Exodus der Energiekonzerne aus Russland
cru/wü Frankfurt
/Paris – Nach den US-Sanktionen gegen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 droht der in der Schweiz angesiedelten Eigentümergesellschaft Nord Stream 2 AG – der Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom – die Insolvenz. Damit stehen die Finanzierungen der Pipeline durch Darlehen der beiden deutschen Energiekonzerne Uniper und Wintershall Dea von jeweils rund einer Dreiviertelmilliarde Euro direkt im Feuer. Zudem hat nach dem Russland-Rückzug von BP, Shell und Equinor die französische Total Energies angekündigt, ihre Investitionen in Russland zu stoppen.
Auch auf deutsche Unternehmen wächst damit der Druck, sich vom Russland-Geschäft zu trennen. Wintershall Dea, die sich im Besitz der BASF und der Investmentfirma Letter One des russischen Milliardärs Michail Fridman befindet, ist an gasproduzierenden Joint Ventures mit Gazprom in Sibirien beteiligt. Das Unternehmen ist – wie auch Eon, Gasunie und Engie – auch an der ersten Nord-Stream-Pipeline von Russland nach Deutschland beteiligt und hat ebenso wie der Gasimporteur Uniper ein langfristiges Darlehen für Nord Stream 2 bereitgestellt. Uniper besitzt die Mehrheit von 84% am großen russischen Stromversorger Unipro und ist wie die finnische Mutter Fortum mit ihren zwölf Kraftwerken in großem Umfang in Russland tätig. Ähnlich sieht es bei Exxon, OMV und Engie aus, die milliardenschwere Beteiligungen halten.
Ein Wintershall-Sprecher wollte zu den Beteiligungen keine Stellung nehmen. „Die Welt, in der wir leben, ist eine andere als noch vor wenigen Tagen. (…) Der Vorstand von Wintershall Dea analysiert die Situation bereits sehr sorgfältig, einschließlich der rechtlichen Implikationen“, ließ sich Wintershall-Dea-Chef Mario Mehren zitieren. Offen ist, ob Nord Stream 2 vor Gerichten Schadenersatz für den Stopp der Zertifizierung durch die Bundesregierung durchsetzen kann. Das 10 Mrd. Euro teure Projekt war zur Hälfte von den westlichen Energie- und Ölriesen Shell, OMV, Engie, Uniper und Wintershall Dea finanziert worden.
Die Nord Stream 2 AG arbeite mit Finanzberatern derzeit daran, Teile ihrer Verbindlichkeiten zu ordnen, und könnte noch in dieser Woche offiziell in der Schweiz einen Insolvenzantrag stellen, sagten zwei mit den Plänen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Die Arbeitsverträge mit den mehr als 140 Mitarbeitern am Firmensitz in Zug hat Nord Stream 2 bereits gekündigt, wie das Unternehmen am Dienstag bestätigte. Das sei die Konsequenz der US-Sanktionen gegen das Unternehmen. Das US-Finanzministerium hatte als Teil der Sanktionen gegen Russland in der vergangenen Woche ultimativ die Abwicklung aller Geschäfte mit der Nord Stream 2 AG und deren Mehrheitsbeteiligungen bis 2. März verlangt.
Unterdessen hat der französische Ölriese Total Energies angekündigt, er werde nicht länger Kapital für neue Projekte in Russland zur Verfügung stellen. Total Energies verurteile den militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine und strebe an, die ukrainische Regierung mit Benzin und die Bevölkerung der Ukraine mit Hilfe zu versorgen. Man heiße Umfang und Härte der europäischen Sanktionen gut und werde sie umsetzen, egal wie sie sich auf Aktivitäten des Konzerns in Russland auswirken.
Beteiligungen werden geprüft
Diese würden gerade bewertet. Bisher zumindest behält Total Energies seine Beteiligungen in Russland. Der Ölkonzern hält 19,4% am Gasproduzenten Novatek sowie 20% an der Gasanlage Yamal LNG in Westsibirien und 10% am umstrittenen Projekt Arctic LNG 2. Kurz vor der Ankündigung des Ölkonzerns hatte Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire gesagt, er wolle mit Total Energies und Engie über ihre Beteiligungen in Russland sprechen. „Ich glaube, es gibt ein prinzipielles Problem, mit Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft zusammenzuarbeiten, die der russischen Führung nahestehen.“ Engie hat Nord Stream 2 mitfinanziert.