„Es wird keine steile Erholung in V-Form geben“
Im Interview: Lars von Lackum
„Es wird keine steile Erholung in V-Form geben"
Der Vorstandschef des Wohnimmobilienkonzerns LEG zu Mieterhöhungen, BCP-Übernahme, Bestandsbewertung und Gebäudetyp E
Der CEO von LEG Immobilien, Lars von Lackum, stellt sich auf eine Seitwärtsbewegung des Wohnungsmarkts mit leicht steigenden Transaktionspreisen ein. Die neue Tochter BCP werde voll integriert. Weitere Akquisitionen will LEG nur mit großem Augenmaß machen. Eine Rückkehr in den Neubau ist für den CEO kein Thema.
Herr von Lackum, das neue Jahr hat mit dem Vollzug des im November angekündigten Erwerbs von Brack Capital Properties (BCP) begonnen. Markiert der Deal das Ende der vor zwei Jahren eingeleiteten Konsolidierung?
Nein. Wir erwarten für 2025 eine weitere Stabilisierung des Marktes, jedoch noch keinen starken Aufwärtstrend. Daher ist man gut beraten, beides zu tun, also zu akquirieren und zu verkaufen. Bis September 2024 hat LEG mehr als 3.000 Einheiten für 330 Mill. Euro veräußert. Weitere 3.000 Wohnungen stehen zum Verkauf. Zusätzliche Akquisitionen werden wir nur mit großem Augenmaß machen. Sie stehen unter dem Vorbehalt, dass sie den Gewinn je Aktie, bezogen auf den adjustierten FFO, und den Nettovermögenswert je Aktie, also den NTA, erhöhen. Außerdem darf der Verschuldungsgrad nicht belastet werden, der momentan mit 48,5% über den mittelfristigen Zielwert von 45% hinausgeht. Unser Ziel ist natürlich, den LtV zurückzuführen.
Was sind die nächsten Schritte bei BCP?
Die Aufstockung von bisher 35,5% auf 88,2% ist abgeschlossen. Wir haben 45 Euro je BCP-Aktie gezahlt, was einen Abschlag von 48% auf den NTA bedeutet. Für den Erwerb der restlichen 10,1% des bisherigen Großaktionärs Adler gibt es eine Vereinbarung zur Veräußerung auch dieser Anteile. Jetzt werden die Gremien neu besetzt und die Finanzierung umgebaut. Die beiden BCP-Bonds, die in israelischen Schekel denominiert sind, haben wir gekündigt. Sie werden zurückgezahlt, um das Fremdwährungsrisiko zu beseitigen. Wir haben ja Geschäft nur in Deutschland.
Wir wollen BCP vollständig in die LEG integrieren.
BCP bleibt kein eigenständiger Bondemittent?
Genau. Bondfinanzierungen erfolgen künftig ausschließlich über die LEG Immobilien SE als Muttergesellschaft. Ziel ist, den Streubesitz von BCP über einen Squeeze-out abzufinden und die in Israel notierte Aktie zu delisten. Wir wollen BCP vollständig in die LEG integrieren. Das bedeutet eine große Umstrukturierung, denn die Gesellschaftsstruktur von BCP ist äußerst komplex. Der juristische Sitz befindet sich in den Niederlanden. Darunter hängen 100 Tochterfirmen, die teilweise im Ausland sitzen und als Bestandshalter für deutsche Wohnimmobilien fungieren. All diese Gesellschaften werden nach Deutschland verlagert.
Die Call-Option, die LEG vor zweieinhalb Jahren verfallen ließ, sah einen Preis von 157 Euro je BCP-Aktie vor. Warum zahlen sie jetzt 71% weniger?
Dazu kann ich nur sagen: Wir waren nicht allein in dem Prozess…
Auch Marktführer Vonovia war interessiert.
Wie auch immer. Wir waren der geborene Käufer, weil wir schon einen Minderheitsanteil hatten. Aber hätte ich Ende 2021 gewusst, wie schnell die Zinsen 2022 steigen, hätten wir damals auf den Erwerb des ersten BCP-Pakets verzichtet. Entscheidend war jetzt das Thema Geschwindigkeit. Wir haben die Transaktion in vier Wochen festgezurrt. Das geht nur, wenn man das Zielobjekt kennt. Nachdem Adler ihre Anleihen erfolgreich restrukturiert und die testierten Jahresabschlüsse für 2022 und 2023 veröffentlicht hat, sind wir Anfang Oktober auf den Mehrheitsaktionär zugegangen.
Fällt Grunderwerbsteuer an, wenn die Beteiligung an BCP auf 100% steigt?
In begrenztem Umfang. Wir gehen von 3 bis 4 Mill. Euro aus. In den meisten Untergesellschaften gibt es Minderheitsgesellschafter, so dass hier keine Belastung mit Grunderwerbsteuer entsteht.
Das Portfolio wächst mit BCP um 9.100 Wohnungen, aber nur die Hälfte davon befindet sich im LEG-Kernland Nordrhein-Westfalen. Einige Bestände liegen sogar in Ostdeutschland. Wie groß ist der Bereinigungsbedarf?
Jedes Jahr im Herbst überprüfen wir das Portfolio. Das gilt auch für die jetzt erworbenen Wohnungen. Sie enthalten Einheiten, die nicht zu uns passen, weil wir in der Gegend sonst nichts haben. Die werden verkauft, denn Bewirtschaftungseffizienz ist ein hohes Gut. Von besonderer strategischer Bedeutung waren die 800 Wohnungen in Leipzig, denn das ist ein starker Markt. Die Stadt hat sich toll entwickelt. Grundsätzlich brauchen wir rund 1.000 Einheiten an einem Standort, dann kann man diesen effizient verwalten.
Genauer bitte: Wie viele Wohnungen stehen nach jetziger Einschätzung zur Disposition?
Das kann ich noch nicht sagen. Zunächst werden die 3.000 Wohnungen aus dem Altbestand verkauft. Dann schauen wir uns die BCP-Einheiten en détail an. Bei einigen Beständen liegt die Vermutung nahe, dass sie abgestoßen werden. Doch selbst dann ist es wichtig, vorher mit den Objektbetreuern vor Ort zu reden. Diese Zeit wollen wir uns nehmen. Denn manchmal funktionieren Bestände in sich so gut, dass es unsinnig wäre, sie zu veräußern.
Projektentwicklung ist ein ganz anderes Geschäft als Bestandshaltung.
Was passiert mit den Immobilienprojekten?
Das BCP-Grundstück in Düsseldorf-Grafenberg wird definitiv verkauft. Für Düsseldorf-Gerresheim gibt es verschiedene Optionen. Das ist das größte verbliebene Baugrundstück in Düsseldorf. Es geht um 193.000 Quadratmeter, da kann man 1.500 oder mehr Wohnungen bauen. Eventuell bleiben wir beteiligt, eventuell verkaufen wir komplett. Die Projektentwicklung selbst werden wir auf jeden Fall anderen überlassen.
Eine Rückkehr ins Projektgeschäft ist also kein Thema – trotz des immensen Bedarfs an neuen Wohnungen?
Projektentwicklung ist ein ganz anderes Geschäft als Bestandshaltung. Dafür braucht man Menschen mit anderen Fähigkeiten und anderem Mindset. Daher bezweifle ich, dass ein Wohnbestandshalter parallel der beste Eigentümer für Immobilienprojekte ist, auch wenn er günstige Finanzierungen beschaffen kann. Wir haben die Projektentwicklung im Herbst 2022 nach dem starken Zinsanstieg eingestellt. Im Augenblick ist es de facto unmöglich, durch Neubau mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Unsere monatlichen Kaltmieten liegen derzeit im Schnitt bei 6,78 Euro je Quadratmeter, aber für einen Neubau braucht man mehr als 20 Euro. Ein Mieter, der das bezahlt, hat ganz andere Anforderungen an den Service als jemand mit weniger als 7 Euro Miete je Quadratmeter. Den anzubieten würde zu enormen Komplexitätskosten führen. Das können wir nicht leisten.
Kann ein so großer Wohnungseigentümer wie LEG es durchhalten, nicht in Neubau zu investieren? Der öffentliche Druck durch die Wohnungsnot in Großstädten ist doch riesig.
Wenn die Renditen es hergeben, werden wir uns dem Neubau nicht verschließen. Das ist momentan nicht der Fall. Bestandsimmobilien sind attraktiver. Projektentwicklungen bergen hohe Risiken. Man erhält derzeit in der Regel keine risikoadäquate Rendite, selbst wenn man 20 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete nimmt. Es sei denn, man senkt die Baukosten.
Schön gelabelt, gut vermarktet, nur keine Problemlösung.
Das passiert gerade mit dem Gebäudetyp E.
Hat das die Ministerin gesagt (lacht)? Das Einsparpotenzial durch den Gebäudetyp E ist viel geringer als behauptet. Es beträgt nur 5 bis 10%. Das ändert die Renditekalkulation nur unwesentlich. Also: schön gelabelt, gut vermarktet, nur keine Problemlösung.
Vonovia sagt, der Gebäudetyp E sei so günstig, dass man wieder in den Neubau einsteigen wolle.
Es gibt einen großen Unterschied zu uns. Unser Wettbewerber ist nicht nur Bestandshalter, sondern mit Buwog und Quarterback auch der größte deutsche Projektentwickler mit entsprechend großer Expertise. Wer diese Kapazitäten hat, muss irgendwann bauen, weil die Städte Druck machen. Er kann Baugenehmigungen nicht jahrelang in der Schublade lassen. Wir hingegen haben kein Knowhow in der Projektentwicklung mehr.
Für Mieter wird es also immer schwerer eine bezahlbare Wohnung zu finden?
Die Knappheit wird sich zweifelsohne weiter verschärfen. Man sollte aber vorsichtig sein mit der Terminologie. Wohnungsnot gab es in den fünfziger Jahren, als ein Großteil des deutschen Bestands durch den Krieg zerstört war und Millionen Menschen aus den Ostgebieten zuzogen. Im Augenblick haben wir Wohnungsknappheit in einigen Märkten. Aber in Wilhelmshaven oder Gelsenkirchen hat die LEG freie Wohnungen. Trotzdem kriegt man niemanden dazu, trotz guter Nahverkehrsanbindungen von Gelsenkirchen nach Düsseldorf zu pendeln. Das zeigt: Der Preis für Wohnraum in Düsseldorf spiegelt die Knappheit nicht ausreichend wider. Düsseldorf müsste teurer sein, damit Menschen darüber nachdenken, in Gelsenkirchen zu mieten.
Künftig können sie die Miete in Neuverträgen kräftiger erhöhen, da das Bundesgesetz für die Mietpreisbremse ausläuft.
Die Mehrheitsverhältnisse nach der Bundestagswahl im Februar werden unserer Einschätzung nach so sein, dass sich an der Mietregulatorik wohl leider wenig positives ändert. Das ist unser Basisszenario. Ich gehe fest davon aus, dass die Mietpreisbremse doch noch verlängert wird. Finde ich das richtig? Nein. Die Verlängerung beseitigt keine Knappheit.
Wie viele Wohnungen der LEG fallen unter die Mietpreisbremse?
Aktuell befinden sich etwa 25.000 unserer 167.000 Wohnungen in angespannten Märkten, die dieser Regulierung unterliegen. Wichtiger als die Mietpreisbremse ist allerdings die Kappungsgrenze, die Mieterhöhungen im Bestand auf 20% und in Kommunen mit einem angespannten Wohnungsmarkt auf 15% über drei Jahre begrenzt.
Wird die Mietprognose erhöht, falls die Preisbremse doch wegfällt?
Das haben wir nicht simuliert. Ohnehin läuft die Mietpreisbremse mancherorts noch bis Ende 2025. Unsere Prognose für die Mieterhöhung im laufenden Jahr bleibt bei 3,4 bis 3,6% nach 3,2 bis 3,4% im Jahr zuvor. Im frei finanzierten Bereich werden die Mieten damit um etwa 4% steigen, während die Kostenmieten im geförderten Wohnraum, der 19% des Bestands ausmacht, konstant bleiben.
Die neue Regierung wäre gut beraten, die Prioritäten richtig zu setzen.
Welche Erwartungen haben Sie sonst an die künftige Bundesregierung?
Die neue Regierung wäre gut beraten, die Prioritäten richtig zu setzen. An erster Stelle steht die äußere Sicherheit, also die Wehrfähigkeit, dann die Migration, die vielen Menschen Sorge bereitet, weil sie als Bedrohung am Arbeits- und Wohnungsmarkt gesehen wird. Das dritte ist die Stabilisierung der Wirtschaft. Dazu brauchen wir bezahlbare Energiepreise. Das bedeutet ausreichende Erzeugungskapazitäten und Netzausbau.
Und mit Blick auf den Neubau?
Was nie zur Lösung führen wird, ist: Wir ändern das Bundesbaugesetzbuch und gehen davon aus, dass die Stadtverordneten einer Kommune eine Baugenehmigung erteilen, die so ausgestaltet ist, dass die LEG wieder baut. So funktioniert das nicht. Die Entscheidungen fallen auf lokaler Ebene. Da diskutiert man über Stellplatzschlüssel, Grünflächen, den Bau von Schulen und Kindergärten und gerne den Erhalt der Flatterulme. Das macht Projekte in der Regel prohibitiv teuer.
Den Kapitalmarkt hat LEG unlängst mit einer 700 Mill. Euro schweren Wandelanleihe angezapft. Wofür wird das Geld gebraucht?
Für die Refinanzierung der alten Wandelanleihe über 400 Mill. Euro, die am 1. September 2025 ausläuft, und für die Rückzahlung gedeckter Finanzierungen. Die Investorennachfrage war wahnsinnig hoch, der Wandler war in kurzer Zeit fünffach überzeichnet. Daher haben wir auch die ursprünglich auf 500 Mill. Euro angelegte Wandelanleihe um 200 Mill. Euro aufgestockt.
Wie beurteilen Sie den Bondmarkt insgesamt?
Sehr gut. Viele Investoren haben signalisiert, dass sie bei einer Bondemission gern kaufen würden. Dementsprechend haben wir gerade am Montag letzter Woche eine zehnjährige Anleihe im Volumen von 300 Mill. Euro platziert. Der Coupon liegt bei 3,875 % und auch hier war die Anleihe mehrfach überzeichnet.
Was hat die Bewertungsrunde zum Jahresende ergeben? Hat sich die Prognose einer stabilen bis leicht um 0,5% steigenden Bestandsbewertung im zweiten Halbjahr 2024 bestätigt?
Die erwartete schwarze Null scheint sich zu erhärten. Das zeigen die Diskussionen mit den Gutachtern.
Nach zwei Jahren auf der dunklen Seite hellt sich der Markt allmählich auf.
Wie fällt der Blick auf 2025 aus?
Es wird keine steile Erholung in V-Form geben. Wir erwarten eine U-förmige Entwicklung, also eine Seitwärtsbewegung. Nun gibt es je nach Schriftart unterschiedlich U-Formen. Welche zum Tragen kommt, wie lange also die Seitwärtsphase dauert, hängt vor allem von der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank ab und damit auch von den Zöllen des neuen US-Präsidenten Donald Trump.
Könnten die Transaktionspreise auch noch mal sinken?
Das halte ich für unwahrscheinlich. Dafür ist die Mietdynamik zu stark. Wir rechnen eher mit leicht steigenden Wohnimmobilienpreisen. Das bestätigen die eigenen Verkaufspreise, die kontinuierlich leicht über den jeweiligen Buchwerten liegen. Nach zwei Jahren auf der dunklen Seite hellt sich der Markt allmählich auf. Wohnen ist ein extrem stabiles Produkt und ein knappes Gut, das tendenziell teurer wird und als Anlageklasse an Attraktivität gewinnt.
Was heißt das für die Finanz- und Kapitallenkung? Angesichts der Branchenkrise hat LEG vor zwei Jahren auf die cashflow-orientierte Kennzahl AFFO umgestellt. Kommt nun die Rolle rückwärts?
Für 2025 haben wir uns auf den AFFO festgelegt. Wenn das U deutlich in die Aufwärtsphase übergeht, werden wir zum FFO als Steuerungsgröße zurückkehren. Das hatten wir dem Markt bereits bei der Einführung der Kennzahl im Herbst 2022 so angekündigt. Bis dahin werden wir bei unserer cash-orientierten Unternehmenssteuerung bleiben.
Die Transaktionsvolumina sind trotz Preisstabilisierung noch immer erstaunlich gering. Woran liegt das?
Das internationale Kapital ist noch nicht in alter Höhe zurückgekehrt. Private Equity hat erneut den optimalen Zeitpunkt für den Einstieg in deutsche Wohnimmobilien verpasst. Diese Adressen haben stark auf strukturierte Finanzierungen gesetzt statt auf Direktinvestitionen. Das lohnt sich jetzt nicht mehr. Investoren mit langfristigem Geld wie US- und kanadische Pensionsfonds und die Staatsfonds aus Asien brauchen lokale Partner. Sie sind derzeit noch in der Findungsphase. Wir selbst haben 2023 Immobilien für 150 Mill. Euro verkauft. Nach neun Monaten 2024 war es mehr als doppelt so viel. Das zeigt: Am Transaktionsmarkt geht wieder was.
Das Interview führte Helmut Kipp.