Hannover Finanz übernimmt Freeglass von Saint-Gobain
Im Gespräch: Sascha Haghani
Hannover Finanz macht erste Restrukturierungs-Deals
Langjähriger Roland-Berger-Berater spricht im Podcast „Betting Billions“ über die Restrukturierungsstrategie und den bevorstehenden Superzyklus
phh Frankfurt
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Hannover Finanz hat den ersten Deal aus dem neuen Restrukturierungsfonds gemacht. Wie am frühen Montag bekannt wurde, hat der Finanzinvestor den deutschen Automobilzulieferer Freeglass von dem französischen Industriekonzern Saint-Gobain übernommen. Freeglass stellt Kunststoffgläser her und setzt jährlich mit 120 Mitarbeitern rund 20 Mill. Euro um. Zu den Kunden zählen große Automobilhersteller wie Daimler, VW oder Porsche, aber auch Technologieunternehmen wie Samsung.
Bei dem Deal handelt es sich nach Informationen der Börsen-Zeitung aber um keinen harten Restrukturierungsfall. Freeglass soll weder eine Ergebnis-, noch eine Schuldenkrise haben, sondern ein ungeliebtes Kind von Saint-Gobain sein, das im Rahmen einer Portfoliobereinigung keinen Platz mehr im Konzern hat. So haben die Franzosen bei Freeglass künftig weder Unternehmensanteile noch eine Weiterverkaufsbeteiligung.
Hannover Finanz kurz vor zweitem Deal
Darüber hinaus steht das Team um Gerd Sievers und Hermann Reitze kurz vor dem ersten richtigen Restrukturierungsdeal, wie der neue Hannover-Finanz-Geschäftsführer Sascha Haghani bei „Betting Billions“, dem Private-Markets-Podcast der Börsen-Zeitung, andeutet. Details könne er nicht nennen, doch der Fall sei ein Klassiker, wo bei einem Unternehmen eine operative Krise auf eine Schuldenkrise treffe. Hannover Finanz habe im Rahmen der Übernahme sowohl Schulden reduziert als auch das Eigenkapital gestärkt.
Finanziert werden beide Deals aus dem neuen Restrukturierungsfonds von Hannover Finanz. Dessen Zielvolumen liegt bei 100 Mill. Euro. Das erste Closing erwartet Haghani noch im September bei mehr als 65 Mill. Euro. Das Geld stamme von einem halben Dutzend Investoren, deren Vermögen sehr unternehmerisch geprägt seien. Man sei selbst überrascht, wie schnell jetzt alles ging, sagt Haghani im Podcast und warnt: „Wir müssen aufpassen, dass es von den Deals her nicht schneller geht als wir von der Managementkapazität her abbilden können.“
Zweiter Fonds in Planung
Es ergebe bei Restrukturierungsfonds wenig Sinn zu glauben, mit mehr Geld mehr erreichen zu können. Die Mittelbeschaffung hält Haghani nicht für das große Problem. Die entscheidende Frage sei, wie viele Restrukturierungsfälle man gleichzeitig betreuen könne. Schließlich sei die Arbeit viel intensiver als im klassischen Private-Equity-Geschäft. Dennoch sind die 100 Mill. Euro wohl erst der Anfang für Hannover Finanz. „Auf jeden Fall haben wir Pläne für einen zweiten und dritten Fonds“, sagt Haghani.
Auf jeden Fall haben wir Pläne für einen zweiten und dritten Fonds.
Sascha Haghani, Hannover Finanz
Strategisch will Hannover Finanz im Restrukturierungsgeschäft andere Akzente setzen als die traditionellen Turnaround-Investoren. „Ich will 1-Euro-Deals und Mitgiftsituationen nicht ausschließen, aber wir wollen uns schon anders aufstellen“, sagt Haghani. Bei diesen Deals übernimmt ein Investor ein restrukturierungsbedürftiges Unternehmen für den obligatorischen 1 Euro und erhält vom Verkäufer eine finanzielle Mitgift, um die Firma anschließend neu auszurichten. Gelingt die Restrukturierung, partizipiert der alte Eigentümer in der Regel am Weiterverkauf.
Wie sich das Restrukturierungsgeschäft verändert hat
Doch das Restrukturierungsgeschäft hat sich über die Jahre verändert. „Ich bin überzeugt, dass Restrukturierung heute ohne Kapital immer schwieriger wird“, sagt Haghani. Die klassischen operativen Hebel würden häufig nicht mehr dazu ausreichen, die Situation nachhaltig zu stabilisieren. Neben dem Kapital brauche es aber auch vertieftes Restrukturierungswissen, um Geschäftsmodelle umbauen und erweitern zu können. Entscheidend sei zudem ein gutes Netzwerk für CROs, die als Restrukturierungschefs in die Geschäftsführung der Firmen einziehen.
Ich bin überzeugt, dass Restrukturierung heute ohne Kapital immer schwieriger wird.
Sascha Haghani, Hannover Finanz
In seiner Karriere hat Haghani seit 1992 vier mehr oder wenige große Restrukturierungszyklen erlebt. „Das war die Wiedervereinigung, das war die Dotcom-Krise, das war die Finanzkrise und zuletzt die Covid-Krise“, so der Restrukturierungsexperte. Den jetzigen Restrukturierungszyklus beschreibt Haghani als Superzyklus. „Weil wir unsere strukturellen Probleme in Deutschland und Europa nicht so schnell lösen können.“ Betroffen seien in Deutschland so gut wie alle Branchen, doch Haghani hebt im Podcast drei hervor: Automotive, Retail und Maschinenbau. Die Finger lässt er vom Immobilien- und klassischen Finanzsektor.
„Betting Billions“
Der Kapitalbedarf in Deutschland bewege sich im Milliardenbereich. Warum es Haghani nach über 30 Jahren Beratung doch noch auf die Investorenseite zieht, was den Berater Haghani vom Investor Haghani unterscheidet und welche Zielrendite er seinen Investoren mit dem Restrukturierungsfonds verspricht. Das alles und noch mehr, in der neuesten Podcast-Folge von „Betting Billions“.
Betting Billions ist der neue Podcast der Börsen-Zeitung für die Private Markets Community. Hier dreht sich alles rund um die Themen Private Equity, Private Debt, Immobilien, Infrastruktur und Venture Capital. Der Podcast analysiert aktuelle Markttrends und ordnet News ein. Vor allem aber geht der Podcast der einen großen Frage nach: Wohin mit vielen Milliarden an trockenem Pulver, auf dem die Private-Markets-Branche sitzt?
Hannover Finanz übernimmt Freeglass von Saint-Gobain. Es ist der erste Deal für den neuen Restrukturierungsfonds. Ein zweiter dürfte in Kürze folgen, wie Sascha Haghani bei „Betting Billions“ ankündigt. Im neuen Private Markets Podcast der Börsen-Zeitung erklärt Haghani zudem, wie sich das Restrukturierungsgeschäft verändert.