Erdgas

Gazprom verbucht 7 Mrd. Dollar Verlust im Jahr 2023

Der Export nach China kann die Ausfälle im Europa-Geschäft nicht ersetzen. Die russische Gazprom schreibt daher tiefrote Zahlen. Die langfristigen Aussichten sind trist.

Gazprom verbucht 7 Mrd. Dollar Verlust im Jahr 2023

Gazprom verbucht
7 Mrd. Dollar Jahresverlust

China-Geschäft kann Einbruch in Europa nicht kompensieren

Reuters Moskau

Russlands staatlicher Gaskonzern Gazprom, einst das wertvollste Unternehmen des Landes, kämpft mit den Folgen von Kundenabwanderungen in Europa. Die Versuche, die Lücken durch mehr Verkäufe im Heimatmarkt und mit Lieferungen nach China zu schließen, haben nur begrenzten Erfolg. Michal Meidan, Expertin für China beim Oxford Institute for Energy Studies, glaubt nicht, dass die Volksrepublik Europa als hochprofitablen Gasmarkt ablösen kann. „China ist für Russland ein Absatzmarkt, aber mit viel niedrigeren Preisen und Umsätzen als Europa.“ Gazprom könnte daher vor einer langanhaltenden Geschäftsflaute stehen.

Europa, vor allem Deutschland, war über Jahrzehnte der größte Absatzmarkt für Erdgas aus Sibirien und weiteren Regionen Russlands. Dies hat sich seit 2022 mit dem Krieg in der Ukraine verändert. Deutschland mitsamt Gazproms größtem Einzelkunden, dem Uniper-Konzern, verzichtet ganz auf das Pipelinegas aus Russland, andere Länder fuhren ihre Importe zurück. Das eingebrochene Gasgeschäft mit Europa trug dazu bei, dass Gazprom erstmals seit 1999 ein Geschäftsjahr mit Verlust beendete: In der Bilanz von 2023 steht ein Fehlbetrag von 7 Mrd. Dollar.

Neue Pipelines nach China

Russland hat nach Daten von Gazprom und Reuters-Berechnungen im ersten Kriegsjahr 2022 auf verschiedenen Routen noch rund 63,8 Mrd. Kubikmeter Gas nach Europa exportiert. 2023 gingen die Lieferungen um mehr als die Hälfte auf 28,3 Mrd. Kubikmeter zurück. Diese Zahlen sind weit entfernt von Zeiten wie 2018, als Russland in die EU und weitere Länder wie die Türkei insgesamt 200,8 Mrd. Kubikmeter Erdgas pumpte.

Russland hat sich daher China zugewandt. Bis 2030 sollen jährlich 100 Mrd. Kubikmeter Erdgas nach China strömen. Hierzu sollen neue Pipelines beitragen. Allerdings kommen die Planungen zum Teil nur schleppend voran, weil man sich über den Preis und andere Dinge nicht einig wird. Russland werde seine Einnahmen durch neue Röhren etwas ausbauen, sagt Kateryna Filippenko, Gas-Expertin der Analysefirma Wood Mackenzie. „Das alles wird aber niemals ausreichen, um die Einbußen in Europa auszugleichen.“

Rote Zahlen auf absehbare Zeit

Selbst wenn Gazprom alle Pipeline-Projekte realisiert, wären die Umsätze mit China deutlich niedriger als mit Europa: Nach Angaben des in Moskau ansässigen Handelsbüros BCS beliefen sich die Einnahmen von Gazprom aus Gasverkäufen nach Europa im Zeitraum 2015 bis 2019 dank monatlicher Lieferungen von 15,5 Mrd. Kubikmetern auf durchschnittlich 3,3 Mrd. Dollar pro Monat. Die Einnahmen aus den Gaslieferungen nach China liegen nach Reuters-Berechnungen für das gesamte Jahr 2023 eher bei 6,5 Mrd. Dollar – wenn man den vom russischen Wirtschaftsministerium angegebenen Preis von 286,9 Dollar je 1.000 Kubikmeter für die 22,7 Mrd. Kubikmeter Gas anlegt, die Gazprom im vergangenen Jahr an die Volksrepublik geliefert hat. Der Konzern hat seine Einnahmen aus Verkäufen nach Europa oder China für 2023 nicht gesondert ausgewiesen.

Einem Dokument zufolge, das Reuters vergangenen Monat einsehen konnte, erwartet das russische Wirtschaftsministerium, dass der Gaspreis für Exporte nach China in den nächsten vier Jahren kontinuierlich sinkt. In einem Worst-Case-Szenario ist sogar von einem Einbruch im Jahr 2027 um 45% auf 156,7 Dollar pro 1.000 Kubikmeter die Rede. Ein Grund für diese Erwartungen wird in dem Dokument nicht genannt, aber Konkurrenz gibt es von Turkmenistan, das ebenfalls Gas über eine Pipeline nach China liefert, oder von Flüssiggas-Lieferungen.

Alexej Belogorijew vom Institut für Energy und Finanzen in Moskau geht davon aus, dass Gazprom im Gasgeschäft auf absehbare Zeit rote Zahlen schreiben wird. „China wird in den 2030ern wahrscheinlich kaum höhere Importe benötigen, weil die Nachfrage langsamer wächst und China selbst immer mehr Gas produziert.“

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