigt BMZ gut 2.500 Mitarbeiter, die mehr als 600 Mill. Euro Jahresumsatz erwirtschaften. Der Gruppenumsatz einschließlich nicht konsolidierter Joint-Ventures wird mit knapp 1 Mrd. Euro angegeben.
Die Marge vor Zinsen und Steuern bewegt sich laut Bauer zwischen 5 und 6%. Das sei die klassische Rendite für B2B-Geschäfte. Im B2C sei die Marge höher. Deshalb will BMZ dieses Geschäft ausbauen, etwa durch verstärktes Branding.
Wir produzieren in der Regel dort, wo der Hauptmarkt ist.
BMZ-Chef Sven Bauer
Im vergangenen Mai heimste BMZ den Preis als „Best Managed Company“ ein, den der Managementberater und Wirtschaftsprüfer Deloitte zusammen mit Partnern an mittelständische Unternehmen vergibt. Christine Wolter, Partnerin und Lead von Deloitte Private, lobt den „kraftvollen Mix aus Weitblick, Produktivität, Innovationskraft und wertorientierter Führung“ sowie die „bemerkenswerte Fähigkeit, ein attraktives Arbeiten und wirtschaftliches Wachstum in Einklang zu bringen“.
Großes Werk in Nordmazedonien
Die Gruppe hat ihren Hauptsitz in Deutschland, Fertigung sowie Forschung und Entwicklung sind international ausgerichtet: „Wir produzieren in der Regel dort, wo der Hauptmarkt ist", sagt Bauer. Das bedeutet: In Polen, Deutschland und Nordmazedonien für den europäischen Markt, in den USA für den amerikanischen. Weitere Werke gibt es in China und Brasilien und außerdem Niederlassungen in Japan, Hongkong, Großbritannien und Frankreich.
Größter Produktionsstandort ist Polen. Ein neuer Fertigungsschwerpunkt entsteht in Skopje in Nordmazedonien, in den 65 Mill. Euro investiert werden. Die volle Inbetriebnahme ist für Mai 2025 geplant. Langfristig sollen in Skopje bis zu 700 neue Stellen entstehen. Ab Januar 2025 will der Konzern damit beginnen, Produktion von der derzeitigen Betriebsstätte im Zentrum von Skopje an den neuen Standort zu verlagern.
Der Weg ins Ausland hängt nicht nur mit der erforderlichen Marktnähe und den Kosten des Standorts Deutschland zusammen, sondern auch mit dem Mangel an Fachkräften. „Die geburtenschwachen Jahrgänge können die notwendige Arbeitsleistung nicht schaffen. Daher ist die Abwanderung ins Ausland für Unternehmen fast schon ein Muss“, sagt Bauer. Kritisch kommentiert der CEO auch den Wunsch vieler Arbeitnehmer nach Home Office, der produzierende Firmen wie BMZ vor Probleme stellt.
„Seit Jahren IPO-ready"
Mit Daimler Buses verbindet BMZ eine Partnerschaft für die Entwicklung und Lieferung der nächsten E-Bus-Generation, die hohe Energiedichte, größere Reichweiten und eine lange Lebensdauer kombinieren soll. Stadtbusse fahren tagaus tagein hunderte Kilometer, immer stop and go, und das mit eingeschalteter Klimaanlage bzw. Heizung. „Das ist so ziemlich die heftigste Anwendung“, sagt Bauer. Mit Blick auf Luftverschmutzung und CO2-Ausstoß ist der Unternehmer überzeugt: „In Innenstädte gehören Verbrenner-Busse schon lange nicht mehr rein.“
Finanziert wird das Wachstum aus Eigenkapital, darunter einbehaltene Gewinne. „Ausschüttungen haben wir nicht gemacht“, sagt Bauer. „Ich lebe wie Sie von einem Gehalt.“ Das Thema Börsengang liegt als Option auf dem Tisch: „Wir sind seit Jahren IPO-ready.“ BMZ brauche derzeit aber keinen Börsengang, deshalb habe man diesen Weg nicht beschritten. Aus seiner Sicht hat ein IPO nicht nur Vorteile: „Ein Börsengang kostet Kraft und Geld“, sagt Bauer. Auch müssten zusätzliche Overheads aufgebaut werden.
Hier finden Sie alle Beiträge der Serie Zuversicht statt German Angst.
Bisher erschienen: „Wir sehen das Thema Wasserstoff als Riesenchance“ (H2Apex, 2.10.) „Unsere Branche braucht Migration“ (Dussmann Group, 24.9.)
Während der Batteriehersteller Varta ums Überleben kämpft, gilt der Konkurrent BMZ Group als Vorzeigefirma. Der Mittelständler aus Karlstein am Main profitiert von seiner breiten Produkt- und Kundenstruktur. Von volumenstarken Märkten mit Großabnehmern wie Auto, Handy und Laptop hält sich BMZ fern.