KI-Modell DeepSeek weckt Sorge um US-Dominanz im Tech-Sektor
Das chinesische KI-Startup DeepSeek hat am Montag zu Verwerfungen bei Technologieaktien geführt. Die Qualität seines neuen Modells auf Basis simulierter Überlegungen und dessen niedrige Entwicklungskosten wecken Zweifel daran, dass die überaus hohen Bewertungen von Wettbewerbern gerechtfertigt sind - und damit auch bei Ausrüstern wie Nvidia.
Das neue Modell DeepSeek R1 ist deutlich kostengünstiger und läuft auch auf Chips mit geringerer Kapazität, was die Dominanz der USA im Technologiebereich in Frage stellen könnte. In den App-Store-Rankings von Apple ist das KI-Modell, das letzte Woche auf den Markt kam, an die Spitze vorgedrungen.
„DeepSeek zeigt, dass es möglich ist, leistungsstarke KI-Modelle zu entwickeln, die weniger kosten“, sagt Vey-Sern Ling, Managing Director bei Union Bancaire Privee. „Das kann das Investmentszenario für die gesamte KI-Lieferkette, die von hohen Ausgaben einer kleinen Handvoll von Hyperscalern angetrieben wird, zum Entgleisen bringen.“
Für den technologielastigen US-Index Nasdaq 100 zeichneten sich Verluste von drei Prozent ab.
Das DeepSeek-Modell R1 „stellt die massiven Ressourcen in Frage, die von den Silicon-Valley-Riesen für künstliche Intelligenz aufgewendet wurden - und die Aufschläge, die Investoren für den Zugang zu ihnen gezahlt haben“, merkt Aletheia Capital an. Das Modell von DeepSeek wurde mit Open-Source-Technologie entwickelt, die leicht zugänglich ist.
Das neue Modell sei „höchst problematisch für die These, dass die erheblichen Kapital- und Betriebsausgaben, die das Silicon Valley getätigt hat, der geeignetste Weg ist, um den KI-Trend anzugehen“, erklärte Nirgunan Tiruchelvam, Chef des Bereichs Verbraucher und Internet bei Aletheia Capital in Singapur.
Aktien der Tech-Firmen sacken ab
Am Wochenende kochten Diskussionen über DeepSeeks neuestes KI-Modell immer weiter hoch, da es kosteneffizient sein soll und womöglich mit weniger starken KI-Chips auskomme, als die großen KI-Modelle der etablierten Anbieter. Experten wollen die jüngsten Entwicklungen zwar nicht überbewerten. Gleichwohl könnte die Debatte eine Konsolidierung der teils hohen Bewertungen im Tech-Bereich auslösen, so ein Börsianer.
So weckt die Debatte bei Investoren Sorgen mit Blick auf die Bewertungen von Tech-Werten wie die KI-Chipspezialisten Nvidia , Broadcom AMD oder des Software-Konzerns Microsoft. An der japanischen Börse waren die Halbleiterindustrie-Ausrüster Tokyo Electron und Advantest sowie der Tech-Investor Softbank deutlich unter Druck.
Nvidia etwa sackten im vorbörslichen US-Handel um 7,5 % auf knapp 132 US-Dollar ab. Damit droht Nvidia den Status als wertvollstes börsennotiertes Unternehmen wieder an den iPhone-Konzern Apple verlieren, dessen Aktien vorbörslich um etwas mehr als ein Prozent nachgaben. Der Softwareriese Microsoft, für dessen Papiere sich ein Minus von 3,5 % abzeichnete, bliebe mit einer Marktkapitalisierung von dann noch knapp 3,2 Bill. Dollar auf Platz 3 knapp hinter Nvidia (gut 3,2 Bill. Dollar) sowie Apple (knapp 3,3 Bill. Dollar).
Deutsche Tech- und Energie-Aktien stark unter Druck
Am deutschen Markt gerieten Aktien wie Aixtron (-6,3 %), Siltronic (-4,7 %), Suss Microtec (minus 10,3 %), Kontron (minus 3,8 %) und Infineon unter Druck. Im Dax fielen Infineon und Siemens jeweils um mehr als 4 %.
Auch Papiere aus dem Energiebereich litten, nachdem in den vergangenen Monaten der steigende Strombedarf der rechenintensiven KI-Systeme teils kräftigen Rückenwind verliehen hatten. Einer der größten Leidtragenden war Siemens Energy, die von ihrem Rekord am Freitag bei über 60 Euro um bis zu 20 % abstürzten. Seit Ende 2023 hatten sie sich bis Freitag aber auch gut verfünffacht.
Da half es bei Siemens Energy auch nicht, dass Alexander Virgo von der Bank of America zum Wochenstart angesichts des vom neuen US-Präsidenten ausgerufenen Energienotstands eine Kaufempfehlung mit einem Ziel von 80 Euro aussprach.
„Das Weltuntergangszenario, das gerade im Twitter-Universum verbreitet wird, scheint übertrieben“, schreiben die Experten um Stacy Rasgon von Analysehaus Bernstein Research. Die KI-Modelle von DeepSeek seien gut und böten eine gute Leistung, allerdings sei OpenAI garantiert nicht für 5 Mill. US-Dollar nachgebaut worden. Zudem überrasche die Effizienz von DeepSeek-V3 nicht angesichts des verwendeten Modellaufbaus. Diese sogenannte Mixture-of-Expert (MoE)-Architektur sei darauf ausgelegt, die Kosten für Training und Betrieb von KI-Modellen zu reduzieren, da immer nur ein Teil der Modellparameter aktiv sei.
Dass die aktuellen Entwicklungen Investoren dennoch nervös machten, basiert laut Rasgon und Kollegen auf einem Missverständnis mit Blick auf die Kosten für das jüngste DeepSeek-Modell. Weitere Gründe seien, dass DeepSeek kleinere Modelle aus größeren extrahiere sowie die niedrigen Preise, die es für die Nutzung seiner Programme aufrufe.
Der erste Sorgenfaktor erscheine grundsätzlich falsch, da das Unternehmen keine revolutionären oder unbekannten Technologien verwendet habe, so die Experten. Der zweite Punkt sei schon interessanter, aber auch nichts Neues, wenngleich die Berechtigung des Ansatzes untermauert worden sei.
Die Investorensorgen angesichts der Preise, die DeepSeek verlangt, seien allerdings nicht von der Hand zu weisen. Zwar sei die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens unklar, aber die Sache werfe Fragen über die Rolle und Lebensfähigkeit von proprietären KI-Modellen im Vergleich zu Open-Source-Ansätzen auf.
Grund zur Panik sei all das aber dennoch nicht, denn angesichts der rasant steigenden Kosten für den weltweiten KI-Ausbau seien Innovationen wie die von DeepSeek notwendig. Diese Innovationen gingen zudem wohl kaum über das hinaus, was Top-KI-Entwickler nicht auch wüssten. Und: Im Techsektor sorgten Effizienzzuwächse normalerweise für ein Nachfragewachstum.