„ISSB wird den Weg in die Gesetzgebung finden“
Von Detlef Fechtner, Frankfurt
Der Vorsitzende des neuen, internationalen Nachhaltigkeits-Standardsetzers ISSB, Emmanuel Faber, ist überzeugt, dass sich die in den nächsten Monaten und Jahren vom International Sustainability Standards Board entwickelten Standards an den Märkten etablieren werden. „Es stimmt, dass wir kein ausdrückliches politisches Mandat haben“, sagt der Franzose im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Aber wir sind zuversichtlich, dass die ISSB-Standards angenommen werden.“
Faber kann sich zwei Wege der Übernahme vorstellen. „Auf der einen Seite wird es eine Marktübernahme geben.“ Der Climate Disclosure Standards Board, der CDSB, der bereits vom ISSB konsolidiert worden ist, und auch die Value Reporting Foundation, die gerade konsolidiert werde, haben Faber zufolge gezeigt, dass sie über marktbewährte Instrumente für Investoren und Unternehmen in Bezug auf nachhaltige Standards und Offenlegungen verfügen. Dies werde durch die Tatsache verstärkt, dass der ISSB eine globale Reichweite habe. „Daher glaube ich, dass immer mehr Unternehmen und Investoren bereit sein werden, unsere Standards zu übernehmen.“
„Auf der anderen Seite werden wir uns auf das stützen, was den Erfolg der IFRS-Stiftung und des IASB seit zwei Jahrzehnten ausmacht: ein völlig unabhängiger Vorstand, der von den Treuhändern der Stiftung geleitet wird“, erklärt Faber. Die Treuhänder der Stiftung würden durch den Kontrollausschuss, in dem unter anderem die internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) vertreten ist, öffentlich rechenschaftspflichtig. „Wenn wir Standards annehmen, werden sie in der Regel von der IOSCO gebilligt“, sagt der Franzose und argumentiert, dass durch die Billigung der IOSCO die Mitgliedsländer dann die Standards übernehmen. „Der ISSB wird also den Weg in die Gesetzgebung finden“, so sein Fazit.
Vorbild IFRS
Faber verweist auf die seit Jahren genutzten internationalen Rechnungslegungsstandards: „Schauen Sie sich die IFRS an und die Art und Weise, wie sie sich über zwei Jahrzehnte hinweg entwickelt haben: Es gibt jetzt mehr als 140 Länder, die die IASB-Standards anwenden.“ Die Dynamik sei also in der Rechnungslegung vorhanden – und es gebe keinen Grund, warum es sie nicht auch bei der Nachhaltigkeit geben sollte. Zum Standardentwurf des ISSB zu klimabezogenen Angaben (ED/2022/S2) sind nach Ablauf der Konsultationsfrist inzwischen fast 450 Stellungnahmen veröffentlicht worden. Aufmerksamkeit ist also vorhanden.
Als Aufgabe des ISSB sieht der Vorsitzende zugleich, eine Plattform zum Austausch für alle regionalen Organisationen weltweit zu sein, die sich mit Fragen der Rechnungslegung und Nachhaltigkeit befassen, wie Efrag in der EU oder JSSB in Japan. Diese Organisationen konferieren bereits in einer Arbeitsgruppe über die Fragen, die alle betreffen.
Laut Faber gibt es unter den Finanzmarkt- und Regulierungsbehörden weltweit eine starke Unterstützung für die grundsätzliche Idee einer „global baseline“. Schließlich wüssten alle: „Wir brauchen eine gemeinsame Sprache.“ Zudem erkennt Faber einen Konsens darüber, dass das Rahmenwerk der Task Force on Climate Related Financial Disclosures (TCFD) ein grundlegender Rahmen ist, der bereits von den Märkten getestet und von der G20 und dem Financial Stability Board (FSB) unterstützt wird.
Was den Aufbau der eigenen Organisation angeht, berichtet der ISSB-Vorsitzende, dass vor wenigen Tagen die erste Vorstandssitzung in der Hauptgeschäftsstelle in Frankfurt abgehalten wurde. Im dritten Quartal werde der ISSB mit seinen 14 hauptamtlichen Vorstandsmitgliedern ausgestattet sein. Sie arbeiteten mit einem technischen Stab zusammen, der sich aus früher bestehenden Organisationen zusammensetzt. Das bedeutet, dass „wir jetzt ein funktionierendes technisches Team haben, das unserem Auftrag dient.“ Die Finanzierung sei gesichert.
Entscheidungshilfe
Abschließend fasst Faber noch einmal die Zielsetzung seines Hauses zusammen. „Ich denke, der Aufgabenbereich des ISSB ist die Nachhaltigkeit als Ganzes.“ Alle wichtigen nachhaltigkeitsbezogenen Informationen innerhalb eines Unternehmens und seines Ökosystems müssten berücksichtigt werden. Die Frage sei: Verändert eine Nachhaltigkeitsinformation die Art und Weise, wie Investoren, Kapitalgeber, Banker und Anleihegläubiger ihre Entscheidungen über die Kapitalallokation treffen würden?