GE Health hält Abspaltung für große Chance
Von Helmut Kipp, Frankfurt
Mit der angekündigten Aufspaltung entlässt das Industriekonglomerat General Electric (GE) seine Medizintechnik in die Selbständigkeit. Der Zeitplan sieht vor, dass die Sparte Anfang 2023 als eigenständige börsennotierte Gesellschaft agieren wird. Christian Bernhard, der GE Healthcare in Deutschland, Österreich und der Schweiz leitet, sieht den Spin-off als große Chance. „Wir sind sehr glücklich über diese Entscheidung“, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Wir werden agiler und schneller sein.“ GE Healthcare sei profitabel und erwirtschafte viel Cash. „Dieses Geld können wir nun in eigene Forschung, in eigene Investitionen und Akquisitionen stecken.“
Ebenfalls von GE abgespalten werden soll die Energie-Sparte, so dass von der einst gigantischen Industriegruppe ein Luftfahrt- und Rüstungstechnologiekonzern übrig bleibt. Die jetzige Mutter will künftig noch mit 19,9 % der Anteile an GE Healthcare beteiligt bleiben.
Die GE-Sparte baut Computertomografen und Magnetresonanztomografen, Ultraschall- und Röntgengeräte, deckt diagnostische und invasive Kardiologie sowie Intensivbeatmung ab und verkauft Kontrastmittel sowie Healthcare-IT. Das Unternehmen verfügt nach eigenen Angaben weltweit über mehr als 4 Millionen Installationen.
In den ersten drei Quartalen 2021 brachte es GE Healthcare auf 13,1 Mrd. Dollar Umsatz und 14,3 Mrd. Dollar Aufträge, geht aus dem Quartalsbericht zum 30. September hervor. Die Erlöse entfielen je zur Hälfte auf Ausrüstungen und Services. Engpässe bei Zulieferungen haben laut den Angaben des Managements die Verkäufe belastet. Der Neunmonatsgewinn legte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4 % auf 2,2 Mrd. Dollar zu, so dass die Marge 16,8 % erreichte.
Dreikampf in Bildgebung
Als wichtigste Konkurrenten gelten gemeinhin Siemens Healthineers und Philips, doch Bernhard macht geltend, dass die Wettbewerbslandschaft vielfältiger sei: „In der Bildgebung gibt es tatsächlich den Dreikampf zwischen GE, Siemens und Philips. Im Ultraschall sind aber auch zusätzlich Samsung und verschiedene japanische Konzerne tätig. Der Life-Care-Markt ist noch heterogen und fragmentiert, wobei hier Firmen wie Dräger, Löwenstein und Philips ebenfalls eine starke Marktposition haben, und im Digitalgeschäft treffen wir auf die großen Anbieter von Krankenhausinformationssystemen, aber auch auf viele Mittelständler.“
An der Spitze der dezentral organisierten GE Healthcare steht zum Jahresende ein Wechsel an. Dann tritt Peter Arduini, der von Integra Life Sciences kommt und Kieran Murphy ablöst, als CEO und President an. Den Wechsel hatte GE im Juni angekündigt. Anders als sein Vorgänger, der in England saß, wird Arduini von Chicago aus operieren.
Mit seinem Produkt- und Lösungsangebot sei das neue Unternehmen grundsätzlich sehr gut aufgestellt, versichert Bernhard. Ein großes Thema sei die Präzisionsmedizin, also die zielgerichtete, individualisierte Behandlung von Patienten, für die moderne Diagnostikmethoden die Grundlage sind. GE Healthcare verfüge über die gesamte Palette, um sich in der Präzisionsmedizintechnik zu positionieren, sagt Bernhard, der seit mehr als 15 Jahren für GE arbeitet und seit Januar 2021 das Medtechgeschäft im deutschsprachigen Raum leitet.
Den Ultraschallbereich baut GE Healthcare mit dem im September angekündigten Erwerb von BK Medical für 1,45 Mrd. Dollar aus. Die neue Tochter ist auf chirurgische Bildgebung spezialisiert. Ihre Geräte werden bei minimalinvasiven und robotergestützten Operationen, in der Neuro- und Bauchchirurgie und der Ultraschall-Urologie eingesetzt. Mit der Übernahme werde eine Lücke in der Produktpalette geschlossen, betont Bernhard: „BK Medical ist eine sehr wichtige Akquisition. Sie ist der Booster für unser Ultraschallgeschäft.“
„Großartige Aktion“
„Fundamentale Bedeutung“ misst Bernhard der Digitalisierung bei. Dieses Geschäft will der Deutschlandchef deutlich ausbauen, auch durch Übernahmen. Digitalisierung ermögliche Workflow-Verbesserungen, also schnellere und einfachere Prozesse und Abläufe in Krankenhäusern. Zudem könne künstliche Intelligenz (KI) beispielsweise CT-Untersuchungen beschleunigen und Diagnosen präziser machen. „Die KI-Lösungen, die wir implementieren, vereinfachen Prozesse und verkürzen die Scan-Zeiten“, sagt Bernhard.
Ein vor kurzem vorgestellter Computertomograf brauche nur halb so viele Clicks für eine Untersuchung wie bisher, etwa weil eine Kamera den Patienten automatisch in die richtige Position bringe. Auch habe GE Healtcare eine KI-Lösung entwickelt, um die Zahl der Patienten zu reduzieren, die nicht zu einer Untersuchung erscheinen. „KI darf die Dinge nicht verkomplizieren“, betont Bernhard. „Sie muss Prozesse schlanker machen und die Patientensicherheit erhöhen. Dann ist KI auch eine Antwort auf den Mangel an Fachkräften in den Krankenhäusern.“
In Deutschland setzt der GE-Manager große Erwartungen in das vom früheren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn initiierte Krankenhauszukunftsgesetz, das darauf abzielt, mit einem Fördervolumen von 4,3 Mrd. Euro Digitalisierung und technische Ausstattung der Krankenhäuser voranzubringen: „Das ist eine großartige Aktion, für die es definitiv viel Potenzial gibt.“ Derzeit reichen die Kliniken ihre Projekte für das Förderprogramm ein. „Die Umsetzung kommt jetzt in die heiße Phase. Wir rechnen mit spannenden Aufträgen und Projekten in den nächsten beiden Jahren“, sagt Bernhard. GE Healthcare decke zehn der elf förderfähigen Kategorien ab.
In Deutschland sei GE Healthcare Marktführer in Ultraschall und Nummer 3 in der Großbildgebung. Der Konzern beschäftigt hierzulande 1200 Mitarbeiter an fünf Hauptstandorten. Die Profitabilität sei im Vergleich zu anderen Ländern sehr gut, das Umsatzwachstum 2021 liege bei 3 %. „Mit Blick auf Größe und Rendite ist Deutschland ein attraktiver Standort“, versichert Bernhard, ohne nähere Angaben zu Gewinn und Umsatz zu machen.
Für das neue Jahr stellt der Manager moderates Wachstum in allen Geschäftseinheiten in Aussicht. „Die Corona-Pandemie hat die Investitionslücke in den Krankenhäusern klar deutlich gemacht“, sagt er. Von der Digitalisierung verspricht sich Bernhard nicht zuletzt dank des Krankenhauszukunftsgesetzes einen „großen Push“.