Das M&A-Jahr 2021 geht auf Rekordkurs
cru Frankfurt
So viele Fusionen und Übernahmen wie niemals zuvor wird es aller Voraussicht nach im Jahr 2021 geben. „Seit Anfang des Jahres wurden schon M&A-Deals mit einem Gesamtwert von 4 Bill. Dollar vereinbart“, sagte Patrik Czornik, M&A-Chef von J.P. Morgan in Deutschland, der Börsen-Zeitung. „Im normalerweise ruhigen August gab es erstmals Deals mit einem Gesamtwert von 500 Mrd. Dollar. Wenn das Tempo im September anhält, werden wir schon im Oktober den Rekordwert des Jahres 2007 von 4,6 Bill. Dollar übertreffen. Die Unternehmen nutzen die guten Finanzierungskonditionen und ihre hohen Gewinne für Zukäufe.“ Allein die Dax-Konzerne haben im zweiten Quartal einen operativen Rekordgewinn von rund 15 Mrd. Euro angehäuft.
Welle deutscher Deals
Die drei bisher größten Deals mit deutscher Beteiligung in diesem Jahr sind die Übernahme von Deutsche Wohnen durch Vonovia (29,3 Mrd. Dollar), der Kauf von Europcar durch VW (6,8 Mrd. Dollar) und die Fusion des Berliner Spezialchemiekonzerns Atotech mit dem US-Rivalen MKS Instruments (6,5 Mrd. Dollar) – insgesamt 140 Mrd. Euro hierzulande und damit 40% mehr als 2020. Milliardenschwere Deals, die auf die Schiene gesetzt wurden, sind der angekündigte Verkauf von Bayers Environmental Science Division, der Verkauf der Telekom-Tochter T-Mobile Netherlands und der Verkauf des Pflegeheimbetreibers Alloheim durch Nordic Capital.
„Es sind nicht nur die niedrigen Zinsen, die den M&A-Markt antreiben. Die Fremdfinanzierungsraten sind nur geringfügig angestiegen, und es werden keine verrückten Sachen auf der Finanzierungsseite gemacht wie 2007“, sagte Czornik. „Die Zuversicht in den Vorständen hat vielmehr angesichts der guten Konjunktur über alle Branchen hinweg zugenommen. Auch die hohen Börsenbewertungen heben die Stimmung und tragen dazu bei, dass die Unternehmen ihre eigenen Aktien als Akquisitionswährung einsetzen.“ Ein Beispiel dafür ist die Offerte des US-Konzerns Adtran für den deutschen Telekomausrüster Adva Optical, die vollständig mit Adtran-Aktien bezahlt werden soll.
„Darüber hinaus bereinigen viele Konzerne ihre Portfolios oder richten ihre Strategie durch den Verkauf von einzelnen Sparten klarer aus“, sagte Czornik. Beispiele dafür sind die Abspaltungen der Daimler-Lastwagensparte Daimler Trucks und der Continental-Antriebssparte Vitesco. Obwohl diese Spin-offs weitgehend Kapitalmarkttransaktionen sind, zählen sie in der Statistik als M&A-Deals.
Unterdessen nimmt der Einfluss der Finanzinvestoren auf den M&A-Markt immer weiter zu. Inzwischen entfallen 40% des Deal-Volumens auf die Private-Equity-Häuser. „Da ist ein Wahnsinnswettbewerb um Akquisitionsziele entstanden. Die Finanzinvestoren stehen unter Anlagedruck, weil sie über 3,3 Bill. Dollar an Kapitalzusagen ihrer Investoren verfügen“, sagte Czornik.
Public-to-Private in Mode
Dadurch kommen auch Public-to-Private-Deals wieder in Mode – Übernahmeofferten der Finanzinvestoren für börsennotierte Unternehmen. Beispiele dafür in Deutschland waren Tele Columbus, der Haustierbedarfshändler Zooplus und Schaltbau. Zusätzlich angeheizt wird der Bieterwettbewerb durch die mehr als 400 Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) aus den USA, die 130 Mrd. Dollar eingesammelt, aber noch nicht investiert haben.
Auch Armin von Falkenhayn, Deutschlandchef der Bank of America, dieses Jahr bis dato die Nummer 1 als Berater von Fusionen und Übernahmen in Deutschland, berichtet vom M&A-Boom. „Das M&A-Geschäft läuft auf sehr hohem Niveau, und die Aktivität wird eher noch zunehmen. Die billionenschweren Konjunkturprogramme in Kombination mit der Niedrigzinspolitik der Notenbanken sind dabei nur ein Katalysator. Es gibt in vielen Branchen einen Konsolidierungsbedarf und die Notwendigkeit, sich durch Technologie-Zukäufe neu auszurichten. Oft geht es auch um Portfoliobereinigung.“ Bank of America hat mit der Übernahmeofferte des US-Konzerns Adtran für den deutschen Telekomausrüster Adva Optical den ersten Deal in Deutschland begleitet, der ausschließlich mit Aktien bezahlt wird.
Es bleibt virtuell
Wie schon im vergangenen Jahr werden die Transaktionen weitgehend virtuell abgewickelt: „Es gibt weiterhin eine unglaubliche Intensität, aber anteilig immer noch weniger physische Termine mit den Entscheidern. Und teilweise wird das auch so bleiben“, so Falkenhayn.