Kapazitätsausbau und stärkere Vernetzung
Von Martin Dunzendorfer,
Frankfurt
Die Gruppe Deutsche Post DHL und andere Logistikdienstleister surfen seit Jahren vor allem dank des E-Commerce-Booms auf einer Erfolgswelle. Aufgrund der sich verstärkenden Konjunkturflaute flacht sich diese zwar ab, rollt aber nach wie vor. Dies wird wegen der wohl bevorstehenden Rezession und Warnungen von einem Ende des Logistikbooms häufig vergessen. Doch für einen Abgesang auf die Branche dürfte es zu früh sein. Es bedarf schon einer ernsten Wirtschaftskrise, um die Zahlen der Logistiker so tief in den Keller zu schicken, wie nach den jüngsten Kurseinbrüchen bereits eingepreist ist. Außer Acht gelassen wird, dass am strukturellen Wachstum von E-Commerce und damit auch der Logistik – jenseits kurzzeitiger ökonomischer Abschwünge – kaum ein Zweifel besteht.
Noch vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine und all den sich daraus entwickelnden negativen Folgen für weite Teile der Weltwirtschaft hatte die Deutsche Post auf die Euphoriebremse getreten, indem sie für das laufende Jahr eine „Normalisierung“ der Wachstumsraten voraussagte. Gleichzeitig wurde betont, dass es keinen Rückgang auf die Niveaus von 2019 geben wird – dem Jahr vor der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus.
Sonderkonjunktur läuft aus
Natürlich war die Pandemie eine Sondersituation, die dem ohnehin stark wachsenden Online-Handel einen Extraschub gab. Die Deutsche Post profitierte vom starken Anstieg privater Bestellungen im Internet, denn die Pakete mit den Waren mussten ja vom Anbieter zum Käufer transportiert werden. Daher gehörte das Segment Pakete im Geschäftsbereich Post&Paket Deutschland – der Nukleus der Gruppe – zu den größten Profiteuren im Konzern (siehe Grafik). Neben den Geschäften zwischen Unternehmen und Privatpersonen (B2C) sorgten auch steigende Aufträge von Unternehmen, die mit anderen Unternehmen Geschäfte machen (B2B), für starkes Wachstum sowie enorme Ergebnissteigerungen. Zwei der vier DHL-Divisionen im Konzern – Express und E-Commerce Solutions – konnten daraus besonderen Nutzen ziehen. Bei Express geht es um die Beförderung von eiligen Dokumenten und Waren, E-Commerce Solutions beinhaltet das Paketgeschäft „auf der letzten Meile“ im Ausland.
In der ersten Phase der Pandemie mit sehr dynamischem E-Commerce-Wachstum waren Anpassungen in der Organisation notwendig, die mit teils erheblichen Kosten verbunden waren, etwa im Flugnetzwerk. Die Sparte Express unterhält inzwischen eine Flugzeugflotte mit über 260 großen Frachtmaschinen. Für Sendungen zu Destinationen, wohin ein dedizierter Netzwerkflug für DHL nicht lohnt – etwa in Afrika –, wurden sonst Laderäume von Passagiermaschinen genutzt. Doch diese waren 2020 zu einem Großteil über Monate stillgelegt. So musste DHL mehr Strecken selbst bedienen. Gleichzeitig gab es große Verzerrungen in der Nachfrage, was ebenfalls Mehrkosten verursachte. Andererseits wurde auf diesen zusätzlichen Routen ein Teil der verbleibenden Kapazität verkauft, und von den Kunden wurde generell eine Zusatzgebühr verlangt.
Im zweiten Quartal dieses Jahres lag das Volumen zeitkritischer Sendungen der Express-Sparte im Inland um 12% und im Ausland um 16% über dem Stand von Ende 2019. Die Spitzenwerte lagen Mitte vorigen Jahres bei 24% bzw. 20% (siehe Grafik). Die Mengen gehen also zurück, liegen aber noch deutlich über den Vor-Pandemie-Niveaus.
Um dem künftigen Ordervolumen in der Express-Sparte gerecht zu werden, wurden u.a. zwei Investitionsprogramme initiiert: 750 Mill. Euro für den asiatisch-pazifischen Raum und 360 Mill. Dollar für den amerikanischen Kontinent. Des Weiteren wurden für einen Neubau am Flughafen München 104 Mill. Euro budgetiert; damit wird der Standort fast siebenmal größer als vorher. Außerdem wurde die Partnerschaft mit Singapore Airlines ausgebaut; im Rahmen eines CM-Vertrags (Crew & Maintenance) wird Express fünf Boeing-777-Frachtflugzeuge in Betrieb nehmen, für die Singapore Airlines Besatzung und Wartung stellt. Die Express-Flotte umfasst nun 17 eigene 777F, weitere elf Stück der „größten, reichweitenstärksten und leistungsfähigsten zweistrahligen Frachtflugzeuge der Welt“ sollen in den nächsten zwei Jahren folgen. Zusätzlich hat die Sparte 18 Maschinen des gleichen Typs geleast, um über ausreichend Kapazitäten zu verfügen.
Im relativ jungen Geschäftsbereich E-Commerce Solutions wurden im zweiten Quartal dieses Jahres 48% mehr umgesetzt als Ende 2019 bei einem Volumenanstieg von 40% in der gleichen Zeit. Der wachsenden Nachfrage begegnet die Sparte mit einem Netzwerkausbau. So werden 560 Mill. Euro in das britische E-Commerce-Geschäft (DHL Parcel UK) investiert.
Im Paket-Segment der Sparte Post &Paket Deutschland ist das Volumen seit dem Hoch im dritten Quartal 2021 von plus 31% gegenüber Ende 2019 auf plus 19% im zweiten Quartal dieses Jahres gesunken. Dennoch wird auch hier kräftig investiert, so dass sich die Kapazität für die Bearbeitung von warentragenden Sendungen in den Brief- und Paketzentren im Vergleich zu 2019 um 22% erhöht hat. Und es geht weiter: Für den Einbau neuer Sortiermaschinen in neun Paketzentren bis 2023 sind 250 Mill. Euro verplant. Zudem wird in Ostdeutschland ein erstes Mega-Paketzentrum gebaut – „eine Investition im niedrigen dreistelligen Millionenbereich“ – und ein Paketzentrum in Aschheim erweitert.
10 Zentimeter als Grenze
Es werden immer weniger Briefe verschickt, dafür umso mehr Pakete, Päckchen und Warenpostsendungen. Um die steigenden Sendungsmengen effektiver automatisiert bearbeiten zu können, baut die Post derzeit in Göppingen einen weiteren Multiformatsorter auf. Die Anlage sortiert kleinformatige Paketsendungen (z.B. Bücher, kleinere Ersatzteile, Handyhüllen etc.), die dank dieser Innovation nun im Briefnetz bearbeitet und zugestellt werden können. Der Einbau weiterer Sortiermaschinen in den Briefzentren ist vorgesehen. Der Multiformatsorter bearbeitet pro Stunde bis zu 10000 warentragende Sendungen mit einer Dicke von maximal zehn Zentimetern und einem Gewicht bis zu zwei Kilogramm. Das ist die Grenze für eine Zustellung, die entweder der klassische Briefträger (Post&Paket Deutschland) oder – bei mehr als zehn Zentimetern Dicke – der DHL-Bote übernimmt.
Aufgrund des wachsenden Paket- und sinkenden Briefaufkommens nimmt bei der Post die Zahl der reinen Briefzusteller ab, während die Zahl der Verbundzusteller, die auch Pakete ausliefern, steigt. Von deutschlandweit rund 118600 Zustellern sind nach Angaben der Post inzwischen etwa 96100 in der Verbundzustellung tätig.
Die Zustellung der Pakete, Wurfsendungen und Briefe erfolgt dabei hauptsächlich über Elektrofahrzeuge: In Deutschland nutzt die Post mehr als 21000 E-Autos, so dass eine CO2-freie Zustellung in mehr als 50% der insgesamt rund 55000 Zustellbezirke erfolgt. Bis 2025 soll der Anteil auf 70% steigen.
Natürlich geht es auch eine Nummer kleiner: Viele Zusteller sind mit einem mit Elektromotor ausgestatteten gelben Zwei- oder Dreirad (E-Bikes und -Trikes) unterwegs.
Zuletzt erschienen:
Gegen CO2 und Fahrermangel (27.9.)