Der Henkel-Konzern hat nach anhaltender Kritik an seinen Aktivitäten in Russland Konsequenzen gezogen. „Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen des Krieges in der Ukraine hat Henkel entschieden, die Geschäfte in Russland aufzugeben“, teilte der Klebstoff- und Konsumgüterkonzern am Dienstag mit. Im größten Land der Erde erwirtschaftete der Persil-Produzent bislang knapp 5% seines Konzernumsatzes – fast 1 Mrd. Euro pro Jahr.

Der Düsseldorfer Dax-Konzern hatte bislang lediglich Investitionen, Werbung und Sponsoring in Russland gestoppt, die Produktion in alle drei Unternehmensbereichen aber weitergeführt. Dafür hatte Henkel auf der Hauptversammlung Anfang April reichlich Kritik einstecken müssen. Aktionärsvertreter hatten vor einem Reputationsproblem gewarnt. Die Haltung im Hinblick auf die Russland-Geschäfte war das Topthema auf der Veranstaltung gewesen.

Henkel-Chef Carsten Knobel hatte auf dem Treffen der Anteilseigner betont, sich weitere Schritte offenzuhalten. Die Entscheidung jetzt kam dem Vernehmen nach durch einen Vorstandsbeschluss mit Zustimmung der Gremien zustande.

In die Entscheidung seien verschiedene Faktoren eingeflossen, sagte ein Unternehmenssprecher und nannte die Entwicklung des Krieges, Einschränkungen durch Sanktionen und Reputationsrisiken. Der Prozess, die Geschäfte einzustellen, werde jetzt gestartet. Henkel werde eng mit seinen Teams in Russland an Details arbeiten, um einen geordneten Ablauf zu gewährleisten, hieß es. Die 2500 Beschäftigten in Russland sollen weiterbeschäftigt und -bezahlt werden.

Die Modalitäten sind derzeit noch unklar. Zur Diskussion stehen wohl ein Verkauf, ein Management-Buy-out oder die Einstellung der Aktivitäten. Auf einen Zeitraum bis zum Abschluss des Prozesses wollte sich Henkel noch nicht festlegen.

Auch die finanziellen Auswirkungen der Aufgabe des Russland-Geschäfts könnten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht näher quantifiziert werden, schrieb Henkel in der Mitteilung.

Henkel produziert in Russland Klebstoffe für Bauhandwerk und Heimwerker sowie Körperpflege und Reinigungsmittel – zum allergrößten Teil für den dortigen Markt. Der Konzern betreibt elf Standorte. Die Aktiva in Russland hatte Finanzvorstand Marco Swoboda auf der Hauptversammlung mit knapp 2% der Bilanzsumme beziffert. Das entspräche rund 650 Mill. Euro.

Bei dem Aktionärstreffen hatte Henkel die Fortführung der Geschäfte noch mit drohenden weitreichenden Konsequenzen, auch für die Beschäftigten, begründet. „In Russland besteht die Gefahr, dass ausländische Unternehmen von der Regierung in Zukunft enteignet werden können. Und ihre lokalen Manager haftbar gemacht werden, wenn sie die Geschäfte einstellen“, hatte Knobel erläutert. Die Profite seien in Anbetracht des schwachen Rubels nicht der Grund.

Der Druck auf Henkel hatte in den vergangenen Tagen noch zugenommen. Andere Markenartikler hatten ebenfalls einen Schlussstrich in Russland gezogen. Prominentestes Beispiel in Deutschland war kurz vor Ostern der Nahrungsmittelhersteller Dr. Oetker. Der Bielefelder Pudding- und Pizzakonzern – wie Henkel ebenfalls ein Konzern mit dominierender Eigentümerfamilie – hatte den vollständigen Rückzug aus Russland bekannt gegeben. Alle Anteile an der russischen Organisation würden an die bisherigen russischen Geschäftsführer veräußert.