Staatliche Eingriffe

Energieriesen zweifeln an Staats­interventionen

Die zunehmenden Staatsinterventionen im Energiesektor werden von den Unternehmen skeptisch betrachtet. Über die Pläne der EU-Kommission für einen Strompreisdeckel heißt es beim Netzbetreiber Eon: „Sowohl EU als auch Mitgliedstaaten haben...

Energieriesen zweifeln an Staats­interventionen

cru Frankfurt

Die zunehmenden Staatsinterventionen im Energiesektor werden von den Unternehmen skeptisch betrachtet. Über die Pläne der EU-Kommission für einen Strompreisdeckel heißt es beim Netzbetreiber Eon: „Sowohl EU als auch Mitgliedstaaten haben Handlungsbedarf erkannt, das ist gut. Gegensteuerungsmaßnahmen und insbesondere Entlastung für Haushalte sind sinnvoll. Wichtig ist aber: Bei einzelnen Maßnahmen des Pakets sollte gut überlegt werden, ob und wie in den Markt eingegriffen wird.“

Europas Gaspreise sind indes am Montag auf den niedrigsten Stand seit fast zwei Monaten gefallen, da angesichts der beginnenden Heizperiode die staatlichen Bemühungen zur Entschärfung der Energiekrise verstärkt werden. Niederländisches Frontmonatsgas, die europäische Benchmark, fiel um 8,8 % und wurde in Amsterdam mit 174 Euro pro Megawattstunde gehandelt, dem niedrigsten Stand seit dem 25. Juli. Die Preise setzten damit den Rückgang der vergangenen Woche fort. Deutschland, Großbritannien und andere Länder planen, Milliarden auszugeben, um die Abhängigkeit von russischen Importen zu verringern, Energiehändler zu retten und die Preise zu deckeln, um den Druck auf Unternehmen zu verringern.

Die Situation auf den europäischen Energiemärkten hat sich in den vergangenen drei Wochen allmählich verbessert, da die politischen Maßnahmen Gestalt annehmen und sich die Anzeichen für eine preisinduzierte Reaktion der Nachfrage mehren. Die Diskussionen über die Vorschläge der Europäischen Kommission, die dazu beitragen sollen, die Auswirkungen der Krise abzumildern, und die noch von den Mitgliedstaaten abgesegnet werden müssen, gehen weiter. Dazu gehören die Aufbringung von 140 Mrd. Euro durch höhere Steuern für Energiekonzerne, obligatorische Beschränkungen des Stromverbrauchs in Spitzenzeiten und die Erhöhung der Liquidität.

Umfangreiche Lieferungen von verflüssigtem Erdgas tragen ebenfalls zur Entspannung bei, da kürzlich ein LNG-Terminal des Konzerns Gasunie in Eemshaven den Betrieb aufgenommen hat. Die Entscheidung der Bundesregierung vom Freitag, die Kontrolle über die deutsche Ölraffinerie der russischen Rosneft zu übernehmen, wird als erster Schritt gesehen, mit dem sich Berlin Kontrolle über den Energiesektor verschafft. Die Bundesregierung führt Gespräche über die Verstaatlichung der großen Gasimporteure Uniper und VNG, einer EnBW-Tochter. Mit einem Volumen von 7,9 Mrd. Dollar ist der Ende Juli beschlossene 30-%-Einstieg des Bundes in die Fortum-Tochter Uniper mit Aktien und Wandelanleihen die bisher zweitgrößte Übernahme 2022 in Deutschland hinter dem Funkturm-Deal der Deutschen Telekom, wie aus der Rangliste von Refinitiv hervorgeht.

Großbritannien entwickelt derweil einen Plan, der die Energiepreise für viele Unternehmen halbieren könnte – als Teil eines 40 Mrd. Pfund schweren Unterstützungspakets. Frankreich will Energiepreiserhöhungen für Haushalte begrenzen, was die Regierung laut Finanzminister Bruno Le Maire 2023 netto 16 Mrd. Euro kostet. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird mit Beginn der Wintersaison getestet. Händler blicken auf die Gasvorräte. Nach Angaben von Gas Infrastruc­ture Europe sind Europas Speicher zu 86 % gefüllt – leicht über dem Fünfjahresdurchschnitt. Doch liegen die Gaspreise immer noch mehr als siebenmal so hoch wie vor dem Krieg.

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