Fairness Opinion: Ein systemrelevantes Instrument
Ansichtssache
Grundsätze komplett überarbeitet
Fairness Opinion: Ein systemrelevantes Instrument
Von Thorsten Müller
Die Unabhängigkeit der Ersteller einer Fairness Opinion gehört zu einer verantwortungsvollen Corporate Governance.
Eine Fairness Opinion ist ein zentrales Instrument für Unternehmensorgane zur Beurteilung von Unternehmenstransaktionen. Dabei prüft der Ersteller der Fairness Opinion, ob der gebotene Preis zum Beispiel für einen Unternehmenserwerb oder eine öffentliche Übernahme aus Sicht des beauftragenden Organs finanziell angemessen ist.
Damit sorgt die Fairness Opinion für eine gezielte Enthaftung der beauftragenden Organe. Darüber hinaus ist ein gutes Fairness Opinion Regime ein Zeichen verantwortungsvoller Corporate Governance. Die DVFA hat jetzt eine Komplettüberarbeitung und -erweiterung ihrer Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions erarbeitet.
Mehr Bedarf an Fairness Opinions
Der Markt für Unternehmenstransaktionen ist in den letzten Jahren gewachsen, internationaler geworden und hat sich weiter spezialisiert. Viele M&A-Experten erwarten für die nächste Dekade eine weitere Zunahme von Unternehmenstransaktionen in Deutschland. Das liegt zum einen an der Transformation hin zu einer CO2-neutralen Volkswirtschaft, zum anderen an der demographischen Entwicklung. Entsprechend wird erwartet, dass auch der Einsatz von Fairness Opinions steigen wird.
Vor diesem Hintergrund hat die DVFA unter Leitung von Professor Bernhard Schwetzler, HHL Leipzig Graduate School of Management, und stellvertretender Leitung von Professor Christian Aders, ValueTrust, eine umfassende Aktualisierung ihrer Grundsätze für Fairness Opinions erstellt. Die Expertengruppe setzt sich aus erfahrenen Bewertungsspezialisten, Finanzanalysten, Kapitalmarktjuristen und Wissenschaftlern der Finanzwirtschaft zusammen.
Der neue Best Practice Standard der DVFA ist eine fundierte Richtschnur nicht nur für öffentliche Unternehmensübernahmen nach § 27 WpÜG, sondern auch ein Leitfaden für private Transaktionen, bei denen die Parteien oder die Zielgesellschaft nicht börsennotiert sind.
Objektiver Nachweis
Dabei ist insbesondere entscheidend, dass die rechtlichen Berater der Organe auf den Mehrwert unabhängiger Fairness Opinions im Rahmen von Unternehmenstransaktionen hinweisen und was im Einzelfall bei der Mandatierung für die Erstellung einer Fairness Opinion zu beachten ist.
Durch die Erstellung einer Fairness Opinion erfolgt eine Enthaftung der Organe und es wird ein objektiver Nachweis für die Einhaltung der Business Judgement Rule nach § 93 Abs. 1 Satz 2 Aktiengesetz durch die Organe erbracht. Aus Kapitalmarktsicht führt der Einsatz von Fairness Opinions zusätzlich zu einer deutlich verbesserten Transparenz bei öffentlichen Übernahmen.
Eine Analyse der HHL unter Leitung von Professor Schwetzler über öffentliche Übernahmen hat für den Zeitraum von 2014 bis 2022 ergeben, dass rund 70% aller Transaktionen durch eine Fairness Opinion begleitet wurden. Damit ist die Erstellung einer Fairness Opinion bei öffentlichen Transaktionen bereits Standard – auch wenn noch Luft nach oben besteht.
Bei privaten Transaktionen, zu denen insbesondere auch große Private-Equity-Transaktionen gehören, gibt es keine verfügbaren Daten. Eine weitere Analyse von Professor Schwetzler über den Zeitraum 2019 bis 2022 hat ergeben, dass rund 70% der Fairness Opinions bei öffentlichen Übernahmen durch das die Transaktion strukturierende Beratungshaus erstellt wurden. Berater sind hier in der Regel die großen internationalen Investmentbanken.
Unabhängigkeit wahren
Dabei ist zu hinterfragen, inwieweit hier die Unabhängigkeit gewahrt wird, wenn der erfolgsabhängig vergütete Transaktionsberater und der Ersteller der Fairness Opinion aus einem Haus stammen. Die DVFA empfiehlt vor diesem Hintergrund, für die Erstellung einer Fairness Opinion einen unabhängigen Dritten zu mandatieren, um so möglichen Interessenkonflikten vorzubeugen. In jedem Fall sind mögliche Interessenkonflikte aufzudecken und eine erfolgsunabhängige Vergütung für die Ersteller der Fairness Opinion sicherzustellen.
Deshalb spricht sich die DVFA dafür aus, diese Empfehlung auch in den Corporate Goverance Kodex aufzunehmen. Die Unabhängigkeit der Ersteller einer Fairness Opinion gehört aus Sicht der DVFA zu einer verantwortungsvollen Corporate Governance.
Da die Fairness Opinion explizit die finanzielle Angemessenheit einer Transaktion beurteilt, stellt sich die Frage, inwieweit ESG-Kriterien bei der Erstellung einer Fairness Opinion eine Rolle spielen. Dies ist eine berechtigte Fragestellung. Es umschließt die Frage, wie ESG-Faktoren in die Unternehmensbewertung, die der Fairness Opinion zu Grunde liegt, einfließen.
Die DVFA-Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions machen dem Ersteller der Fairness Opinion keine detaillierten Bewertungsvorgaben. Insoweit sollte der Ersteller ESG-Themen in die Bewertung dann einbeziehen, wenn diese einen relevanten Einfluss auf die Unternehmensbewertung haben und damit das Urteil der finanziellen Angemessenheit beeinflussen.
Schutz vor Haftung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Fairness Opinions künftig weiter an Bedeutung gewinnen werden, nicht nur um sich als Organ vor möglichen Haftungsrisiken zu schützen, sondern auch als Teil einer verantwortungsvollen Corporate Governance. Die Unabhängigkeit des Erstellers von Fairness Opinions wird daher künftig eine zunehmende Rolle spielen.