Bundesregierung greift nach den Stromautobahnen
cru Frankfurt
Die Bundesregierung verhandelt mit der Regierung in Den Haag über die milliardenschweren Aktivitäten des staatlichen niederländischen Übertragungsnetzbetreibers Tennet in Deutschland. Es geht um eine vollständige Übernahme der Stromautobahnen durch den Bund. Das haben beide Seiten am Freitag offiziell bestätigt. Verhandelt wird dem Vernehmen nach unter Beteiligung des Kanzleramtes.
Tennet teilte mit, man beabsichtige, „Gespräche mit der deutschen Regierung aufzunehmen, um die Möglichkeit eines vollständigen Verkaufs der deutschen Aktivitäten von Tennet zu akzeptablen Bedingungen auszuloten“. Den Wert des Unternehmens schätzen Investmentbanker auf 15 Mrd. Euro. Tennet schätzt allein den Eigenkapitalbedarf in Deutschland für den Netzausbau in den kommenden Jahren auf 15 Mrd Euro.
Der Vorstoß der Bundesregierung ist kaum verwunderlich: Die Übertragungsnetze sind von entscheidender Bedeutung für die Energiewende. Sie müssen den Strom aus den Meereswindparks im Norden zu den Fabriken im Süden transportieren. Deshalb hat sich die deutsche Staatsbank KfW bereits vor Jahren auf Weisung des Bundes mit 20% am Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz beteiligt, um einen chinesischen Staatseinstieg zu verhindern, und die KfW steht davor, parallel zu Baden-Württembergs Sparkassen eine Minderheit von 24,95% an der EnBW-Tochter Transnet BW zu übernehmen.
Aus den bald drei Beteiligungen der Bundesregierung an Übertragungsnetzbetreibern entsteht nun so etwas wie eine „Deutsche Netz AG“: Es geht um die teilweise oder vollständige Verstaatlichung der vier Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW. Deren enormer Kapitalbedarf dürfte in den nächsten Jahren nur mit öffentlichen Mitteln zu stemmen sein. Fachleuten zufolge benötigen die Netzbetreiber schon in kurzer Zeit jeweils frisches Eigenkapital zwischen 3 Mrd. und 4 Mrd. Euro, um die Netze auszubauen und den Ökostromanteil an der gesamten Erzeugung in Deutschland bis 2030 auf 80 % zu steigern.
Tennet wird nach Angaben einer Sprecherin bei den aktuellen Verkaufsverhandlungen von der Deutschen Bank und ABN Amro beraten. Der KfW steht laut Finanzkreisen die Citigroup als Berater zur Seite.
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