Georg Hesse

Fashionette soll „auch mit Gegenwind profitabel sein“

Angesichts des Konjunkturpessimismus hat es Fashionette als Online-Einzelhändler nicht leicht. CEO Georg Hesse berichtet von starker Loyalität der Kundinnen und schildert die Geschäftsperspektiven.

Fashionette soll „auch mit Gegenwind profitabel sein“

Von Martin Dunzendorfer,

Frankfurt

Seit 1. Juli hat Fashionette, ein Online-Händler für Luxusmode-Accessoires, einen neuen Vorstandschef. Georg Hesse soll als Nachfolger von Daniel Raab, der „aus persönlichen Gründen“ das Amt niedergelegt hatte, Umsatz und Ergebnis des Düsseldorfer Unternehmens voranbringen. Das dürfte die Voraussetzung für eine Erholung des Aktienkurses sein. Fashionette war im Oktober 2020 an die Börse (Freiverkehr) gekommen; der Emissionspreis betrug 31 Euro. Bis Januar 2021 kletterte das Papier auf 39 Euro, doch danach ging es steil bergab. Am Montag der abgelaufenen Woche fiel die Aktie auf das Rekordtief von 3,50 Euro. Die Marktkapitalisierung liegt bei 23 Mill. Euro.

Hesse macht für den Kursrückgang vor allem externe Faktoren verantwortlich – die Lockerung der Corona-Restriktionen, die nachteilig für Online-Händler ist, der Ausbruch des Ukraine-Kriegs, eine Abkehr von Wachstumsaktien infolge steigender Zinsen und die sich abzeichnende Rezession –, aber auch unternehmensspezifische Ursachen, etwa den Wechsel an der Vorstandsspitze, der zu Verunsicherung unter Aktionären geführt habe.

Der 49-Jährige hält die Kurseinbuße von Fashionette aber für übertrieben und begründet dies: „Addiert man in unserem Fall den Börsenwert und die Nettoverschuldung und zieht dann den Einkaufswert unseres Warenlagers ab, dann gibt es Fashionette und ihre über eine Million überdurchschnittlich kaufkräftigen Kundinnen aktuell für umsonst.“

„Wir sind spezialisiert auf die Nische Premium- und Luxus-Modeaccessoires“, erklärt Hesse im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Hängende Ware“, also Kleidung, gebe es bei Fashionette nicht zu kaufen, dafür jede Menge Taschen – der mit Abstand stärkste Bereich –, gefolgt von Schuhen und Schmuck.

In der Bestimmung der Zielgruppe lässt es Hesse nicht an Klarheit fehlen: „Frauen; genauer: Hardworking Women, die sich ihr Geld selbst verdient haben und die es gerne dafür ausgeben, ihren Style zu betonen.“ Diese Zielgruppe sei sehr anspruchsvoll, aber auch sehr loyal, wenn die Erwartungen u. a. hinsichtlich Um­fang und Zusammensetzung des Sortiments sowie Qualität der gekauften Produkte erfüllt würden.

Schon jetzt sei Fashionette „einzigartig, was die Größe in der Nische und die Spezialisierung angeht“ –zumindest in Deutschland und Benelux. Auch aus seinem Ziel macht der neue CEO, der zudem die Aufgaben eines CFO übernommen hat, keinen Hehl: „Wir müssen die Besten der Welt sein in unserer Nische.“

„Amazon-Gewächs“

Eine der Hauptaufgaben von Hesse, der sich als „Amazon-Gewächs“ bezeichnet – er war von 1999 bis 2015 für den US-Internetriesen tätig –, ist die Integration der vor gut einem Jahr vollständig übernommenen Brandfield, die ihren Sitz im niederländischen Groningen hat. Die Holding mit ihrer operativen Tochter ähnelt Fashionette, weshalb Hesse die Synergien aus dem komplementären Geschäft unterstreicht. Beide Unternehmen sind Online-Händler hochwertiger Modeaccessoires (Le­derwaren, Schmuck, Schuhe, Sonnenbrillen etc.), doch während Fashionette ihren Schwerpunkt in Deutschland sowie in Österreich und der Schweiz (DACH-Region) hat, sind es bei Brandfield die Niederlande und Belgien.

Das Sortiment von Brandfield ist zudem im Schnitt niedrigpreisiger als bei Fashionette, aber deutlich höher als bei üblichen E-Commerce-Anbietern, wie Hesse betont. Die unterschiedlichen Preissegmente spiegeln sich in der Volumenentwicklung des Durchschnittswarenkorbs: Dieser betrug konzernweit im ersten Halbjahr 183 Euro nach 255 Euro im Vorjahr. Gemäß Hesse habe sich aber der Einkaufskorb von Fashionette im Jahresvergleich erhöht. Bereinigt habe der durchschnittliche Warenkorb der Gruppe von 179 Euro im ersten Semester 2021 um 2,1% zugelegt.

Obwohl die Übernahme von Brandfield nicht die Entscheidung Hesses, sondern die seines Vorgängers Raab war, sagt der neue CEO: „Ich bin happy, dass wir Brandfield bekommen haben.“ Die Akquisition biete „tolle Chancen und Optionen“, etwa im gemeinsamen Einkauf bzw. Verkauf von Produkten und Eigenmarken. Allerdings weiß Hesse: „Die Benefits einer Akquisition hat man nicht mit der Unterschrift“ unter den Kaufvertrag. „Die Integration erfordert harte Arbeit“, so der CEO, aber: „Ich klage nicht ob der neuen Komplexität.“ In jedem Fall habe die Übernahme das Unternehmen resilienter gemacht. Ohnehin ist die Wirkung eines negativen Konjunkturumfeldes auf die Nachfrage nach Luxusgütern relativ gering. Nach Beginn des Ukraine-Krieges im Februar habe es eine gewisse Kaufzurückhaltung gegeben, berichtet Hesse, doch längst gebe es eine solide Erholung.

Mit konkreten Angaben zum Kaufpreis sowie zu Umsatz und Ergebnissen von Brandfield ist Fashionette zurückhaltend. „Der Netto-Kaufpreis liegt im unteren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“, heißt es. Ein Blick in die Bilanz, besonders auf die Angaben zum Investitions-Cashflow, legt nahe, dass der Preis zwischen 17 Mill. und 20 Mill. Euro war. Finanziert worden sei die Akquisition durch einen Bankkredit von 12 Mill. Euro; der Rest sei mit Cash aus dem Börsengang beglichen worden. Dieser hatte Fashionette 112 Mill. Euro eingebracht.

Im Geschäftsjahr 2020/21 (30. Ju­ni) hatte Brandfield einen Umsatz von rund 40 (i.V. 27) Mill. Euro sowie ein positives operatives Ergebnis (Ebitda) angestrebt. Hesse bestätigt, dass Brandfield profitabel sei. Durch die Akquise ist die Eigenkapitalquote von Fashionette per Ende Juni auf 54 (72)% gesunken.

Ausblick bekräftigt

Auf einer Pro-forma-Basis ist der Umsatz von Fashionette 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 21% auf 155 Mill. Euro gestiegen. Das bereinigte Ebitda lag bei 5,7 Mill. Euro. Hesse bekräftigte den Ausblick für 2022, wonach die Erlöse organisch um 16 bis 21% auf 180 Mill. bis 187 Mill. Euro wachsen sollen. „Nach 5% im ersten Halbjahr beschleunigt sich also unser Wachstum stark im zweiten Halbjahr.“ Zwei Drittel der Halbjahreserlöse seien in der DACH-Region generiert worden, etwa ein Viertel in Benelux.

Das bereinigte Ebitda soll 2022 zwischen 5,0 und 7,5 Mill. Euro ausfallen – könnte also auch unter dem Vorjahreswert liegen. Hesse führt zur Erklärung die Verbuchung von Einmaleffekten auf: ein altes Vorstandsoptionsprogramm, Abschreibungen, Beratungskosten etc. Nach dem ersten Semester lag das Ebitda bei lediglich 0,5 (0,5) Mill. Euro. Hesse bereitet dieses magere Zwischenergebnis offenbar keine Sorge, was am saisonalen Geschäft von Fashionette liegen mag. „Im vierten Quartal erzielen wir mehr als ein Drittel des Jahresumsatzes“, sagt er. Daher würden schon seit Wochen Lagerbestände für das Weihnachtsgeschäft, aber auch für Sonderverkäufe wie am Black Friday oder in der Black Week aufgebaut. Auf die Frage nach dem Nettoergebnis 2022 antwortet Hesse ausweichend und verweist auf das erwartet positive operative Ergebnis.

Die Preise in den Online- und Offline-Boutiquen, die Produkte verkaufen, wie sie Fashionette anbietet, seien in einem Ausmaß rückläufig, „wie wir es bisher noch nicht gesehen haben. Auch bei uns steht dieses Jahr deshalb die Bruttomarge unter Druck“, räumt Hesse ein. „Doch 2022 ist nicht repräsentativ für die Zukunft.“ Der Konzernchef stellt klar: „Auch mit Gegenwind werden wir profitabel sein.“

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