Delivery Hero sichert sich Milliardenkredit
hek Frankfurt
Mit einem Finanzierungspaket im Gesamtvolumen von 1,4 Mrd. Euro vertreibt der bisher hochdefizitäre Lieferdienst Delivery Hero Anlegersorgen und verschafft sich mehr Ruhe am Kapitalmarkt. Wie das in Berlin ansässige Unternehmen mitteilt, hat es syndizierte Kreditlinien über mehr als 1 Mrd. Euro abgeschlossen. Sie bestehen aus einer Tranche von 825 Mill. Dollar, umgerechnet 747 Mill. Euro, und einer über 300 Mill. Euro. Die Kredite haben eine Laufzeit von 5,25 Jahren. Hinzu komme voraussichtlich ein revolvierender Konsortialkredit über 375 Mill. Euro mit einer vorläufigen Laufzeit von drei Jahren, die eine zweimalige Verlängerungsoption für jeweils ein Jahr einschließe.
Mit der Refinanzierung reagiert Delivery Hero auf den Absturz des Aktienkurses. Binnen weniger Monate ist die Notierung um zwei Drittel abgesackt. Bewegte sich der Kurs im November 2021 in der Spitze noch bei 128,50 Euro, waren es im März im Tief nur noch 37,24 Euro. Der Börsenkurs spielt für Delivery Hero eine zentrale Rolle, weil die Finanzierung des Unternehmens stark auf Wandelanleihen baut.
Die Kursverluste haben Zweifel genährt, dass demnächst auslaufende Convertibles in neue Aktien gewandelt werden. In der Folge entstand am Kapitalmarkt eine Diskussion über alternative Refinanzierungsoptionen wie die Emission neuer Bonds oder den Verkauf von Minderheitsbeteiligungen. Hintergrund ist, dass die operativen Verluste mit hohen Mittelabflüssen einhergehen.
Die erste der sechs Wandelanleihen-Tranchen ist im Januar 2024 fällig. Bis dahin könnte ein großer Teil des Cash-Polsters von zuletzt 2,2 Mrd. Euro aufgezehrt sein, so die Sorge unter Investoren. Fällig wird ein Emissionsvolumen von 875 Mill. Euro. Der anfängliche Wandlungspreis beträgt 98 Euro, gut das Doppelte des aktuellen Aktienkurses, der Kupon 0,25%. Im Juli 2025 läuft der nächste Convertible im Emissionsvolumen von 750 Mill. Euro aus. In den Folgejahren stehen weitere Fälligkeiten an.
Ausblick löste Schock aus
Ausgelöst hat die Refinanzierungsdiskussion ein enttäuschender Ausblick, der im Februar für eine Schockwelle am Aktienmarkt sorgte. An einem einzigen Handelstag verlor das im Dax vertretene Wertpapier gut 30% – ein historischer Kurssturz, der von wachsenden Zweifeln an der langfristigen Tragfähigkeit des Geschäftsmodells zeugt. Die Verluste gehen vor allem auf den Aufbau des Geschäfts mit der schnellen Auslieferung von Lebensmitteln zurück. Die teure Rückkehr auf den deutschen Markt hat Delivery Hero nach wenigen Monaten wieder gestoppt.
Die Erlöse aus den Kreditlinien würden die Liquidität stärken, versichert Delivery Hero in der Mitteilung. Die Einnahmen würden für allgemeine Unternehmenszwecke einschließlich einer möglichen Refinanzierung von Wandelanleihen bei Fälligkeit verwendet. S&P siedelt das Unternehmensrating mit B– im hochspekulativen Bereich an.
Eine weitere Beruhigungspille verabreicht der Lieferdienst mit der Ankündigung operativ schwarzer Zahlen im kommenden Jahr. Diese Prognose gilt für den Gesamtkonzern, schließt also das hochdefizitäre Geschäft mit der Auslieferung von Supermarktartikeln und die spanische Tochter Glovo ein, deren Übernahme im laufenden Quartal abgeschlossen werden soll und die tief in roten Zahlen steckt. Sie bezieht sich auf das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), bereinigt um Sondereinflüsse.
Zudem bestätigt das Management den Ausblick für 2022, wonach das bereinigte Ebitda zwischen minus 1,0% und minus 1,2% des Bruttowarenvolumens (GMV), also der Verkäufe über die Plattformen, liegen soll. Hinzu kommen noch die Verluste von Glovo – die neue Tochter wird im Fiskaljahr 2022 nach Schätzung des Managements mehr als 300 Mill. Euro Miese einfahren. Der Verlust des Segments Integrated Verticals, das im Wesentlichen die Auslieferung von Lebensmitteln und anderen Supermarktartikeln umfasst, wird nun auf bis zu 525 Mill. Euro konkretisiert. Bisher war von minus 525 Mill. bis minus 550 Mill. Euro die Rede. Das Stammgeschäft mit Restaurantessen soll wie angekündigt im laufenden Jahr operativ schwarze Zahlen abwerfen.
Für die ersten beiden Monate berichtet Delivery Hero eine GMV-Ausweitung um 30% und einen Anstieg der Segmentumsätze um 53% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Diese Pro-forma-Angaben enthalten die übernommene Woowa in Südkorea, nicht aber Glovo und die verkaufte Delivery Hero Korea. Für das Gesamtjahr hat Delivery Hero eine GMV-Zunahme um ein Viertel auf 44 Mrd. bis 45 Mrd. Euro und einen Anstieg der Segmenterlöse um etwa die Hälfte auf 9,5 Mrd. bis 10,5 Mrd. Euro angekündigt.
Vorstandschef und Mitgründer Niklas Östberg bezeichnet die Finanzierungstransaktion als wichtigen Meilenstein, um auf Konzernebene profitabel zu werden: „Wir haben eine solide und diversifizierte Kapitalstruktur aufgebaut, die uns finanzielle Flexibilität und reichlich Liquiditätspuffer bietet.“
Starke Antwort
Am Aktienmarkt kam das Nachrichtenpaket gut an. Die Notierung legte am Montag im Handelsverlauf ein Zehntel zu. Die Schweizer Großbank UBS identifiziert vier positive Nachrichten, die eine Basis seien für den Beginn einer Neubewertung. Für die US-Bank J.P. Morgan stellen eine gesicherte Refinanzierung und die 2023 angepeilte Profitabilität eine starke Antwort auf die zuletzt von Anlegern kritisch gesehenen Themen dar. Nach Einschätzung des Investmenthauses Bryan Garnier ist die Refinanzierung der 2024 und 2025 auslaufenden Wandelanleihen nun gesichert. Dies und die für 2023 angepeilte Profitabilität seien Kurstreiber, die allerdings laut Bryan Garnier zeitnah hinterfragt werden dürften. Sorgen machten die Kosten der Refinanzierungsmaßnahmen und der aggressive Wettbewerb.