„Der Markt für Radioisotope wächst“
Karolin Rothbart.
Frau Rödiger, mit Blick auf den Aktienkurs von Eckert & Ziegler scheint Ihr Unternehmen die Coronakrise mittlerweile gut weggesteckt zu haben. Nach dem Rücksetzer im vergangenen Jahr hat der Rekordlauf spätestens 2021 wieder eingesetzt und die Aktie zuletzt auf Platz 1 der stärksten Werte im SDax befördert. Woran machen Sie den Erfolg fest?
Der Markt für Radioisotope wächst. Er wird derzeit von ermutigenden klinischen Daten getrieben, die sich bei der Entwicklung von neuen Radiopharmaka gezeigt haben. Für Prostatakrebs, eine sehr häufige Tumorerkrankung, konnte Novartis zum Beispiel jüngst in einer abschließenden Studie beeindruckende Verlängerungen der Lebenszeit nachweisen. Andere Firmen haben ähnliche Erfolge vorzuweisen. Das hat die Stimmung in der Branche beflügelt. In der Folge ist viel Wagniskapital in neue Entwicklungen geflossen.
Inwiefern profitiert Eckert & Ziegler davon?
Als Lieferant für Medikamentenentwicklungsfirmen profitieren wir von der steigenden Nachfrage. Pharmaunternehmen beziehen von uns ein breites Portfolio aus Komponenten, Rohmaterialien und Dienstleistungen. Zudem agiert Eckert & Ziegler als Lohnfertiger und kümmert sich um den entscheidenden letzten Schritt, die radioaktive Markierung. In unserer Bilanz hat der Aufschwung deutliche Spuren hinterlassen, der Nettogewinn hat sich in den letzten vier Jahren – trotz Corona – fast verdreifacht.
Im Jahr 2020 hat aber dennoch besonders Ihr Industriegeschäft unter den Folgen der Pandemie gelitten. Im Gesundheitswesen ging die Nachfrage bei allem zurück, was nicht der unmittelbaren Krisenbewältigung diente, wie es hieß. Haben die Kunden den „Stromsparmodus“ mittlerweile wieder abgestellt?
Im Industriegeschäft werden wir 2021 das Vor-Corona Niveau erreichen. In unserer medizinischen Sparte sehen wir insbesondere im Bereich Radiopharma eine wachsende Nachfrage.
Im ersten Halbjahr ist der Umsatz im Vorjahresvergleich um 7 % auf 89,5 Mill. Euro gestiegen. Für das Gesamtjahr stellen Sie dennoch nur eine Stagnation in Aussicht.
Durch die Entkonsolidierung der Tumorgeräte-Sparte im Geschäftsjahr 2021 fallen Umsätze weg, die wenig profitabel waren. Die Prognose für den Jahresgewinn 2021 erhöht sich dagegen um 20 %. Das ist das Entscheidende.
Bei dem Käufer ihrer Tumorgeräte-Sparte handelt es sich um die chinesische TCL Healthcare Equipment, einen Anbieter von bildgebenden Diagnosegeräten, der bis 2024 noch die restlichen Anteile erwerben könnte. Was hat Sie zu dem Schritt bewogen?
Unsere Tumorbestrahlungsgeräte eignen sich besonders gut für Schwellenländer. TCL Healthcare Equipment verfügt in China über ein leistungsstarkes Vertriebsnetz. Da war es nur folgerichtig, diesen Schritt zu gehen und uns stärker auf das schnell wachsende Geschäft mit Radiopharmazeutika zu konzentrieren. Überdies werden alle unsere Geschäftsbereiche einer regelmäßigen Profitabilitätsprüfung unterzogen. Ist das Ergebnis unterdurchschnittlich, entscheiden wir uns in der Regel für eine Deinvestition.
Unabhängig von den Tumorgeräten rechnen Sie sich offenbar im Geschäft mit Radiopharmaka und Radioisotopen auch sonst große Chancen in China aus. Für eine neue Produktionsstätte in Jintan sollen bis Ende 2027 bis zu 50 Mill. Euro in die Hand genommen werden, finanziert aus dem laufenden Cash-flow.
Das Gesundheitssystem in China hat sich in den letzten Jahrzehnten zwar schon enorm entwickelt, aber es hat noch viel Luft nach oben. Innovative Therapien zur Behandlung von Krebs werden zunehmend auch chinesischen Patienten zur Verfügung stehen. Auf den daraus folgenden Nachfrageschub bereiten wir uns vor. Als global agierender Zulieferer für die pharmazeutische Industrie, dabei insbesondere für onkologische Spezialfirmen, ist es uns wichtig, in China mit einem lizensierten Produktionsstandort und einer starken lokalen Mannschaft vertreten zu sein.
Wie kommt das Projekt aktuell voran? Hat der Bau bereits begonnen?
Die Baupläne liegen schon auf dem Tisch. Noch in diesem Jahr wollen wir anfangen zu bauen.
Wie ist es um die Konkurrenz in der Volksrepublik bestellt?
Als Radioaktivspezialist sind wir in einem stark regulierten Markt tätig, der uns dank hoher Markteintrittsbarrieren vor zu viel Nachahmerkonkurrenz schützt. In China ist die notwendige lokale Produktion von radioaktiven Komponenten für Radiopharmazeutika noch nicht in industrieller Größenordnung vorhanden. Dabei hat das Land ein großes Aufholpotenzial bei anspruchsvollen medizinischen Anwendungen wie z.B. in der Nuklearmedizin. Abhängig von den Erstattungsmodellen kann sich China zu einem der größten Märkte für Nuklearmedizin entwickeln. Das Interesse ist riesig. Große chinesische Firmen wie China Grand Pharma haben sich Radiopharmaspezialisten hinzugekauft (z.B. Sirtex) oder suchen Kooperationspartner, um Radiopharmaka in China zu vertreiben.
Sie selbst kaufen aber auch zu. Mitte April haben Sie für rund 30 Mill. Euro eine 83-prozentige Mehrheitsbeteiligung an dem Medikamentenentwickler Pentixapharm erworben. Was versprechen Sie sich davon?
Pentixapharm gehört zu einer Reihe von strategischen Beteiligungen, mit denen Eckert & Ziegler sein Wachstum mittelfristig in neue Dimensionen vorantreiben möchte. Das Unternehmen entwickelt ein radiopharmazeutisches Kombiprodukt gegen Lymphome und eine Reihe artverwandter Tumore. Je nachdem, ob es mit dem Radionuklid Gallium-68 oder mit Yttrium-90 kombiniert wird, lässt es sich sowohl zur Diagnose als auch zur Therapie von Krebserkrankungen einsetzen. Im Februar dieses Jahres konnten wir den ersten Zwischenerfolg berichten: Von der Europäischen Arzneimittelbehörde hat Pentixapharm die Bestätigung erhalten, dass ihr Leitkandidat Pentixafor im Rahmen einer Prüfung der Phase III weiterentwickelt werden darf. Ein schöner Nebeneffekt bei dieser Beteiligung: Die von Pentixapharm verwendeten Isotope Gallium-68 und Yttrium-90 stellt Eckert & Ziegler her.
Durch Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen sind im dritten, nicht operativen Segment der Holding zuletzt gut 2 Mill. Euro Verlust angefallen. Worin fließen die Investitionen und welches Ziel wird damit verfolgt?
Das sind Investitionen in unsere strategischen Beteiligungen Pentixapharm und Myelo Therapeutics. Also operatives Geschäft. Myelo entwickelt ein Medikament zur Behandlung des Hämatopoetischen Akuten Strahlensyndroms. Einfach gesagt, eine Art Strahlenpille für danach.
Anfang August hat Eckert & Ziegler auch beim brasilianischen Isotopenspezialisten Ambientis Radioproteção zugegriffen. Welche Rolle spielt der südamerikanische Markt für Ihre weiteren Expansionspläne?
Brasilien ist ein sehr dynamischer Gesundheitsmarkt. Wir profitieren mehrfach davon. Zum einen ist unsere Tochtergesellschaft Eckert & Ziegler Brasil Comercial Ltda. eines der führenden Logistikunternehmen für Radiopharmaka in Südamerika. Zum anderen hat unsere brasilianische Niederlassung vor kurzem als erstes privates Unternehmen eine Lizenz für den Import und Vertrieb von Technetium-Generatoren erhalten. Diese Geräte sind eine Kernkomponente für ein nuklearmedizinisches Diagnoseverfahren namens SPECT, das zur Erkennung von Metastasen sowie bei Herz- oder Schilddrüsenerkrankungen eingesetzt wird.
Um welche Summen geht es hier?
In Brasilien hat der SPECT-Markt ein Volumen von etwa 100 Mill. Euro jährlich. Wir beliefern in diesem Land bereits rund 500 Krankenhäuser und Kliniken mit Medizinprodukten und Radioisotopen und hoffen, im dritten Quartal 2021 mit der Auslieferung von SPECT-Produkten beginnen zu können.
Wie finanzieren Sie Ihre Akquisitionen?
Mit rund 85 Mill. Euro Cash sind wir momentan komfortabel aufgestellt. Bei Opportunitäten können wir zugreifen. In der Regel ohne Fremdkapital.
Die Wirtschaft leidet derzeit akut unter Materialengpässen und Lieferschwierigkeiten sowie damit zusammenhängenden Kostensteigerungen. Wie kommen Sie in der Situation mit der Beschaffung zurecht?
Momentan haben wir diese Situation noch gut im Griff. Durch das Vorhalten mehrerer Bezugsquellen, enge Kontakte zu den Lieferanten und eine gewisse Vorratshaltung.
Im Braunschweiger Stadtteil Thune versucht eine Bürgerinitiative derzeit, die Verlagerung einer von Eckert & Ziegler geplanten Halle für die Lagerung radioaktiver Abfälle zu erwirken. Die Menschen sorgen sich wegen der möglichen Gefahren durch die Strahlen. Wie kompliziert ist die Lage?
Wir sind in einem konstruktiven Dialog mit der Stadt Braunschweig und weiteren Beteiligten. Überdies haben wir weltweit über zehn Produktionsstandorte, so dass Produktionsspitzen temporär ausgeglichen werden können.
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