Covestro setzt auf mehr Rückenwind aus dem Markt
IM INTERVIEW: CHRISTIAN BAIER
IM INTERVIEW: CHRISTIAN BAIER
„Wir brauchen Rückenwind aus dem Markt“
Covestro-CFO: Wir robben uns langsam an die Normalauslastung heran – Tonalität zu Adnoc-Gesprächen unverändert
Covestro hat die Absatzmengen im Auftaktquartal spürbar gesteigert. An der Marge lässt sich das jedoch nicht ablesen. Finanzchef Christian Baier macht im Interview aber Mut. Zu den Gesprächen mit Adnoc hält er sich weiter bedeckt.
Herr Baier, die operative Marge von Covestro lag im ersten Quartal bei schmalen 7,8%. Woher kommt der Margendruck?
Im Vergleich zum Weihnachtsquartal haben wir eine relevante Verbesserung gesehen. Die Marge wird immer von den Angebot-Nachfrage-Verhältnissen getrieben. Momentan ist das Angebot hoch, und die Nachfrage entwickelt sich langsam in die richtige Richtung. Die Industrieauslastung ist aber immer noch gering. Daraus resultiert eine Marge, die im historischen Vergleich relativ gering ist.
Im Segment Solutions & Specialties ist es gelungen, den Margenverfall zu stoppen, im Segment Performance Materials nicht. Warum?
Wenn wir nach den Segmenten aufbrechen, hat sich Solutions & Specialties sehr gut und stabil entwickelt. Im Bereich Performance Materials haben wir noch eine Reduktion der Marge aufgrund der relativ geringen Industrieauslastung. Trotzdem sind wir mit dem Ergebnis recht zufrieden. Die Dinge, die wir voranbringen können, haben wir getan. Aber wir brauchen auch den Rückenwind vom Markt, um unsere Pricing Power ausspielen zu können.
Wie hoch ist die Kapazitätsauslastung?
Wir kommentieren das aus Wettbewerbsgründen nicht im Detail. Im letzten Jahr haben wir circa 20 Prozentpunkte unter der normal guten Auslastung gelegen. Das war zum Teil Covestro-getrieben. Jetzt haben wir die Anlagenverfügbarkeit wiederhergestellt. Nun muss es mit einem Markt zusammenkommen, der das Volumen auch aufnimmt. Wir robben uns langsam wieder an die Normalauslastung heran.
Hat das auch etwas mit schwindender Wettbewerbsfähigkeit bei Performance Materials zu tun? Im Spezialitätengeschäft scheinen Sie durchaus Preissetzungsmacht zu haben.
Bei Solutions & Specialties entwickeln wir mit unseren Kunden Produkte, die ganz spezifisch für deren Anwendungen gefertigt werden. Entsprechend geht es hier eher in Richtung Value Pricing. Bei Performance Material ist das anders. Global gibt es nur fünf oder sechs Spieler, aber das Produkt ist sehr vergleichbar bzw. austauschbar. Die Marge resultiert aus der globalen Industrieauslastung. Wir können nur die Anlagenverfügbarkeit und die Kosteneffizienz beeinflussen. Der Rest hängt vom Markt ab. Mit geringerer Wettbewerbsfähigkeit hat das nichts zu tun.
Die Absatzmengen sind im ersten Quartal gestiegen. Dennoch wirkt Ihr Ausblick verhalten. Kalkulieren Sie ein, dass die Belebung im Auftaktquartal – im positiven Sinne – ein Ausrutscher war?
Nein. Wir gehen davon aus, dass wir im Gesamtjahr im Volumen im hohen einstelligen Prozentbereich wachsen. Allerdings können wir die zweite Jahreshälfte weniger gut einschätzen. Unser Orderbuch gewährt uns nur Einblick in die nächsten sechs bis acht Wochen. Es wäre nicht glaubwürdig, wenn wir für das zweite Halbjahr hohe Margen vorhersagen würden. In der Regel führen Volumensteigerungen mit leichter zeitlicher Verzögerung zu Margensteigerungen. Daher halten wir das obere Prognoseende für durchaus erreichbar. Aber es kann auch sein, dass die Margensituation schwierig bleibt.
Wie sieht es mit dem Lagerabbau der Kunden aus? Ist der beendet?
Das kann man grundsätzlich sagen, auch wenn es mangels Transparenz in der Lieferkette ein bisschen Kristallkugelschauen ist. Aber wir sehen, dass das De-Stocking bei unseren Kunden zu einem Ende kommt. Wenn sich die Stimmung weiter aufhellt und die Lagerhaltung wieder stärker in Richtung Krisenresistenz geht – Stichwort: Suezkanal –, kann das positive Effekte haben. An einzelnen Stellen sehen wir, dass die Kunden ihre Lager wieder füllen. Von einem umfassenden Re-Stocking kann man aber noch nicht sprechen.
Adnoc scheint keine Eile zu haben mit dem Übernahmevorhaben. Ihr Vorstandschef hat in der Hauptversammlung signalisiert, dass ein Deal in weiterer Ferne liegt. War das eine Überinterpretation seitens der Inves- toren?
Unsere Tonalität hat sich diesbezüglich nicht geändert. Wir fokussieren uns darauf, die beste Lösung für alle Stakeholder herauszuholen. Das kann in einer Transaktion münden oder auch nicht. Uns ist die Qualität wichtiger als der zeitliche Aspekt.
Das Interview führte Annette Becker.