Stahlkrise

Regierung hält British Steel über Wasser

Die chinesische Jingye ist nur noch auf dem Papier Eigentümer von British Steel. Die Hochöfen in Scunthorpe werden nicht heruntergefahren.

Regierung hält British Steel über Wasser

Britische Regierung stellt Rohstahlproduktion sicher

Chinesische Jingye ist nur noch auf dem Papier Eigentümer von British Steel

Von Andreas Hippin, London

Der Niedergang der britischen Stahlindustrie ist oft beklagt worden. Nun hat sich eine Regierung durchgerungen, zumindest das Aus für die Rohstahlproduktion zu verhindern. Das hat weniger mit drohenden Jobverlusten als mit der Notwendigkeit zu tun, einen größeren Beitrag zur eigenen Verteidigung zu leisten.

Wenn den Aufrüstungsankündigungen von Premier Keir Starmer Taten folgen sollen, brauchen britische Waffenhersteller Spezialstähle. Und die sollte man im eigenen Land produzieren können. Deshalb übernahm die Regierung kurzerhand die Kontrolle über British Steel. Denn deren Eigentümer, die chinesische Jingye, wollte die letzten zwei dafür geeigneten Hochöfen herunterfahren.

Unter neuer Führung

Nun teilte das Unternehmen mit, die damit verbundene Streichung von 2.700 Stellen sei kein Thema mehr, der dazu bereits eingeleitete Konsultationsprozess beendet. Nachdem Jingye bereits für die Stahlproduktion benötigten Rohstoffe abbestellt hatte, habe man sich eine stabile Versorgung gesichert. Allan Bell, der seit 14 Jahren im Werk Scunthorpe arbeitet, wurde zum Interimschef gemacht, eine weitere Veteranin, Lisa Coulton, vorübergehend zum Chief Commercial Officer ernannt.

Reynolds trifft die Entscheidungen

Abgesegnet hatte die Personalien nicht etwa der Board der chinesischen Muttergesellschaft. Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds zeichnete für die Veränderungen an der Unternehmensspitze verantwortlich. Jingye ist nur noch auf dem Papier Eigentümer von British Steel.

Bereits vor Ostern hatte die Regierung im Eilverfahren die gesetzlichen Grundlagen (The Steel Industry Special Measures Bill) dafür geschaffen. Man habe „keine Wahl als zu handeln“, sagte Reynolds. Es dauerte gerade einmal sechseinhalb Stunden, bis der König seine Unterschrift darunter setzen konnte.

Haarsträubende Verluste

Jingye hatte British Steel 2020 übernommen. Der Stahlkocher aus der Volksrepublik investierte daraufhin nach eigenen Angaben 1,2 Mrd. Pfund in das marode Unternehmen. Dennoch beliefen sich die Verluste auf 700.000 Pfund pro Tag. An einem Plan zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion wollte sich die Regierung nicht zu gleichen Teilen beteiligen.

Da liegen die Gründe für das Vorhaben, die Hochöfen herunterzufahren, auf der Hand. Man muss nicht geostrategische Überlegungen bemühen wie einige China-Gegner. Sie unterstellen, die mit Russland verbündete Volksrepublik wolle die britische Fähigkeit zur Landesverteidigung zerstören.

Gründe der Misere bleiben unangetastet

Die Gründe für die Misere werden durch die De-facto-Verstaatlichung nicht angegangen. Dazu gehören umwelt- und klimapolitische Anforderungen, die es unmöglich machen, solche Hochöfen wirtschaftlich zu betreiben.

Energie macht bei der Stahlproduktion bis zu zwei Fünftel der Kosten aus. Die Preise für Industriestrom haben sich zwischen 2004 und 2021 verdreifacht und sind seither weiter gestiegen. Zu den befürchteten Entlassungen wird es nicht kommen. Die Verluste trägt künftig nicht mehr Jingye, sondern der britische Steuerzahler.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.