Inflationsangst dämpft M&A-Deals
cru Frankfurt
Ob das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen erneut in Schwung kommt, hängt nach Einschätzung der Investmentbanker von Goldman Sachs vor allem von der Inflationsentwicklung ab. „Die Inflation ist derzeit die größte Herausforderung für M&A“, konstatieren Christopher Droege und Tibor Kossa, die beiden Co-Leiter des M&A-Geschäfts in Deutschland. „Die Unsicherheit darüber, wie sich die Inflation weiter entwickelt, sorgt dafür, dass es derzeit auch keine Stabilisierung der Zinserwartung gibt.“
Damit bleibe auf Weiteres für Käufer von Unternehmen unsicher, zu welchen Konditionen sie die Übernahme fremdfinanzieren können. „Wir brauchen eine Stabilisierung der Zinserwartung“, sagte Kossa. „Dann können sich Käufer und Verkäufer auch wieder auf einen Preis einigen, ohne dass das Kalkül des Käufers während der Anbahnung einer Transaktion durch steigende Fremdfinanzierungskosten zerschossen werden kann.“
Tatsächlich hat das schlechte makroökonomische Umfeld das M&A-Volumen schon kräftig gedrückt. In der ersten Hälfte des Jahres schrumpfte die Summe der Fusionen und Übernahmen rund um die Welt gegenüber dem gleichen Zeitraum des Rekordjahres 2021 um 26 % auf 2,3 Bill. Dollar. In Deutschland ging es um 15 % auf 44 Mrd. Dollar abwärts. „Das zweite Halbjahr wird sicherlich schwächer als das erste Halbjahr“, sagte Kossa – eine ungewöhnlich pessimistische Voraussage angesichts des sonst unter Investmentbankern vorherrschenden Zweckoptimismus.
Der global größte Deal in der ersten Jahreshälfte war die Übernahme von Activision Blizzard durch Microsoft für 75,1 Mrd. Dollar. In Europa war es der Kauf des Mautstraßenbetreibers Atlantia durch die Benetton-Familienholding Edizione und Blackstone für 46,4 Mrd. Dollar. Und in Deutschland erreichte der Infrastrukturinvestor Global Infrastructure Partners mit der Übernahme des Waggonvermieters VTG für 5,1 Mrd. Dollar den Spitzenplatz.
Ein Grund für das maue M&A-Geschäft sind die sich eintrübenden Erwartungen für das Wirtschaftswachstum. Die Ökonomen von Goldman Sachs schätzen die Rezessionswahrscheinlichkeit auf 50 %. Ein weiterer Grund sind die sich verschlechternden Finanzierungskonditionen. So haben sich die Schuldzinsen für Anleihen von Unternehmen mit einer Bonitätsnote unterhalb der Investment-Grade-Stufe allein seit April kräftig erhöht. In der schlechtesten Ratingkategorie „CCC“ ging es von gut 8 % auf 14,6 % nach oben.
Dementsprechend knapp und teuer wird auch das Fremdkapital für Übernahmen. Neue Hochzinsanleihen gab es in den letzten Monaten kaum noch. Eine Ausnahme von der Fremdkapitalverknappung gibt es jedoch: „Private-Debt-Fonds haben in den vergangenen Jahren sehr viel Geld eingesammelt, und sie müssen jetzt investieren“, sagt Droege. „Deshalb finden sich auch weiter Direktkredite für die Übernahmen der Finanzinvestoren.“ Der Anteil der Private-Equity-Häuser am gesamten M&A-Volumen hat einen Rekordstand erreicht. In Europa sind es 45 %. Der größte bevorstehende Private-Equity-Deal ist die sich anbahnende Übernahme der Funktürme der Deutschen Telekom für 20 Mrd. Euro durch KKR. Kein Wunder: Die großen Private-Equity-Häuser haben riesige Summen eingesammelt. Allein Advent hat für den jüngsten Fonds 25 Mrd. Dollar erhalten – damit handelt es sich um den zweitgrößten Buy-out-Fonds aller Zeiten.
Ein Teil der riesigen Kapitalzusagen, die die Beteiligungsgesellschaften von ihren institutionellen Investoren erhalten haben, fließt zusehends in die Übernahme börsennotierter Unternehmen. Das Volumen der sogenannten Public-to-Private-Deals lag in Europa 2021 bei 139 Mrd. Dollar. In der ersten Hälfte dieses Jahres sind es schon jetzt 110 Mrd. Dollar. In Deutschland wurden unter anderem die bisher börsennotierte Aareal Bank und der Einkaufszentreninvestor Deutsche Euroshop von Private Equity übernommen. „Wenn die Bewertungen an den Börsen weiter unter denen vergleichbarer nicht börsennotierter Unternehmen bleiben, dann wird es auch noch mehr P-to-P-Deals geben“, glaubt Goldman-Sachs-Mann Kossa.