Volkswagen in der Krise

Die Kostenschraube ist Blumes letzte Option

In Braunschweig wird seit dieser Woche erneut die Diesel-Vergangenheit von Volkswagen juristisch aufgearbeitet. Für den Konzern selbst ist das weit weg. Ihn beschäftigen akut ganz andere Themen.

Die Kostenschraube ist Blumes letzte Option

Kostenschraube ist Blumes letzte Option

Strategische und politische Fehlentscheidungen machen VW zu schaffen - Trotz Widerstand ist Sparkurs zwingend

In Braunschweig wird seit dieser Woche erneut die Diesel-Vergangenheit von Volkswagen juristisch aufgearbeitet. Für den Konzern selbst ist das weit weg. Ihn beschäftigen akut ganz andere Themen. Die schwache Marktentwicklung und hausgemachte Probleme zwingen den Autobauer zu drastischen Sparmaßnahmen. Auch wenn Einsparungen zwingend sind, dürften diese eher politischem Kalkül statt betriebswirtschaftlicher Logik folgen.

Von Sebastian Schmid, Frankfurt

Die am Mittwoch anstehende VW-Betriebsversammlung dürfte ungemütlich werden. Die Sparanstrengungen bei Volkswagen laufen zwar schon länger. Doch sie reichen hinten und vorne nicht, wie der Konzernvorstand festgestellt hat. CEO Oliver Blume und VW-Markenchef Thomas Schäfer sehen sich gezwungen, von der Beschäftigungsgarantie bis 2029 abzurücken und Werksschließungen sowie Entlassungen anzustreben. Der Betriebsrat ist bereits auf den Barrikaden. Die Arbeitnehmerseite werde „kurzsichtige Schrumpfungsphantasien abwehren“, heißt es in der Stellungnahme der IG Metall. „Mit uns wird es keine Standortschließungen geben“, erklärte auch Daniela Cavallo, Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Volkswagen AG. Sie sieht die Schuld an der Misere ganz klar an der Konzernspitze: „Der Vorstand hat versagt.“

Tatsächlich sind die Probleme des Konzerns vielschichtig und haben ihren Ursprung zwar auch in Management-Fehlern. Diese waren aber nicht selten der Sondersituation in der Governance-Struktur von VW geschuldet. So dürfte die Fehlentscheidung von Blumes Vorgänger Herbert Diess, Fahrzeugsoftware mit der Tochter Cariad in Wolfsburg entwickeln zu wollen, wesentlich mit dem Großaktionär Niedersachsen und dem starken deutschen Betriebsrat zusammenhängen. Blume versuchte noch das Schiff auf Kurs zu bringen, sieht aber offenbar keine Chance mehr. Nur so lässt sich die riskante Milliardeninvestition in Rivian erklären. Das hoch defizitäre US-Unternehmen soll die Software-Malaise in Wolfsburg lösen und wird dafür fürstlich entlohnt.

Miserable Auslastung

Ebenso unökonomisch ist, dass Volkswagen die deutsche Produktion auf so viele Werke verteilt. Die Auslastung in einigen der Produktionsstätten ist so schlecht, wie bei kaum einem anderen Autobauer. Einer Analyse der Automobilwoche zufolge lag die Auslastung bei VW in Dresden nur bei 30%, in Osnabrück sogar nicht einmal 20%. In Dresden werden allerdings ohnehin kaum Autos gebaut und auch Osnabrück ist ein Werk, dessen Schließung kaum Einsparungen bringen würde. Meint Blume es ernst mit dem Sparen, müssen andere Werke angegangen werden: Zwickau, Wolfsburg oder Emden. Der Widerstand der Arbeitnehmer dürfte hier enorm sein. Volkswagen droht daher, alte Fehler zu wiederholen. Denn ein politischer Kuhhandel ist leichter zu erreichen als die betriebswirtschaftlich sinnvollste Lösung.

Blume hatte „keine Wahl“

„Selbst wenn jetzt in einem Kraftakt Kosten eingespart werden und VW vorerst solider aufgestellt ist, wird der Konzern in ein paar Jahren wieder vor Problemen stehen“, ist Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer überzeugt. Einer wirklich nachhaltigen Lösung stünden VW-Gesetz, Gewerkschaften und das Land Niedersachsen als Großaktionär entgegen. Dennoch habe Blume keine Wahl gehabt, als den Konflikt mit dem Betriebsrat jetzt zu suchen, bevor die Lage noch schwieriger geworden wäre. Dass die Probleme bei VW wie in der Vergangenheit mit einem Wechsel an der Vorstandsspitze gelöst werden könnten, glaubt Dudenhöffer indes nicht. „Wer soll denn auf Blume folgen?"

Kein Kronprinz in Sicht

Tatsächlich ist kein Kronprinz in Sicht. VW-Markenchef Schäfer hat seine Eignung noch nicht bewiesen. Audi-Chef Gernot Döllner muss die darbende Premiummarke ebenfalls erst noch aus der Krise führen. Und Porsche-Chef ist Blume schließlich noch höchstselbst. Zu erwarten ist indes, dass die Kritik an seiner doppelten Führungsrolle zunehmen wird. Das Argument, der Job des VW-Konzernchefs und des Porsche-CEOs ließen sich gut kombinieren, klang in besseren Zeiten bereits schräg. Nun, da VW vor enormen Herausforderungen steht und Porsche ebenfalls mit rückläufigem Absatz kämpft, wirkt es geradezu anmaßend.

Zumal es auch Fehler gibt, die Blume anzukreiden sind. So hat er nach der Übernahme des Chefpostens von Diess zwar einige Vorhaben beschleunigt. Die grundlegende Ausrichtung wurde aber beibehalten. Die strategische Annahme eines schnellen, linearen oder gar exponentiellen Hochlaufs der E-Mobilität, erwies sich dabei als falsch – auch weil die Politik sich als unzuverlässiger Partner erwiesen hat. Mit dem Ende der Umweltprämie gab es auch einen Reset beim E-Auto-Absatz. Blume muss nun hoffen, dass seine zweite große Wette besser aufgeht. Der Macan, Porsche wichtigstes Modell, ist in Europa nur noch elektrisch zu haben. Floppt er, könnte auch die Perle Porsche an Glanz verlieren.

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