Chipmangel kostet die Branche Milliarden
Von Sebastian Schmid, Frankfurt
Das erste Quartal neigt sich dem Ende entgegen. Doch mit Blick auf die Halbleiterknappheit, die die Produktion der meisten Automobilkonzerne derzeit bremst, ist noch längst kein Ende in Sicht. Am Donnerstag erklärte etwa der US-Autobauer Ford, er müsse die Bänder in seinen Werken im US-Bundesstaat Kentucky sowie im deutschen Werk in Köln vorübergehend anhalten.
Um die Produktionspause zu verkürzen, greift das US-Unternehmen auf unorthodoxe Methoden zurück. So sollen zwei besonders beliebte Modelle, der Pick-up-Truck F150 und der Mittelklasse-SUV Edge, zunächst weiter produziert werden – ohne die derzeit nicht verfügbaren Teile. Die Autos würden dann später fertiggestellt, wenn die Halbleiter wieder in ausreichender Menge verfügbar sind. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, fehlen Ford neben einigen Chips auch andere Teile aufgrund des Wintersturms in Texas.
Bereits am Mittwoch hatte derweil Volkswagen mitgeteilt, dass zwei Montagelinien in der kommenden Woche für fünf Tage ruhen müssen, weil Teile fehlen. Betroffen sind beliebte SUV-Modelle wie VW Tiguan und Seat Tarraco. Schon vor dieser jüngsten Entwicklung hatte Konzernchef Herbert Diess erklärt, dass die schlechte Halbleiterverfügbarkeit die Produktion über alle Konzernmarken hinweg im laufenden Jahr bereits um 100000 Fahrzeuge gebremst habe. Er rechnet nicht damit, dass dies im Jahresverlauf noch aufzuholen ist.
Ausgebremste Produktion
Die Branchenexperten von Alix Partners gehen in einer Studie davon aus, dass der Halbleitermangel für die Automobilbranche in diesem Jahr weltweit bis zu 61 Mrd. Dollar Umsatzeinbußen bringen könnte. Am stärksten betroffen dürften dabei die Märkte in China und der EU sein (siehe Grafik). Aber auch im weniger stark betroffenen US-Markt wird die Produktion laut LMC Automotive mittlerweile kräftig ausgebremst. Am stärksten betroffen sind dort die drei US-Autobauer General Motors, Ford und Stellantis, die allein aufgrund des Chipmangels 2021 zusammen bislang knapp 140000 Autos weniger herstellen konnten. Die ausländischen Hersteller Volkswagen und vor allem Toyota trifft das Problem zumindest in den US-Werken weniger stark, was allerdings auch an den geringeren US-Produktionskapazitäten liegen dürfte. In Europa ist der japanische Autobauer derweil stärker betroffen. Am Freitag teilte Toyota mit, die Bänder im tschechischen Werk Kolin, müssten für zwei Wochen stillstehen. Auch Daimler, Nissan, Honda und Volvo sind betroffen.
Mittlerweile dauert der Mangel an Halbleitern so lange, dass selbst Autohersteller, die sich in Antizipation der möglichen Knappheit große Vorräte angelegt hatten, Probleme befürchten müssen. So hat der koranische VW-Rivale Hyundai zwar noch vor wenigen Tagen erklärt, man habe sich rechtzeitig mit ausreichend Halbleitern versorgt und müsse die Produktion nicht unterbrechen. Die englischsprachige „Taiwan Times“ berichtet nun allerdings, dass auch bei Hyundai und der Schwestermarke Kia die Vorräte zur Neige gehen. Daher sei eine Delegation des koreanischen Wirtschaftsministeriums in Taiwan vorstellig geworden und habe um Unterstützung beim Kampf gegen die Halbleiterknappheit in der Automobilindustrie gebeten.
Die jüngsten Aussagen von Chipherstellern machen wenig Hoffnung, dass sich der Mangel bald beheben lässt. Infineon-Strategievorstand Helmut Gassl sagte der „Euro am Sonntag“ laut Vorabbericht, er rechne nicht mehr mit nennenswerten Entlastungen im ersten Halbjahr. Auch der japanische Chipproduzent Renesas hatte sich vor einigen Tagen pessimistisch geäußert, die Situation noch im ersten Halbjahr entspannen zu können. Der Chipmangel werde sich wohl noch bis ins zweite Halbjahr hineinziehen. Alle Chipproduzenten betonen allerdings, dass es für sie höchste Priorität habe, dem Mangel Abhilfe zu verschaffen.