Brenntag bläst Univar-Deal ab
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
Eine stärkere Konsolidierung im weltweiten Chemikalienhandel bleibt weiter aus: Brenntag hat seine Gespräche über eine mögliche Übernahme des Wettbewerbers Univar Solutions wieder beendet. Aus der Kombination der beiden Unternehmen hätte ein Platzhirsch in der stark fragmentierten Branche entstehen können. Im Chemikalienhändler kommen die sechs größten Branchenunternehmen auf gerade einmal 12% Marktanteil, Brenntag liegt mit 5% an der Spitze. Der Zusammenschluss der beiden Unternehmen hätte einen Großkonzern mit einem Jahresumsatz von knapp 30 Mrd. Euro entstehen lassen.
Die Gespräche mit Univar Solutions hatte Brenntag am 25. November in knappen Worten bestätigt, und ähnlich spärlich fiel nun auch der Abgesang aus: In nur einem Satz teilten die Essener mit, das Unternehmen habe „beschlossen diese Gespräche nicht fortzuführen“.
Auch Univar teilte mit, dass Brenntag die Gespräche beendet habe. Das US-Unternehmen schließt für sich weitere M&A-Aktivitäten allerdings nicht aus. Man habe weitere Interessensbekundungen zu möglichen Transaktionen vorliegen, diese wolle man nun weiter verfolgen, hieß es von Univar. Der US-Hedgefonds Engine Capital hatte bereits Ende November vom Univar-Management gefordert, einen formalen Verkaufsprozess aufzusetzen, in dem auch andere Bieter neben Brenntag zum Zuge kommen könnten.
Dutzende kleinerer Deals
Brenntag ist nach Angaben aus einer Unternehmenspräsentation vom Dezember bereits der führende Konsolidierer in seiner Branche und machte zwischen 2017 und dem dritten Quartal 2022 insgesamt 32 Deals. Seit 2010 waren es sogar 89 zumeist kleinere Zukäufe zu einem durchschnittlichen Multiple des achtfachen Ebitda. Rund 2,5 Mrd. Euro hat Brenntag der Präsentation zufolge seit 2010 für die 89 Deals ausgegeben und darüber 4,7 Mrd. Euro Umsatz eingekauft.
Die Übernahme von Univar, die 2021 einen Nettoumsatz von 9,5 Mrd. Dollar erzielte, wäre für Brenntag der bis dato größte Zukauf der Firmengeschichte gewesen. Entsprechend sorgenvoll blickten Investoren auf die potenziellen Risiken. Das Ende der Gespräche sorgt nun für Erleichterung. Am Dienstagvormittag legte die Brenntag-Aktie um 6% auf mehr als 64 Euro zu und war der beste Wert im Dax. Nach Bekanntwerden der M&A-Gespräche hatte die Aktie deutlich verloren und erreichte Mitte Dezember bei knapp 55 Euro ein Zweimonatstief. Vor Bekanntwerden der Gespräche hatte das Papier bei mehr als 68 Euro notiert.
Publik wurden die Kritikpunkte des Investors Prime Stone, der im Dezember einen öffentlichen Brief an das Management verfasste. Prime Stone fürchtete, dass ein Zusammenschluss den kombinierten Bruttogewinn beider Unternehmen um 10 bis 20 % schmälern könnte. Außerdem sah Prime Stone im Falle eines Zusammenschlusses ein langwieriges Kartellverfahren auf die beiden Unternehmen zukommen und hegte die Sorge, dass Kunden beider Firmen nach einem Zusammenschluss zu Wettbewerbern wechseln könnten, um ihre Lieferkette breiter aufzustellen. So war es Univar nach der Übernahme von Nexeo ergangen.
Anstelle einer Konsolidierung durch M&A schlug Prime Stone deutlich radikalere Schritte vor: Der Geschäftsbereich Specialties, der weltweit Spezialchemikalien für bestimmte Branchen liefert, sowie der Bereich Essentials, der Chemikalien für breitere Anwendungsgebiete bereitstellt, sollten künftig getrennt werden. Das Geschäft mit Spezialchemikalien werde durch die Kombination mit dem Commodities-Geschäft heruntergezogen, argumentierte der Investor. Außerdem forderte Prime Stone ein Aktienrückkaufprogramm im Volumen von 2,5 Mrd. Euro. Ob diese Punkte bei Brenntag nun Teil der strategischen Überlegungen sind, ist offen.
Brenntag hatte kurz vor Bekanntwerden der Univar-Gespräche noch mitgeteilt, sein jährliches M&A-Budget auf 400 bis 500 Mill. Euro zu verdoppelt, in einer Unternehmenspräsentation vom Dezember ist von mehr als 300 möglichen Zielunternehmen die Rede. Der Univar-Deal hätte finanziell in einer anderen Liga stattgefunden.
Brenntag-CFO Kristin Neumann sagte vor den Univar-Gesprächen noch im Interview der Börsen-Zeitung, im Fokus der M&A-Strategie stünden Schwellenländer, allen voran im Raum Asien-Pazifik sowie technisches Know-how. Brenntag wolle aber trotz des höheren M&A-Budgets diszipliniert bleiben. „Nicht alles passt und nicht alles ist finanziell sinnvoll“, sagte sie.