Autoindustrie

Chipmangel setzt Volkswagen weiter zu

Der Chipmangel setzt Volkswagen weiter zu, betroffen ist vor allem das Stammwerk Wolfsburg. Konzernchef Herbert Diess hält Kapazitätsanpassungen auch mittelfristig für erforderlich.

Chipmangel setzt Volkswagen weiter zu

ste Hamburg

Der Chipmangel setzt Volkswagen 2022 weiter zu. Die Versorgung werde besser, man sehe gerade für die zweite Jahreshälfte Chancen für weitere Produktionssteigerungen, sagte Vorstandschef Herbert Diess bei einer digitalen Betriebsversammlung. Aber auch in diesem Jahr werde Volkswagen nicht alle Autos bauen können, die verkauft werden könnten. Die weltweiten Engpässe bei der Versorgung mit Halbleitern infolge der Corona-Pandemie, die die Auslieferungen des Konzerns 2021 mit 8,9 Millionen Fahrzeugen auf den niedrigsten Stand seit einer Dekade sinken ließen, beeinträchtigen vor allem das Stammwerk in Wolfsburg.

Er sei sich der kritischen Situation in Wolfsburg bewusst, so Diess. Wolfsburg sei besonders hart von der Halbleitersituation betroffen. „Deshalb sind Kapazitätsanpassungen erforderlich, auch mittelfristig.“ Konkrete Maßnahmen sprach der Konzernchef, der sich im vorigen Herbst mit Überlegungen für einen Abbau von rund 30000 Stellen heftige Kritik der Arbeitnehmervertreter sowie des mit 20% an VW beteiligten Landes Niedersachsen zugezogen hatte, nicht an. VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo erklärte, dass das Stammwerk im vorigen Jahr wegen fehlender Halbleiter 330000 Fahrzeuge verloren habe. Insgesamt kam das Werk 2021 auf knapp 400000 Fahrzeuge, einen historischen Tiefstwert. Auch die für dieses Jahr geplanten 570000 Einheiten würden das vor einigen Jahren noch erreichte Niveau von mehr als 800000 Fahrzeugen deutlich verfehlen.

Cavallo unterstrich die Bedeutung der Beschäftigungssicherung bis 2029: „Sie bewahrt uns gerade davor, dass der Vorstand mit uns über ganz andere Maßnahmen spricht.“ Anfang Februar waren Pläne bekannt geworden, infolge des Chipmangels im Stammwerk ab Mitte April die Nachtschichten an drei der vier Montagelinien zu streichen. Davon könnten laut Cavallo rund 5000 Beschäftigte betroffen sein. Seit längerem baut Volkswagen bereits Personal durch Frühverrentung ab. Wie die Betriebsratsvorsitzende mitteilte, wurde die Regelung für Altersteilzeit nun für 1965 geborene Mitarbeiter geöffnet.

Konzernchef Diess verwies auf Pläne für Wolfsburg. „Wir haben letztes Jahr viele Weichen dafür gestellt, dass der Standort wieder zum Kraftzentrum des Konzerns wird.“ Es gehe um Investitionen in Milliardenhöhe.

Es sei eine, so Diess, „gute Entscheidung“, das Elektro-Kompaktmodell ID.3 ab 2023 auch in Wolfsburg zu produzieren. Der Betriebsrat hatte mit Blick auf das nicht ausgelastete Stammwerk ein zusätzliches Elektromodell für den Standort – das erste in Wolfsburg – gefordert, ehe von 2026 an der Trinity vom Band laufen soll. Für die Fertigung des batterieelektrischen Autos, mit dem autonomes Fahren auf Level-4-Ebene massentauglich werden soll, sucht VW derzeit einen Standort.

Hochlauf der E-Mobilität

Cavallo erklärte nun, die Trinity-Fabrik, in der VW international wettbewerbsfähig produzieren will, müsse auf dem Werksgelände oder in direkter Nähe zum Stammwerk entstehen. Der Anspruch Wolfsburgs als Leitwerk im Konzern stehe und falle mit einer engen Verzahnung der künftigen Produktentwicklung im „Campus Sandkamp“, den Synergien des bestehenden Werks und einer direkt damit verbundenen Trinity-Fabrik. Mit einer Entscheidung über deren Standort sei bis Ende März zu rechnen. In Wolfsburg werden auch 800 Mill. Euro in ein neues Entwicklungszentrum – den „Campus Sandkamp“ – investiert, das die Elektroplattform für mehr als 40 Millionen Konzernfahrzeuge entwickeln soll.

Diess betonte, die Halbleiter seien „die einzig große Herausforderung, die auch für Wolfsburg die größte Sorge ist“. Die Elektromobilitätsstrategie trage Früchte, und der Hochlauf der E-Mobilität laufe weltweit weiter nach Plan. 2022 werde der Konzern mindestens doppelt so viele E-Autos verkaufen wie im vergangenen Jahr – 2021 waren es 453000. Die Kapazitäten im ersten auf den Bau von E-Autos umgestellten Werk in Zwickau seien voll ausgelastet. Im wichtigen chinesischen Markt habe man im November und Dezember mit je 15000 E-Autos genauso viele Fahrzeuge verkauft wie die chinesischen Start-ups, in den USA kein neues Auto so schnell verkauft wie den ID4. Auch die Premiumgruppe mit Audi, Bentley und Lamborghini laufe auf Hochtouren. Die Modelle der Marken seien für das ganze Jahr 2022 ausverkauft.