Boeing nimmt Spirit wieder unter seine Flügel
Flugzeugbauer
Spirit kommt wieder unter Boeings Flügel
Transaktionswert von 8,3 Mrd. Dollar – Erzrivale Airbus übernimmt Großteil von fünf Werken des Zulieferers für 1 Euro
wü Paris
Von Gesche Wüpper, Paris
Der Soloflug von Spirit Aerosystems neigt sich nach fast 20 Jahren dem Ende zu. Flugzeugbauer Boeing will den Zulieferer künftig wieder unter seine Fittiche nehmen. Gleichzeitig will sein europäischer Rivale Airbus einen Großteil von Werken in Belfast (Nordirland), Saint-Nazaire (Frankreich), Casablanca (Marokko) sowie in Kinston (North Carolina) und Wichita (Kansas) in den USA für den symbolischen Preis von 1 Euro kaufen. Damit will er die Produktion von Rumpfteilen des A350-Langstreckenjets sowie von Flügeln, mittleren Rumpfsektionen und Pylonen sichern, die für den A220-Mittelstreckenjet bestimmt sind.
Boeing will für Spirit 37,25 Dollar je Aktie zahlen, wodurch das Unternehmen mit rund 4,7 Mrd. Dollar bewertet wird. Das entspricht nach Angaben Spirits einem Aufschlag von 30% auf ihren Aktienkurs vom 29. Februar, dem Tag, bevor die beiden Unternehmen Übernahmegespräche bestätigten. Inklusive der Schulden Spirits belaufe sich der Transaktionswert auf ungefähr 8,3 Mrd. Dollar, erklärte Boeing. Ende 2023 betrug die Nettoverschuldung des Zulieferers, der wegen Produktionsproblemen ins Visier von amerikanischen Aufsichtsbehörden geraten ist, 4,08 Mrd. Dollar.
Zurück zur Mutter
Spirit hat bereits in der Vergangenheit zu Boeing gehört. Der Flugzeugbauer hatte das Stammwerk von Spirit in Wichita, Kansas, jedoch 2005 zusammen mit zwei weiteren Fabriken an die Investmentfirma Onex aus Kanada verkauft. Damals gab es einen Trend in der Branche, einen Teil der Produktion auszulagern. Onex hatte Spirit dann ein Jahr nach der Übernahme an die Börse gebracht. Der Zulieferer macht noch immer 64% seines Umsatzes von zuletzt 6,05 Mrd. Dollar mit Teilen, die er für Boeing herstellt. Airbus trug zuletzt 19% zum Umsatz bei, andere Kunden 17%. Spirit ist zuletzt wegen Qualitätsproblemen unter Druck geraten, die auch zu Verzögerungen bei der Produktion des 737-Mittelstreckenjets bei Boeing führten. Auch das Paneel, das sich Anfang Januar aus einer 737 Max 9 von Alaska Airlines kurz nach dem Start in Portland löste und für einen Druckabfall sorgte, war von Spirit hergestellt worden. Nach dem Vorfall ist der wichtige Zulieferer, der seit letztem Jahr von dem ehemaligen Boeing-Manager Patrick Shanahan geleitet wird, verstärkt in die Kritik geraten.
Airbus erhält Entschädigung
„Durch die Reintegration von Spirit können wir die Produktionssysteme unseres Zivilbereichs inklusive der Sicherheits- und Qualitätsmanagementsysteme sowie unsere Belegschaft vollkommen auf dieselben Prioritäten, Anreize und Ergebnisse angleichen“, erklärte Boeing-Chef Dave Calhoun. Dabei stünden die Sicherheit und die Qualität im Mittelpunkt. Sie zu verbessern hat für den Flugzeugbauer, der seit dem Alaska-Airlines-Zwischenfall das Vertrauen vieler Kunden verloren hat, oberste Priorität.
Airbus wiederum versucht, durch die geplante Übernahme die Arbeitspakete zu sichern, die ihre Flugzeugprogramme betreffen. Ziel sei, die Versorgungsstabilität der Zivilflugzeugprogramme zu sichern, erklärte der europäische Flugzeugbauer. Er wird wie bei der Übernahme des damals noch unter dem Namen CSeries bekannten A220-Programms von Bombardier den symbolischen Preis von 1 Euro zahlen. Da die von dem Abkommen betroffenen Spirit-Werke rote Zahlen schreiben, soll Airbus im Gegenzug eine Entschädigung von 559 Mill. Dollar erhalten.
Abschluss 2025
Airbus werde sich die notwendige Zeit für ein gründliches Due-Diligence-Verfahren nehmen, erklärte eine Sprecherin des Luft- und Raumfahrtkonzerns. Die eingehende Prüfung der Bücher dürfte vermutlich den Sommer über dauern. „Wir erwarten, dass die Transaktion frühestens Ende des Jahres abgeschlossen wird, in Abhängigkeit von allen regulatorischen Zustimmungen.“
Spirit selbst geht davon aus, dass der Abschluss der Übernahme durch Boeing Mitte 2025 erfolgen wird. Die Aktionäre des Zulieferers, der sich auch von anderen Aktivitäten in Malaysia und Schottland trennen will, sollen dann zwischen 0,18 und 0,25 Boeing-Aktien für ihre Papiere erhalten, je nachdem, wie sich der Aktienkurs des US-Flugzeugbauers bis dahin entwickelt.
Boeing will ihren vor fast 20 Jahren ausgelagerten Zulieferer Spirit Aerosystems wieder übernehmen. Die Bewertung liegt bei 4,7 Mrd. Dollar. Airbus, der Erzrivale des US-Flugzeugbauers, wird den Teil der Werke von Spirit, die für seine Programme produzieren, kaufen – für den symbolischen Preis von 1 Euro.