Goldman Sachs erwartet mehr US-M&A
Goldman Sachs erwartet mehr US-M&A
Deutsche Unternehmen können durch Akquisitionen jenseits des Atlantiks der heimischen Wachstumsschwäche ausweichen
Neue US-Zölle dämpfen bald zusätzlich das Wachstum in Europa. Deutsche Unternehmen könnten durch Akquisitionen jenseits des Atlantiks der heimischen Wachstumsschwäche ausweichen. Das erwarten die Investmentbanker von Goldman Sachs. Wer in den USA zukauft, muss aber höhere Bewertungen zahlen.
cru Frankfurt
Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt
Die Investmentbanker von Goldman Sachs rechnen mit vermehrten Akquisitionen deutscher Unternehmen in den USA. „Wir erwarten einen Anstieg der transatlantischen M&A-Aktivität“, sagt Tibor Kossa, Co-Head Investment Banking Deutschland und Österreich. „Letztlich ist M&A eine Art von Investition, und das Kapital ist in den USA gut angelegt, weil es dort zurzeit mehr Wirtschaftswachstum gibt.“ Ein Grund dafür seien die geplanten US-Zölle, die das Wachstum in Europa und insbesondere Deutschland zusätzlich schwächen, sowie die geplante Beibehaltung der Steuererleichterungen in den USA, die das dortige Wachstum befeuert.
Ein erstes Beispiel für den erwarteten Trend ist die Übernahme der US-Softwarefirma Altair durch Siemens. Der deutsche Konzern hat für den Zukauf, der die industrielle Automatisierungssparte stärkt, rund 11 Mrd. Dollar ausgegeben. Damit war es der sechstgrößte M&A-Deal mit europäischer Beteiligung in diesem Jahr.
Bewertungsdifferenz zu USA
Gegen solche Zukäufe spricht eigentlich neben dem bei hohen Zinsen starken Dollar auch die höhere Bewertung der US-Unternehmen. Gemessen an der Marktkapitalisierung als Vielfaches des Gewinns muss in den USA mehr für ein Unternehmen bezahlt werden. „Aber diese Kröte schluckt man, um an das höhere Wachstum in den USA heranzukommen“, sagt auch Berthold Müller, Managing Director und Continental European Head of Investment Banking im deutschsprachigen Raum bei der Investmentbank Jefferies.
Dieselbe Erwartung hegt Natalie Daghles, Partnerin und Co-M&A-Leiterin der Kanzlei Noerr: „Deutsche und europäische Unternehmen werden nach dem Regierungswechsel stärker denn je direkt in den USA investieren und Übernahmen ins Visier nehmen. Die geplanten Steuersenkungen und Deregulierungen werden noch mehr Tempo in den US-amerikanischen Transaktionsmarkt bringen.“
Volle Kassen bei Dax-Konzernen
Genug Geld für US-Zukäufe liegt jedenfalls in den Kassen der deutschen Topunternehmen bereit. Die flüssigen Mittel der Dax-Konzerne sind zwar bis Ende September gegenüber dem Vorjahreswert laut Unternehmensberatung EY um 9% gesunken. Sie liegen aber noch immer bei üppigen 145 Mrd. Euro. Besonders reich sind in dieser Hinsicht Volkswagen (26 Mrd. Euro), BMW (14 Mrd. Euro) und Deutsche Telekom (12 Mrd. Euro).
Im Sommer hatten sich in Deutschland einige Transaktionen materialisiert, an denen schon lange gearbeitet wurde wie etwa Covestro, DB Schenker und Techem. Dies passe in das Bild, dass zurzeit viele Prozesse komplexer sind und nach wie vor länger dauern, meint Goldman-Sachs-Banker Kossa. Bei großen Unternehmen zeige sich immer mehr Handlungsdruck, der sich weiter beschleunigen werde - sowohl, was strategische Zukäufe als auch was Bereinigungen in der Unternehmensstruktur betreffe.
Private Equity sucht P-to-P
Was noch hinzukommt, ist die verstärkte Rückkehr der Finanzinvestoren an den M&A-Markt, sagt Christopher Droege, Head of M&A Deutschland und Österreich bei Goldman Sachs. „Die Private-Equity-Firmen haben viel Geld eingesammelt, und die Fonds sind größer geworden“, stellt Droege fest. „Die Limited Partners machen jetzt Druck, dass sie einen Teil ihres Einsatzes zurückgezahlt bekommen wollen.“
In den vergangenen sechs Jahren waren die Zukäufe der Finanzinvestoren jeweils größer als das Volumen ihrer Ausstiege aus Unternehmen. Droege erwartet nun vor allem häufigere Übernahmen börsennotierter Firmen durch Private Equity. In Deutschland hat KKR mit den Milliardärsfamilien Viessmann und Büll den Grünstromproduzenten Encavis für 4,6 Mrd. Dollar erworben. Und die Softwarefirma Nexus aus München geht für 1,3 Mrd. Dollar an TA Associates. Die weltweit größte Public-to-Private-Transaktion in diesem Jahr ist die Übernahme von Grifols durch Brookfield.