Evergrande droht Zerschlagung
nh Schanghai
Im Gerangel um Schuldenrestrukturierungspläne und Auffangmaßnahmen für den existenzgefährdeten chinesischen Immobilienentwickler Evergrande zeichnen sich neue Entwicklungen ab. Seit Donnerstag kursieren ernst zu nehmende Gerüchte, dass der von der Provinzregierung in Guangdong arrangierte Krisenstab zu einer Lösung tendiert, die auf eine komplette Verabschiedung vom Bauträgergeschäft hinausläuft.
Mit einer solchen Teilabwicklung würde die Gesellschaft zwar weiter bestehen bleiben, sich aber de facto auf die jeweils separat in Hongkong gelisteten Geschäfte mit Gebäudemanagementdiensten (Evergrande Property Services) und der Entwicklung von Elektrofahrzeugen (Evergrande New Energy Vehicles) reduzieren. Marktteilnehmer betonen, dass ein Abverkauf des riesigen und übers Land verstreuten Wohnimmobilienportefeuilles erheblichen Schwierigkeiten unterliegen dürfte und den Eintritt zahlreicher staatlicher Bauträger oder Investmentgesellschaften bedingen würde.
Chinas Wohnimmobiliengeschäft ist zwar eigentlich eine äußerst wettbewerbsintensive privatwirtschaftliche Bastion, doch ist zu befürchten, dass die wichtigsten Evergrande-Konkurrenten aufgrund eigener Überschuldungs- und Liquiditätsprobleme nicht genügend bilanzielle Kapazität und Finanzreserven aufweisen, um das Portefeuille der bisherigen Nummer 2 im Markt zu schultern und die Weiterführung der bereits angegangenen Projekte zu sichern. In jedem Fall würde das bedeuten, dass die Evergrande-Assets nur in einem langwierigen Prozess häppchenweise abverkauft werden können. An der Hongkonger Börse verlor die hochvolatile Evergrande-Aktie am Donnerstag knapp 4%, während andere große chinesische Immobilienwerte ebenfalls unter Druck standen. Auch im von Emittenten aus dem Immobiliensektor dominierten Offshore-Dollarmarkt für hochverzinsliche chinesische Corporate Bonds tendieren die Kurse wieder nach unten. Dem Vernehmen nach hat Evergrande eine Reihe von Gläubigern darüber unterrichtet, dass ein vorläufiger Schuldenrestrukturierungsplan in den nächsten sechs Monaten erarbeitet werden soll.
Evergrande soll die Absicht unterstrichen haben, auf eine Gleichbehandlungslösung für verschiedene Bondgläubigergruppen hinzuarbeiten, wobei es in der Hauptsache um die beiden Kategorien der am inländischen Markt gehandelten Yuan-denominierten Anleihen sowie der am Hongkonger Offshoremarkt begebenen Dollarbonds geht.
Evergrande hatte im Dezember eine Reihe von Kuponzahlungen auf ihre Dollartitel ausfallen lassen und sich damit einen förmlichen Default geleistet. Zwar hat Evergrande auch massive Schwierigkeiten, heimische Anleihen zu bedienen, doch ist es hier bislang gelungen, durch Kompromisse einen förmlichen Zahlungsausfall (Default-Event) zu verhindern.