Klaus-Peter Naumann

„ESG-Reporting global harmonisieren“

Um den Kapitalmarkt mit vergleichbaren Informationen über Nachhaltigkeitskriterien zu versorgen, müssen aus Sicht der Wirtschaftsprüfer globale Standards für das ESG-Reporting entwickelt werden.

„ESG-Reporting global harmonisieren“

Sabine Wadewitz.

Herr Prof. Naumann, ESG wird ein immer wichtigeres Thema im Kapitalmarkt. Investoren verlangen einheitliche Standards im ESG-Reporting von Unternehmen. Wer soll diese Standards erstellen, ist das Thema bei den etablierten Bilanzierungsgremien richtig aufgehoben?

In einem global verflochtenen Kapitalmarkt müssen die Regeln für die ESG-Berichterstattung auf internationaler Ebene entwickelt werden. Es gibt allerdings starke Stimmen, die darauf hinweisen, dass die Europäer mit Umsetzung der CSR-Richtlinie schon deutlich weiter sind als andere Teile der Welt. Das sollte man in der Tat nicht ohne Not bremsen, aber die Entwicklung europäischer Standards wäre für mich immer nur ein Übergangsszenario, bis man das große Ziel internationaler Regeln erreicht hat.

Haben die bislang in der EU erarbeiteten CSR-Standards denn wirklich zu einer Vereinheitlichung geführt?

Nein, das ist bislang die systematische Schwäche einer europäischen Regelung. Viele europäische Initiativen haben das Ziel, im Sinne einer Harmonisierung einheitliche Regeln zu entwickeln. Das ist in der Geschichte der EU aber noch nicht überzeugend erreicht worden.

Die Zeit drängt. Wer soll international das Heft in die Hand nehmen? Ins Spiel gebracht hat sich die IFRS Foundation, die neben dem Bilanzstandardsetzer IASB ein Gremium für ESG-Regeln etablieren will.

Das IASB hat sich lange Zeit nicht mit dem Thema auseinandergesetzt und sah sich allein für das Financial Reporting zuständig, nicht für Non-Financials. Das war sicher ein Versäumnis. Man muss akzeptieren, dass es zwischen finanzieller und nichtfinanzieller Berichterstattung Unterschiede gibt. Am Ende muss es aber das Ziel sein, zu einer inte­grierten Berichterstattung zu kommen. Das Standardsetting für Financials und Non-Financial darf sich nicht losgelöst voneinander ent­wickeln.

Das spricht für das Modell der IFRS Foundation?

Wir unterstützen die Idee, unter dem Dach der IFRS Foundation neben dem IASB einen zweiten Standardsetter einzurichten, der sich dem Non-Financial-Reporting widmet. Über die Klammer der IFRS Foundation sollte sichergestellt sein, dass beide Gremien gut zusammenarbeiten. Auch das ESG-Reporting braucht quantifizierbare Angaben, die Dinge müssen einen Preis bekommen, Mengenangaben reichen nicht aus. Da haben wir noch einen weiten Weg vor uns.

Könnte es mit Blick auf das von Ihnen angesprochene integrierte Reporting nicht sinnvoller sein, bei einem Gremium zu bleiben und dort ESG-Experten an Bord zu holen? Perspektivisch werden ja beide Themen verschmelzen, Non-Financials spiegeln sich ja heute schon in der Unternehmensbewertung?

Deshalb haben wir im IDW immer davor gewarnt, Non-Financials als irrelevant für die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens zu betrachten. Genau das Gegenteil ist der Fall. Deshalb gehören diese Informationen aus unserer Sicht irgendwann zwingend in den Lagebericht. Das verstehe ich als integrierte Berichterstattung. Integrierte Berichterstattung darf kein Nebeneinander von Finanzbericht und ESG-Bericht im Lagebericht sein. Die Angaben müssen vielmehr aufeinander Bezug nehmen.

Kann es überhaupt einheitliche Standards geben bei einem Informationsbedürfnis so unterschiedlicher Gruppen. Es reicht ja von Investoren bis NGOs?

Man wird Kernadressaten festlegen müssen. Aus der Idee eines Integrated Reporting ergibt sich für mich durchaus eine Limitierung für nichtfinanziellen Informationen. Es geht vorrangig um Angaben, die für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens von Bedeutung sind. Wenn man Stakeholdern darüber hinaus weitere Auskünfte geben möchte, gehören sie nicht in den Lagebericht.

Wie gehen die Abschlussprüfer mit dem Thema um? Bislang gibt es ja noch keine Prüfungspflicht für ESG-Angaben.

Wir sprechen uns für eine Prüfungspflicht aus, weil es die Vertrauenswürdigkeit dieser Informationen deutlich erhöht. Im IDW arbeiten wir aktuell an der Entwicklung eines entsprechenden Prüfungsstandards.

Auf welchem Regulierungsrahmen setzt dieser Prüfungsstandard auf?

Der Standard regelt Details für die Prüfung des CSR-Reporting von Unternehmen. Es gibt bislang weder im nationalen noch im europäischen Recht feste Vorgaben, welches Framework anzuwenden ist. Die Unternehmen haben Spielraum, müssen aber darlegen, nach welchen Regeln sie informieren. Das schaut sich der Abschlussprüfer an. Mit Fortentwicklung und Vereinheitlichung der Standards für das ESG-Reporting wird sich die Aussage des Abschlussprüfers verändern.

Global einheitliche Standards würden dem Prüfer in seinem Urteil vermutlich helfen?

Ja, deshalb setzen wir uns für eine internationale Harmonisierung des ESG-Reporting ein.

Wird das Thema Teil des Bestätigungsvermerks?

Wenn man das CSR-Reporting in den Lagebericht integriert, wird es Be­standteil des Bestätigungsvermerks. Denn der bezieht sich auf Abschluss und Lagebericht.

Ist der Abschlussprüfer überhaupt in der Lage, ESG-Angaben von Unternehmen valide prüfen zu können?

Die Prüfer benötigen zusätzliche Kompetenzen in ESG-Themen. Das ist gut zu bewältigen, denn die ESG-Informationen stammen genauso wie die Finanzzahlen aus unternehmensinternen Berichtssystemen. Damit kann ich mit meinem klassischen Prüfer-Know-how über die Beurteilung der Zuverlässigkeit dieser Prozesse die Ordnungsmäßigkeit dieser Angaben kontrollieren.

Der Prüfer schaut also nur, ob das Unternehmen die notwendigen ESG-Informationen bereitstellt, er muss zum Beispiel nicht verifizieren, wie viel CO2 ausgestoßen wurde?

Doch, er muss überprüfen, ob die Angaben richtig sind. Das Mehr an Verantwortung verlangt einen erhöhten Prüfungsumfang. Als risikoaverser Berufsvertreter kann man sich natürlich fragen, weshalb man sich auf dieses Terrain begeben sollte. Doch wenn die Investoren ein Interesse an diesen Informationen haben, müssen sie den Angaben vertrauen können. Hier ist der Prüfer in der Pflicht. Die Lageberichterstattung enthält schon heute nichtfinanzielle Informationen, die sich auch nicht unmittelbar aus der konventionellen Buchführung ableiten lassen. Wirtschaftsprüfer verfügen also schon seit langem über eine entsprechende Prüfungsmethodik, die sich in Deutschland beispielsweise in der neuen Fassung von IDW PS 350 als relevantem Prüfungsstandard zur Prüfung des Lageberichts manifestiert. Darin enthalten ist auch die Prüfung prognostischer Informationen. Zudem erfolgen bereits heute Prüfungen mit hinreichender Sicherheit von – separaten – Nachhaltigkeitsberichten durch Wirtschaftsprüfer.

Es braucht also kein neues Instrumentarium?

Selbstverständlich verlangt eine erweiterte und integrierte Berichterstattung auch die Implementierung neuer Systeme und Prozesse, inklusive interner Kontrollen, in den Unternehmen. Diese sind unmittelbar Gegenstand des geschilderten Prüfungsvorgehens. Die Schaffung dieser Voraussetzungen verlangt Know-how und Zeit. Zusammen mit Stakeholdern und Unternehmen sind Wirtschaftsprüfer aber gerüstet und bereit, diesen Weg zu gehen. Selbstverständlich müssen wir als Berufsstand unsere einschlägigen Kenntnisse ständig weiterentwickeln. Das gilt im Übrigen schon heute.

Trifft das vor allem die großen Prüfungsgesellschaften in der Branche?

Keineswegs. Ein sauberes ESG-Reporting verlangt Transparenz in den Lieferketten. Als Teil der Lieferkette muss auch ein mittelständisches Unternehmen diese Informationen bereitstellen. Somit ist ein mittelständischer Wirtschaftsprüfer gleichermaßen in der Verantwortung und muss das notwendige ESG-Know-how vorhalten. Sonst kann er die Situation nicht fundiert beurteilen. Wer sich dieser Aufgabe nicht stellt, kann die Erwartungen der Stakeholder nicht mehr erfüllen und droht aus dem Markt gedrängt zu werden. Daher müssen sich die Abschlussprüfer diesen Herausforderungen stellen.

Das Interview führte