IPO-Jahrgang 2020 in der Rückschau
Von Annette Becker, Köln
2021 wird für Deutschland aller Voraussicht nach einer der besten IPO-Jahrgänge seit langem werden. Allein im ersten Halbjahr verlängerten hierzulande 14 Unternehmen den Kurszettel, eingesammelt wurden dabei 8,8 Mrd. Euro – es war das stärkste erste Halbjahr seit dem Dotcom-Boom 2000. Das verwundert insofern nicht, als das Coronajahr 2020 hierzulande das schlechteste IPO-Jahr seit 2009 war mit nur sieben Unternehmen, die den Gang aufs Parkett wagten. Siemens Energy ist hierbei nicht berücksichtigt, legte die Mutter Siemens den Aktionären doch lediglich Aktien von Siemens Energy ins Depot, sprich es mussten für den Handelsstart keine neuen Investoren gewonnen werden.
Pandemiebedingt legten 2020 viele Firmen ihre Pläne für den Börsengang auf Eis. Daher stellt sich die Frage, was die Firmen antrieb, die Börsenpläne trotz des widrigen Umfelds durchzuziehen, und ob sich das für Investoren und Unternehmen auszahlte. Ein Erfolgsrezept gibt es nicht, unabhängig davon, ob die Altaktionäre nur Kasse machten oder Unternehmen Geld zufloss.
Den Eisbrecher gab 2020 der Datenbankanbieter Exasol, der das Scale-Segment im Frankfurter Freiverkehr anstrebte. Wenngleich die Pandemie dafür sorgte, dass der ursprünglich für das erste Quartal geplante Börsengang in den Mai verschoben werden musste, flutschte es dann zumindest. Der Preis wurde in der Mitte der Bookbuilding-Spanne festgelegt, und dank großer Nachfrage konnte die Zeichnungsfrist sogar um vier Tage verkürzt werden. Wenngleich die anfängliche Euphorie recht schnell verpuffte, behauptet sich die Aktie bis heute über dem Emissionspreis. Mehr als die Hälfte des Emissionserlöses floss dem Unternehmen zur Wachstumsfinanzierung zu.
Pharma SGP mit Kursverlusten
Nicht ganz so erfolgreich verlief der Börsengang des Medikamentenherstellers Pharma SGP, der einen Monat nach Exasol aufs Parkett strebte. Nicht nur, dass der Ausgabekurs am unteren Rand der Preisspanne festgezurrt werden musste, Abstriche galt es auch beim Emissionsvolumen vorzunehmen, das mal eben halbiert wurde. Dem Unternehmen konnte es letztlich egal sein, diente der Börsengang ohnehin nur dem Rückzug der beiden Altaktionäre und Gründer, die weiterhin knapp 80% der Anteile halten. Mit 22 Euro notiert die Aktie heute um 30% unter dem Ausgabepreis.
Auch der Börsengang der Beteiligungsholding Brockhaus Capital Management (BCM) war aus Investorensicht kein Glanzstück, notiert die Aktie aktuell doch um mehr als ein Viertel unter dem Emissionspreis. Das Material zum Börsengang stammte ausschließlich aus einer Kapitalerhöhung. Mit dem Erlös sollten weitere Tech-Champions aus dem Mittelstand akquiriert werden. Eine erste Akquisition wurde allerdings erst im Juni 2021 verkündet, zu deren Finanzierung eine weitere Kapitalerhöhung angekündigt ist.
Den pandemiebedingten Nachfrageboom nach Wohnmobilen wollte sich Knaus Tabbert zunutze machen. Doch das IPO, im Zuge dessen sich vornehmlich der Finanzinvestor HTP Investments zurückziehen wollte, verlief recht holprig. Der Ausgabepreis wurde am unteren Ende der Spanne festgezurrt, und dennoch musste das Volumen eingedampft werden. Heute notiert die Aktie allerdings um fast ein Fünftel über dem Ausgabepreis.
Enttäuschung für KKR
Von den Börsenturbulenzen im September 2020 wurde auch die auf Rüstungselektronik spezialisierte Hensoldt in Mitleidenschaft gezogen. Mit 12 Euro wurde der Ausgabepreis am unteren Ende der Spanne festgezurrt. Insbesondere für den Finanzinvestor KKR war das Debüt enttäuschend, wenngleich das Gros des Emissionserlöses dem Unternehmen zum Schuldenabbau zufloss. Inzwischen hat der Bund seine vor dem IPO zugesicherte Sperrminorität erworben, weitere 25,1% aus dem Besitz von KKR gehen demnächst an den italienischen Rüstungskonzern Leonardo. Der aus Investorensicht erfolgreichste Börsengang gelang dem Ladesäulenanbieter Compleo Charging Solutions. Wer die Aktie im Oktober 2020 zum Ausgabekurs von 49 Euro erwarb, darf sich heute über mehr als eine Kursverdoppelung freuen. Mehr als die Hälfte des Erlöses floss dem Unternehmen zu. Im März wurde der Wettbewerber Wallbe übernommen. Zur Finanzierung wurde dabei auch auf eine kleine Kapitalerhöhung zurückgegriffen.
Fashionette unter Wasser
Die Rechnung, vom pandemiebedingten Boom im E-Commerce zu profitieren, ging bei Fashionette, dem Onlinehändler von Luxustaschen, nicht so recht auf. Zu 31 Euro ausgegeben, hat die im Scale-Segment notierte Aktie inzwischen ein Drittel an Wert eingebüßt. Zwei Drittel des Materials stammten von Genui, einer Investmentfirma aus Hamburg, zu deren Portfolio auch der Börsenaspirant Mymuesli gehört.