Europas Venture Capital geht auf die Überholspur
cru Frankfurt
Der US-Finanzinvestor Adams Street Partners erwartet einen rasanten Aufschwung für Venture Capital in Europa. „Pensionsfonds aus aller Welt investieren in Wagniskapitalbeteiligungen in Europa, weil die Renditen hoch sind. Nur die Europäer selbst halten sich noch zurück“, sagte Ross Morrison, Partner bei Adams Street, der Börsen-Zeitung. Die Beteiligungsgesellschaft verwaltet ein Vermögen von 45 Mrd. Dollar für Investoren.
Europa bringt laut Adams Street in immer schnellerem Takt „Einhörner“ hervor. „Aktuell sind 220 Jungunternehmen mit mehr als 1 Mrd. Dollar bewertet, darunter global bekannte Unternehmen wie der schwedische Audio-Streaming-Dienst Spotify und der niederländische Zahlungsabwickler Adyen – verglichen mit nur 22 Einhörnern im Jahr 2010“, sagte Morrison. Der Appetit globaler Venture-Capital-Investoren auf Europa wächst. Europa habe seinen Anteil am globalen Venture-Capital-Markt innerhalb von fünf Jahren auf 18% verdoppelt.
Jüngsten Zahlen zufolge haben europäische Start-ups in der ersten Jahreshälfte 2021 rund 56 Mrd. Dollar an Finanzmitteln aufgenommen. Das sind rund 10 Mrd. Dollar mehr als im gesamten Jahr 2020. Bei diesem Tempo werden Jungunternehmen in Europa 2021 voraussichtlich 112 Mrd. Dollar an Venture-Capital-Finanzierungen aufbringen, was einem Anstieg von über 140% im Vergleich zum Vorjahr entspricht.
Europa werde nun als Haupttreiber für das Wachstum des globalen Risikokapitals wahrgenommen, während Nordamerika mit einem prognostizierten Wachstum von 98% und Asien mit 47% ebenfalls starke Zuwächse im Vergleich zum Vorjahr aufweisen. Weltklasse-Wagniskapitalgeber wie Sequoia, General Catalyst, Bessemer und Battery expandieren in Europa. Das signalisiere die Zuversicht, dass die „Ankunft Europas in der globalen Tech-Szene“ eine dauerhafte Verschiebung der Gewichte ankündigt.
Länger abseits der Börse
„Ein weiterer zentraler Trend ist, dass Unternehmen länger der Börse fernbleiben und sich damit Wertschöpfung von Börsen in Richtung privater Märkte verlagert“, sagte Morrison. Das werde anhalten.
Dem Anschein nach haben die Wagniskapitalgeber ein gutes Gespür für europäische Top-Start-ups und helfen ihnen, erfolgreicher zu werden: 87% aller Unicorns in Europa sind von Venture-Capital-Investoren finanziert. 2010 war es nur ein Fünftel der Firmen. Es entstehe so langsam ein „Hyper Growth Mindset“ in Europa, glaubt Morrison.
Schwung bekommen habe die Branche in Europa dank einer zunehmenden Anzahl hochkarätiger Jungunternehmen, die hohe Renditen abwerfen. Dies habe zu einer beträchtlichen Liquidität geführt, die einen wachsenden Pool von talentierten Unternehmern anziehe.
„Es hat fast 20 Jahre gedauert, bis das europäische Technologie-Ökosystem so weit entwickelt war, wie es heute ist“, sagte Morrison. Adams Street ist der Ansicht, dass die Komponenten für den Erfolg innerhalb des europäischen Ökosystems vorhanden sind und dass die europäische Risikokapitallandschaft attraktive Eigenschaften für institutionelle Investoren bietet.
Die rasante Entwicklung liefert neue Argumente für Investitionen in Europa. Das Tempo, in dem Europa Einhörner hervorbringt, hat sich erheblich beschleunigt. Im Jahr 2020 haben 18 europäische Unternehmen die Milliarden-Dollar-Bewertungsmarke erreicht. Dies ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass Europa bis 2010 insgesamt nur 22 Einhörner hervorgebracht hat.
Laut Adams Street gibt es immer mehr Technologie-Gewinner aus Europa, und die hiesigen Start-ups wachsen schneller als bisher. Der Online-Konferenz-Anbieter Hopin beispielsweise war das bisher schnellste europäische Unternehmen aller Zeiten, das den Status eines Einhorns erreicht hat, als es im Jahr 2020, nur 17 Monate nach seiner Gründung, eine Bewertung von 2,1 Mrd. Dollar erreichte. Hopin hat kürzlich eine weitere Finanzierung mit einer Bewertung von 7,8 Mrd. Dollar erhalten.
Erfolge wie Spotify locken
Wagnisfinanzierte, globale Unternehmen wie Spotify, Uipath, Adyen und Revolut gelten als Beleg für die Lebendigkeit des europäischen Venture-Capital-Markts. „Wir glauben, dass diese Unternehmen dazu beigetragen haben, zusätzliches Kapital anzuziehen und den Anlegern zu signalisieren, dass Europa das Potenzial hat, sowohl Gewinner als auch Renditen hervorzubringen“, sagte Morrison. Vor 2005 waren fehlende Finanzmittel und das Fehlen einer gut ausgebauten Risikokapitalgemeinschaft ein strukturelles Hindernis für den Erfolg.
Seitdem sind die Wagniskapitalinvestitionen in Europa stetig gestiegen – sowohl in absoluten Zahlen als auch als prozentualer Anteil am gesamten globalen Risikokapital. Im Jahr 2020 haben europäische Start-ups über 46 Mrd. Dollar an Finanzmitteln aufgebracht. Das ist mehr als das Doppelte der 19 Mrd. Dollar im Jahr 2016 und mehr als das Zehnfache der 4 Mrd. Dollar im Jahr 2010.
Die Verfügbarkeit von Kapital hat sich laut Adams Street in jeder Investitionsphase einschließlich der Frühphase, der Wachstumsphase und der Zeit vor dem Börsengang verbessert. „Das war entscheidend dafür, dass europäische Unternehmen eine noch nie dagewesene Größe erreichen konnten“, sagt Morrison. Die Unternehmen bleiben länger in Privatbesitz, was im Allgemeinen zu einer Verlagerung des Wertvolumens von den Börsen auf den privaten Markt führe. Jüngste Zahlen legten nahe, dass sich 60% des geschätzten Gesamtwerts aller europäischen Technologieunternehmen im Besitz von privaten Investoren einschließlich Risikokapital- und Private-Equity-Investoren, Gründer, und Management befinden.