„Wir treten sehr auf die Kostenbremse“
Im Interview: Eva Scherer
„Wir treten sehr auf die Kostenbremse“
Die Finanzchefin von Daimler Truck erläutert die Folgen der Nachfrageflaute in Europa und die Perspektiven für das Joint Venture in China
Daimler Truck hat einen Ausgabestopp verhängt. Alle Kosten, die nicht zu Umsätzen führen, werden heruntergefahren, berichtet CFO Eva Scherer. Wenn die Nachfrage nach Lastwagen in Europa noch länger schwach bleibt, könnte die Kurzarbeit nach ihren Worten auf andere Werke ausgeweitet werden.
Frau Scherer, bleibt es bei der Kurzarbeit im Mercedes-Benz-Werk Wörth oder folgen andere Fabriken demnächst wegen der schwachen Lkw-Nachfrage in Europa?
Wir sind flexibel, die Kurzarbeit könnten wir theoretisch noch ausweiten. Wir sind also noch nicht am Maximum angekommen, werden mit diesem Instrument in nächster Zeit aber ganz gut fahren. Für unsere Motoren-, Achsen- und Getriebewerke in Kassel, Mannheim und Gaggenau ist die Nachfragesituation dagegen anders.
Warum?
Diese drei Werke liefern global aus. Sie profitieren, denn Nordamerika läuft sehr solide. Wenn die Konjunktur und damit Nachfrage in Europa jedoch länger schwach bleibt, könnten wir auch für diese Standorte Maßnahmen wie Kurzarbeit in Erwägung ziehen. Leider zeichnet sich für Europas Konjunktur noch keine Trendwende ab.
Wie wollen Sie außerdem einen weiteren Rückgang der Profitabilität von Mercedes-Benz Lkw verhindern?
Wir treten sehr auf die Kostenbremse, um die Profitabilität in diesem Jahr auf einem akzeptablen Niveau zu halten. So haben wir gleich Anfang August einen Ausgabestopp verhängt.
Was heißt das?
Auf Englisch heißt es Spending Stop. Wir fahren alle Kosten herunter, die nicht zu Umsätzen führen: also zum Beispiel für Reisen und Veranstaltungen. Zudem vermeiden wir Neueinstellungen und das Ersetzen von Beschäftigten, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Wir nutzen die natürliche Fluktuation, um die Anzahl der Mitarbeitenden zu reduzieren.
Anfang August haben Sie ein Resilienz- und Effizienzprogramm angekündigt. Um was wird es da gehen?
Das ist mittelfristig angelegt. Wenn die Planungen konkret geworden sind, werden wir Einzelheiten bekannt geben. Wir schauen, wie wir unsere Prozesse und Schnittstellen innerhalb der Organisation verschlanken können. Da geht es nicht nur um Mercedes-Benz Trucks, sondern auch um unsere Zentrale und unsere Truck-Technologie-Organisation. Dafür ist jetzt ein guter Zeitpunkt.
Warum?
Fast drei Jahre nach dem Börsengang schauen wir auf Vergleiche mit unseren Konkurrenten, zum Beispiel: Welche Funktionen haben wir aufgebaut? Sind die wettbewerbsfähig? Welche Aufgaben können wir ausgliedern, die andere effizienter machen? Da schauen wir etwa unsere IT-Systeme sehr genau an. Da ist noch viel mehr Automatisierung möglich. Wir müssen unsere IT-Landschaft zukunftsgerichteter gestalten. Da liegt ein enormes Potenzial.
Auch an anderen Stellen?
Ja, wir schauen auch unsere Produktpalette an, die Komplexität in der Entwicklung und auch das Controlling. Die Frage ist: Wie stellen wir sicher, dass wir für jeden Euro, den wir ausgeben, den maximalen Output bekommen?
Gab es diese Überlegungen schon, bevor Sie ins Unternehmen kamen, oder haben Sie diese Initiativen gestartet?
Sowohl als auch. Es kann hilfreich sein, wenn man einen Konzern noch nicht so lange kennt. Da stellt man dann aus einer anderen Perspektive manche Dinge infrage. Klar ist, eine kluge strategische Finanzplanung macht den tiefgreifenden technologischen Wandel, in dem sich unsere Branche befindet, erst möglich.
Zu China: Ist mit weiteren finanziellen Belastungen wegen des Joint Ventures BFDA zu rechnen? Der Buchwert ist auf null abgeschrieben. Zusätzliche Belastungen haben Sie aber nicht ausgeschlossen.
Wir diskutieren gerade mit unserem chinesischen Partner Foton über die langfristige Geschäftsentwicklung und unsere Produktion in China. Weil der Markt günstiges Gas aus Russland erhält, werden LNG-Antriebe favorisiert und die Nachfrage nach unserem Diesel-Truck ist eingebrochen.
Wird sich Daimler Truck möglicherweise aus China ganz zurückziehen?
Wir schauen uns verschiedene Optionen an. Es wäre zu früh, über einen Rückzug oder Ähnliches zu sprechen. China ist der größte Lkw-Markt der Welt. Aber wir müssen natürlich prüfen, welche Marktanteile wir mit unserem Produkt, das wir dort produzieren, perspektivisch gewinnen können.
Ausgeschlossen ist ein solcher Schritt nicht, oder?
Wir schauen uns, wie gesagt, verschiedene Optionen an.
Zum Schluss: Wie sieht die Profitabilität der Elektro-Lkw und -Busse im Vergleich mit Dieselfahrzeugen aus?
Die Deckungsbeiträge in Prozent vom Umsatz unserer Elektrofahrzeuge sind grundsätzlich nicht niedriger als die der Lkw und der Busse mit Dieselmotor. Die E-Fahrzeuge kosten in der Anschaffung ja aktuell mindestens das Doppelte. Deshalb ist der absolute Wertbeitrag höher. Natürlich gibt es sehr hohe Anlaufkosten wegen der Entwicklung. Die Investitionen amortisieren sich über Jahre.
Wie lange dauert das ungefähr?
Das hängt davon ab, wie sich die Absatzzahlen entwickeln. Das große Problem ist die noch viel zu geringe Zahl von Ladestationen für Batterien. In Europa bräuchten wir 35.000 Stationen bis zum Jahr 2030, um die CO2-Emissionsziele der EU zu schaffen. Es sind aber erst 600. Damit es gelingt, müssten jeden Monat 400 dazukommen.
Das Interview führte Joachim Herr.