Im InterviewVeolia-CFO Emmanuelle Menning

„Das Zoll-Thema hat für uns quasi kein Gewicht“

Trotz der unberechenbaren Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump bleiben die USA für Veolia ein Schlüsselmarkt. CFO Emmanuelle Menning erklärt, warum der Umweltdienstleister von dem Handelsstreit kaum betroffen ist und sich über neue Aktionäre an Bord freut.

„Das Zoll-Thema hat für uns quasi kein Gewicht“

Im Interview: Emmanuelle Menning

„Das Zoll-Thema hat für uns quasi kein Gewicht“

Schlüsselmarkt USA – Drei Jahre nach der Übernahme der internationalen Aktivitäten von Suez zieht die Veolia-CFO positive Bilanz

Für den französischen Umweltdienstleister sind die USA ein Schlüsselmarkt. Der Amtsantritt der neuen US-Regierung ändert für ihn nichts an seiner Strategie. Diese sieht CFO Emmanuelle Menning auch durch den Einstieg von zwei neuen Aktionären in das Veolia-Kapital bestätigt.

Frau Menning, US-Präsident Donald Trump bringt mit seiner Zollpolitik gerade den Welthandel durcheinander. Wie wirkt sich das auf Veolia aus?

Wir haben bereits seit Ende 2024 überlegt, welche Konsequenzen der Ausgang der US-Wahlen für Veolia haben könnte. Die USA sind für uns ein Schlüsselmarkt mit einem Umsatz von etwas mehr als 5 Mrd. Euro, das sind 11% des Gesamtumsatzes. Sie gehören zu den Regionen, in denen wir stärker als woanders wachsen wollen – bis 2030 wollen wir unsere Präsenz dort verdoppeln. Wegen unseres auf lokalen Diensten basierenden Geschäftsmodells hat das Zoll-Thema für uns aber quasi kein Gewicht im Vergleich zu anderen großen französischen Gruppen. 

Warum? Was ist das Besondere an Ihrem Geschäftsmodell?

Es ist sehr lokal basiert, in den Regionen verankert. Wir verwalten unser Wassergeschäft in Frankreich anders als das in Spanien und in den USA. Wir haben uns dafür entschieden, lokal verwurzelt zu sein, aber eine global gesteuerte Führung zu haben. Außerdem liefern wir Dienstleistungen. Wir stellen keine Produkte her, die Grenzen überschreiten. Wir sind in den USA von keinen Bundessubventionen abhängig. Wir haben unsere Verträge dort entweder mit den einzelnen Staaten oder mit Kunden aus der Industrie.

Aber Sie produzieren Membrane.

Ja. Unsere Wassertechnologie-Sparte stellt Technologien wie Membrane und Analyse-Geräte her, das ist die Ausnahme in unserem Geschäftsmodell. Die Sparte steht für 5 Mrd. Euro, also etwas mehr als 10% unseres Umsatzes. Die Herstellung der Produkte und Technologien steht für rund 20%. Wir haben für sie zwar eine globale Zulieferkette, aber auf jedem Kontinent eine Produktionseinheit. Für Membrane haben wir ein Werk in den USA, eins in Europa und eins in China. 

An der Börse ist die Aktie von Veolia trotzdem unter Druck geraten?

Aber weit weniger als andere französische Konzerne. Investoren haben verstanden, dass wir von dem Handelsstreit kaum betroffen sind. Seit Anfang des Jahres hat unsere Aktie im Vergleich zu Wettbewebern gut standgehalten und fast 14% zugelegt, während der CAC 40 um mehr als 1% nachgegeben hat. Unser Aktienkurs spiegelt die guten Ergebnisse des letzten Jahres wieder, aber auch den sehr widerstandsfähigen Charakter unserer Dienstleistungen, die lebensnotwendig für die Bevölkerung sind. 85% unserer Aktivitäten sind makroresistent.

Zurück zu den USA. Wie verteilen sich die Aktivitäten in den USA?

60% entfallen auf das Wassergeschäft, 30% auf gefährliche Abfälle und 10% sind andere Aktivitäten. Das Wassergeschäft basiert vor allem auf regulierter Wasserversorgung. Uns gehört das Netz. Wir sind für die Wasserversorgung und die Abwasseraufbereitung zuständig, in sechs Staaten mit signifikanter Bevölkerung wie New York und New Jersey. Bei gefährlichen Abfallstoffen ist es ähnlich. Wir arbeiten für Kunden aus der Industrie, das ist sehr lokal. 

Haben Sie denn als Dienstleister der USA das Schreiben der US-Botschaft zur Einhaltung der neuen US-Vorschriften zur Einschränkung von Diversitätsprogrammen bekommen?

Nein. Veolia als Unternehmen betreibt als Unternehmen weder negative noch positive Diskriminierung von bestimmten Gruppen. Unsere Personalpolitik war und ist schon immer auf dem Grundprinzip einer klaren Politik der Chancengleichheit aufgebaut, die ausschließlich auf den Kompetenzen basiert, ohne jegliche Form von Diskriminierung. Unser einziges Kriterium ist der berufliche Verdienst. Dieses Vorgehen hat es in unserer Gruppe schon immer gegeben, darüber wird nicht verhandelt. Wir achten darauf, dass die Zusammensetzung unserer Mannschaften vor Ort der Zusammensetzung der örtlichen Bevölkerung der 44 Ländern entspricht, in denen wir tätig sind.

Wie haben Sie es geschafft, 2024 das Nettoergebnis trotz einigen Gegenwinds um 15% zu steigern?

Wir haben schon Ende 2023 begonnen, vorzubeugen, indem wir Kosteneinsparungen und Synergien aus der Annäherung mit Suez beschleunigt haben. Wir haben auch spezielle Aktionspläne für Länder entwickelt, in denen wir unserer Meinung nach zusätzliche Ergebnisse erwarten können. Dazu gehören zum Beispiel Spanien und Frankreich. In Spanien hat das Ebitda 23% zugelegt. Das ist Kosteneinsparungen, aber auch der Geschäftstätigkeit zu verdanken. Es ist ein Land, das widerstandsfähige Lösungen im Kampf gegen den Klimawandel benötigt.

Welche Ziele haben Sie für 2025?

Die Aktivität ist ziemlich kohärent mit der vom letzten Jahr. Wir sind vorsichtig und beobachten die Situation in den USA, weil die amerikanischen Akteure eine abwartende Haltung einnehmen könnten. Unser Ziel ist, das Ebitda dieses Jahr um 5% bis 6% zu steigern und das Nettoergebnis um 9%. Das entspricht auch den Zielen unseres Strategieplans Green Up.

Ändert der Amtsantritt Trumps etwas an Ihrem Strategieplan?

Nein, es ändert nichts an unseren Ambitionen in den USA, auch wenn dort jetzt etwas mehr Widerstand bei ESG-Themen zu spüren ist. Aber unsere Dienstleistungen beschränken sich nicht auf ESG-Themen und Dekarbonisierung, sie helfen auch bei Dekontamination und der Regeneration. Die Nachfrage danach wird nicht nachlassen mit der unter Biden begonnenen und unter Trump fortgesetzten Reindustrialisierung. 

Warum?

Wer neue Fabriken baut, braucht Zugang zu Wasser und zur Aufarbeitung von Abwasser. Er muss sich auch um die Frage kümmern, was mit gefährlichen Abfallstoffen passiert. Außerdem sind die Datenzentren in den USA oft in Gebieten, in denen Wasser am knappsten ist. Bei der Thematik der Verschmutzung des Wassers mit per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen, den sogenannten PFAS, sind die USA, was Reglementierungen angeht, weiter als einige andere Länder.

Erwägt Veolia Zukäufe in diesen Bereichen, der Aufarbeitung gefährlicher Abfallstoffe und der Wassertechnologie?

Für uns kommen kleinere Fusionen und Akquisitionen nur in Frage, wenn sie Wert für Veolia schaffen, in sogenannten Booster-Aktivitäten und in unseren drei Schlüsselregionen, zu denen neben Australien und dem Nahen Osten auch die USA gehören.

Welche Rolle spielt Deutschland für Veolia?

Bei der Frage bin ich vielleicht nicht ganz objektiv, weil ich neun Jahre lang in Deutschland war. Deutschland ist fast eine kleine Ausgabe unseres Konzerns, denn es ist eines der wenigen Länder, in denen wir mit unseren drei Aktivitäten vertreten sind: Wasser, Abfall und Energie. Für Abfall sind wir die Nummer Zwei in Deutschland und im Bereich Energie haben wir ziemlich visionäre Projekte wie in Braunschweig verwirklicht, wo wir dank dem Zusammenspiel unserer Aktivitäten gezeigt haben, dass der Übergang von Kohle zu Biomasse möglich ist.

Ist Deutschland für Veolia auch ein Wachstumsmarkt?

Es ist ein reifer Markt, der trotz des gedrosselten makroökonomischen Umfeldes gut standgehalten hat, weil er beweglich ist. Insgesamt kommen wir auf einen Umsatz von fast  3 Mrd. Euro.

Wir haben übrigens 2024 eine sehr schönen Zukauf im Abfallbereich im Süden des Landes gemacht.

Es ist jetzt drei Jahre her, dass Veolia die internationalen Aktivitäten von Suez übernommen hat. Welche Bilanz ziehen Sie?

Der vielleicht größte menschliche Erfolg ist aus meiner Sicht, dass Mitarbeiter heute erstaunt reagieren, wenn jemand fragt, ob sie von Suez oder von Veolia kommen. Das zeigt, dass die Integration komplett hinter uns liegt.

Und finanziell?

Wir sind stolz, denn wenn man Transaktionen dieser Größenordnung anschaut, dann sind sie nicht immer ein Erfolg. Aber in diesem Fall hat der Zusammenschluss die finanziellen Versprechen gehalten. 2025 ist das letzte Jahr der Synergien. Wir müssen jetzt noch rund 100 Mill. Euro an Synergien realisieren. Wir haben das Ziel für die Synergien von 530 Mill. Euro zu Beginn des Jahres nochmal angehoben. Zu Beginn haben wir 500 Mill. Euro gesagt, aber seitdem haben wir einige Sachen verkauft und das Ziel dennoch beibehalten. 

Sie haben sich seit der Übernahme auch von Aktivitäten getrennt.

Wir haben im vergangenen Jahr für 1 Mrd. Euro Aktivitäten verkauft. Das entspricht 50% des auf vier Jahre angelegten Verkaufs-Programms. Wir haben ein Programm zur Ausgaben von grünen Bonds aufgelegt. Das war uns wichtig, weil wir eine Kohärenz zwischen unserer Strategie und der Art, uns zu finanzieren, erreichen wollen.  

Sie haben jetzt auch neue Aktionäre an Bord.

Das ist eine sehr gute Nachricht, dass wir jetzt CriteriaCaixa und Bpifrance als neue Investoren haben. CriteriaCaixa hat 5% des Kapitals übernommen, Bpi bald 3,5%. Für uns ist das eine Art Bestätigung unserer Strategie und unseres Wertschöpfungsmodells. Außerdem haben wir Lust, in Spanien weiter zu wachsen. Wir machen dort fast 3 Mrd. Euro Umsatz. Bpi wiederum investiert bei uns über den Fonds Lac1 mit internationalen Investoren. Frankreich hat einige Perlen im Luxussektor und der Luftfahrt. Der Einstieg von Bpi zeigt, dass jetzt auch der ökologische Wandel als Bereich strategischer Innovation Frankreichs gesehen wird. 

Die Caisse des dépôts et consignations (CDC) gehört auch zu Ihren Aktionären?

Ja, seit vielen Jahren. Sie haben jetzt ihren Anteil erhöht, auf etwas mehr als 5%.

Mit welcher Aktionärspolitik können die neuen und alten Aktionäre rechnen?

Unsere Dividendenpolitik sieht vor, dass der Anstieg der Dividende der Steigerung des Ergebnis je Aktie entspricht. Unser Strategieplan sieht eine Verbesserung des Nettogewinns von im Schnitt 10% pro Jahr vor. Wir haben außerdem zu Beginn des Jahres ein Aktienrückkaufprogramm lanciert, was aber lediglich dazu dient, die Auswirkungen der Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter zu neutralisieren.  

Und Ihre ESG-Politik? In dem Bereich macht sich ja auch der Amtsantritt von Trump bemerkbar.

Es ist vielleicht etwas weniger Elan in Bezug auf einige ESG-Themen seitens der Trump-Regierung zu spüren, mit einem Akzent auf der Anpassung an die Klima-Herausforderungen. Was Veolia angeht, stehen wir nicht nur für Dekarbonisierung, sondern auch für Regenierung und Dekontaminierung. Wir wollen mit demselben Ehrgeiz, der selben Entschlossenheit beim ökologischen Wandel weitermachen. Unser Modell erlaubt, ein sowohl rentables als auch nachhaltiges Wachstum zu generieren. Für mich trägt der ökologische Umbau das Wachstum. 

Das Interview führte Gesche Wüpper

Das Interview führte Gesche Wüpper.