M&A

Im Pharmamarkt steigt das Übernahmefieber

Pharma- und Medizintechnikanbieter sind aktiv auf Einkaufstour, auch Finanzinvestoren mischen mit. Aus Sicht von Beratern ein Trend, der nicht so schnell abbrechen wird.

Im Pharmamarkt steigt das Übernahmefieber

swa Frankfurt – Die Anbieter von Pharma- und Medizintechnik mischen sich aktiv ins lebhafte M&A-Geschehen. Die Transaktionen in den Segmenten Pharma und Medizintechnik sind im ersten Semester 2021 in Europa auf sehr hohem Niveau geblieben. Es wurden gut 150 Deals angekündigt, fast genauso viele wie in der zweiten Jahreshälfte 2020, geht aus einer Aufstellung der Beratungsgesellschaft PwC hervor. Der Gesamtwert aller Transaktionen war mit 34 Mrd. Euro im laufenden Turnus indes mehr als doppelt so hoch. Der Fusionsreigen wird nach Einschätzung der Berater nicht so schnell abbrechen. „Wir sind sicher, dass der aktuelle Höhenflug noch mindestens ein Jahr anhalten wird“, prophezeit Michael Burkhart, Leiter Gesundheitswirtschaft und Managing Partner Region Mitte von PwC Deutschland.

Besonders dynamisch zeigte sich zuletzt das M&A-Geschehen in der Medizintechnik mit 68 Transaktionen; Deal-Größen und Multiples sind in dem Marktsegment allerdings niedriger als in Pharma und Medtech. Den größten Erwerb stemmte die irische Jazz Pharmaceuticals, die sich für 7,2 Mrd. Dollar den britischen Rivalen GW Pharmaceuticals einverleibt. GW ist bekannt für das Multiple-Sklerose-Mittel Nabiximole, welches das erste Derivat von Cannabispflanzen war, das in einem Land die Marktzulassung erhielt. Zudem erteilte die US-Gesundheitsbehörde FDA 2018 die Zulassung für ein Epilepsiemittel, das ebenfalls auf Cannabis basiert.

Insgesamt zählen die Berater im ersten Halbjahr 2021 sieben Deals mit einem Transaktionswert von mehr als 1 Mrd. Euro; das sind drei Viertel mehr als im zweiten Halbjahr 2020. Der Appetit war noch größer: „Wir hätten potenziell sogar noch mehr solcher Mega-Deals sehen können. Allerdings stehen dem derzeit noch intensivere Review-Verfahren durch die Kartellbehörden entgegen“, sagt Alexander von Friesen, Partner im Bereich M&A von PwC.

Als attraktiv für Investoren wird insbesondere der europäische Markt für rezeptfreie Gesundheitsmittel (Over the Counter – OTC)  angesehen. „Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Wir erwarten daher ein weiteres Wachstum insbesondere bei Consumer-Healthcare-Produkten“, sagt Burkhart. Denn auch neuen Marktteilnehmern eröffneten sich gute Chancen im Geschäft mit frei verkäuflichen Medikamenten, insbesondere für schnelldrehende Produkte.

Der auf Schuldenabbau zielende japanische Pharmakonzern Takeda hat mit seinem Ausstieg aus dem OTC-Geschäft einige Deals in dem Sektor angestoßen. Auch Glaxo­SmithKline und Johnson & Johnson haben sich von OTC-Sortimenten getrennt. Nicht nur strategische Erwerber schauen sich in dem Geschäft nach Zielen um, auch Finanzinvestoren sind aktiv auf der Suche.  So waren Private-Equity-Häuser als Käufer in drei der zehn größten Übernahmen im OTC-Markt involviert. Größte Transaktion war 2020 der Kauf eines Sortiments von Takeda für 2,3 Mrd. Euro durch Blackstone. Im März 2021 übernahm CVC von Charterhouse Capital Partners für 2 Mrd. Euro den französischen OTC-Hersteller und -Anbieter Cooper Consumer Health.

Auch Fusionen in Spacs sind für europäische Pharmaunternehmen mit Blick auf Börsengänge attraktiv. So ging die Schweizer Biotech-Holding Roivant Sciences im Mai 2021 über eine Zweckgesellschaft an die Nasdaq und wurde mit mehr als 7 Mrd. Dollar bewertet.

Sanofi auf Einkaufstour

Einer der aktivsten Strategen ist Sanofi. Der französische Pharmakonzern hat Mitte 2020 mit dem Ausstieg beim US-Partner Regeneron gut 11 Mrd. Dollar in die Kasse geholt und baut mit dem Erlös das Portfolio auf den Gebieten der Onkologie und Immuntherapie aus. Sanofi zahlte 3,7 Mrd. Dollar für die US-Biopharmafirma Principia, bot 3,2 Mrd. Dollar für den mRNA-Forscher Translate Bio, legte 1,1 Mrd. Dollar für den britischen Antikörperspezialisten Ky­mab auf den Tisch und zuletzt 1,9 Mrd. Dollar für Kadmon, um das Transplantationsgeschäft zu stärken.