Der Börsenmotor der Porsche AG brummt
cru Frankfurt – Vor dem Börsengebäude in Frankfurt parkten am Donnerstag zum Porsche-IPO vier Modelle, darunter auch der elektrisch angetriebene Taycan – Vorreiter der Transformation. Das Kultmodell 911 soll aber weiter mit Benzin fahren, wie Porsche-Finanzvorstand Lutz Meschke in Frankfurt bekräftigte: „Er (der 911) ist der Kern, das Herz, die Seele unseres Unternehmens.“
Während der Kurs von Porsche am ersten Handelstag um bis zu 5 % kletterte, gaben die Aktien des Mutterkonzerns VW, der mit dem Börsengang den Umbau zum Elektroautobauer finanzieren will, und die Papiere der VW-Mutter Porsche SE zeitweise stärker nach als der Dax. Offenbar schichteten Anleger teilweise in die Porsche AG um: VW-Vorzüge fielen um 5,3% und damit stärker als die Aktien anderer Autobauer, Porsche SE sogar um 8%.
Mit der behaupteten neuen Eigenständigkeit von Porsche ist es nicht allzu weit her. Das Grundkapital der Porsche AG besteht aus 911 Millionen Aktien, davon sind jeweils die Hälfte stimmberechtigte Stammaktien und stimmrechtslose Vorzugsaktien. Der bisherige Alleineigentümer VW verkauft beim IPO eine Sperrminorität von 25 % plus eine der Stammaktien an die Porsche SE der VW-Eigentümerfamilien Piëch und Porsche und ein Viertel der Vorzugsaktien an Streubesitzaktionäre und an Ankeraktionäre aus Arabien, Norwegen und den USA, also jeweils bis zu 113,9 Millionen Stück. Aus dem Zuteilungspreis von 82,50 Euro ergibt sich ein Emissionsvolumen für die Vorzugsaktien von 9,4 Mrd. Euro.
Damit ist der Porsche-Börsengang das größte IPO in Europa seit einem Jahrzehnt und findet angesichts der Energiekrise unter den schwierigsten Marktbedingungen seit Jahren statt. Seit dem Jahr 2000 waren nur die IPOs von Glencore und Rosneft noch größer. In Deutschland handelt es sich um den größten Börsengang seit dem IPO der Deutschen Telekom vor einem Vierteljahrhundert. Weltweit ist es nach den Daten der Unternehmensberatung EY der größte Börsengang im dritten Quartal und der zweitgrößte im bisherigen Jahresverlauf. Nur das IPO der LG Energy aus Südkorea war in diesem Jahr mit einem Emissionserlös von 10,7 Mrd. Dollar noch größer. Bezogen auf die Marktkapitalisierung ist Porsche sogar das größte Unternehmen, das in diesem Jahrtausend in Europa an die Börse gegangen ist.
VW nun gut finanziert
Volkswagen dämpft die Erwartungen an einen baldigen Börsengang der Batteriesparte. Er schließe perspektivisch ein IPO der Powerco, in der Volkswagen seine Batterieaktivitäten gebündelt hat, nicht aus, sagte Finanzchef Arno Antlitz. Die Einnahmen aus der Platzierung der Porsche-Aktien verschafften dem Konzern zunächst aber genügend Luft, um wichtige Vorhaben zu finanzieren.
Das Porsche-IPO hat eine so große Nachfrage ausgelöst, dass fast die Hälfte der Investoren, die ihre Gebote abgegeben haben, keine Aktien zugeteilt bekamen. Etwa 75 % des Volumens wurden von 20 Investoren gezeichnet. Vier Hauptinvestoren – die Qatar Investment Authority, der norwegische Staatsfonds, T. Rowe Price und Abu Dhabis ADQ – machten zusammen fast 40 % aus.
Obwohl Kleinanleger beim Porsche-Börsengang kaum zum Zuge kamen, haben sich Aktionärsvertreter zufrieden mit dem Börsendebüt gezeigt. Dass zunächst nur 7,7% der Vorzugsaktien an private Anleger gingen, sei erwartbar gewesen, sagte der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Ulrich Hocker. „Ich denke auch, dass es angesichts dieser schwachen Börsenzeiten ganz gut ist, dass man nicht zu viel direkt auf einmal in den freien Markt gegeben hat. Dann wäre der Kurs insgesamt sicherlich gefährdeter.“
Porsche ist neben Audi die Cash-Kuh des VW-Konzerns. Mit einer operativen Rendite um 15 % seit Jahren ist sie die mit Abstand profitabelste der neun Pkw-Marken von Volkswagen. Im Jahr 2021 fuhren die Schwaben bei 302000 ausgelieferten Fahrzeugen 33 Mrd. Euro Umsatz ein und verdienten operativ 5,3 Mrd. Euro.
Das war dreimal so viel Umsatz und gut zweieinhalbmal so viel Absatz und Betriebsgewinn wie im Jahr 2011. Stärkste Wachstumsmotoren waren die SUV-Modelle Cayenne und Macan sowie der wichtigste Absatzmarkt China. Das Porsche-Management will den Erlös in den kommenden Jahren um 7 bis 8 % jährlich steigern. Renditeziel auf mittlere Sicht ist eine Spanne von 17 bis 19 % des Umsatzes. Langfristig soll die Marke von 20 % geknackt werden.
Von VW abgenabelt
Volkswagen und Porsche teilen eine jahrzehntelange historische Verbindung. Das reicht bis zu den gemeinsamen Wurzeln der beiden Unternehmen in den 1930er Jahren zurück. Jetzt wächst die Distanz: Am 6. September hatten Vorstand und Aufsichtsrat von VW grünes Licht für das Porsche-IPO gegeben.
Porsche sollte zum „Eisbrecher“ werden, wie der Vorstand ankündigte, und den Weg freimachen für andere Börsengänge in Deutschland und Europa, hatten Investmentbanker seitdem gehofft – angesichts der hartnäckigen Flaute: Die Zahl der Börsengänge ist laut EY-Analyse weltweit im dritten Quartal um 41 % auf 355 gesunken. Das Emissionsvolumen schrumpfte um 56 % auf 51 Mrd. Dollar gegenüber dem Rekordjahr 2021. Nun rast der Stuttgarter Sportwagenbauer zwar regelrecht in die Depots der Investoren – doch weitere Börsenkandidaten in seinem Windschatten sind angesichts der Konjunkturängste und der Börsenflaute kaum in Sicht.
Aus Deutschland wird regelmäßig die Wasserstoff-Tochter von Thyssenkrupp, Nucera, als aussichtsreicher Kandidat genannt. Der italienische Nucera-Minderheitsaktionär De Nora hatte seinen Börsengang im Frühjahr trotz widriger Umstände durchgezogen. Doch Thyssenkrupp zögert: Grundsätzlich sei das weiter die erste Wahl, aber das „Kapitalmarktumfeld ist für einen schnellen Börsengang derzeit eher ungünstig“, hieß es in der vergangenen Woche. So geht es vielen Unternehmen, so dass für dieses Jahr offenbar mit keinem weiteren IPO mehr in Deutschland zu rechnen ist.
Beim Porsche-IPO waren Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs und J.P. Morgan die globalen Koordinatoren. Senior Bookrunner sind BNP Paribas, Deutsche Bank und Morgan Stanley. Barclays, Santander, Société Générale und Unicredit sind Bookrunner. Crédit Agricole, Commerzbank, LBBW und Mizuho sind Co-Lead-Manager, Mediobanca ist Finanzberater. Für rechtliche Fragen war Clifford Chance mit an Bord.
Porsche allein kann die magere Bilanz der IPO-Investmentbanker aber nicht retten. Sie haben nach Refinitiv-Daten in diesem Jahr in Europa im Equity-Capital-Markets-Geschäft, das neben Börsengängen auch Kapitalerhöhungen umfasst, erst 1,14 Mrd. Dollar an Gebühren eingenommen, so wenig wie seit zehn Jahren nicht und 77 % weniger als im vergangenen Jahr.
Normalerweise kassieren sie zwischen 2 % und 3 % des Emissionsvolumens. Porsche zahlt laut Börsenprospekt nur 1% – abzüglich der Beträge, die die Ankerinvestoren versprochen haben. Auf dieser Basis dürften den Banken nur etwa 60 Mill. Dollar bleiben.